Frage an Gabriela Schimmer-Göresz von Susanne K. bezüglich Familie
Als Mutter bzw. Eltern empfinden wir es als ungerecht und falsch, dass wir für die Erziehung unserer Kinder so wenig gesellschaftliche Anerkennung und zu wenig finanzielle Erleichterungen bekommen. Welche Vorschläge haben Sie als Politikerin der ÖDP hierzu?
Sehr geehrte Frau Kuderna-Demuth,
die strukturelle Benachteiligung derer, die Kinder erziehen, ist eines der größten Ärgernisse der Politik. Dabei sind Erziehende für die Rente „systemrelevant“, da Rente an die jetzige Rentnergeneration nur ausbezahlt werden kann, wenn im gleichen Zeitraum genügend „Kinder“ als erwerbstätige Beitragszahler in die Rentenkasse einbezahlen. Unser Rentensystem ist in der ersten Säule ausschließlich an die Erwerbsarbeit gekoppelt. Das darf nicht so bleiben.
Es ist daher oberste Aufgabe des Staates das Rentensystem so zu verändern, dass nicht nur Erwerbstätige einbezahlen, sondern „Alle für alle“, d.h. auch Beamte, Selbständige und Einkommen aus Vermietung, Verpachtung etc. mit herangezogen werden. Aus diesen Einnahmen ist eine lebenssichernde Sockelrente für alle zu finanzieren. Mehr dazu erfahren Sie über das Bundespolitische Programm der ÖDP.
Die ÖDP will den Gleichstellungsbegriff, heute meist aus dem Erwerbsleben bekannt (gleicher Lohn für gleiche Arbeit; gleiche Chancen; Quotenregelungen etc.) erweitern, indem alle häusliche Fürsorgearbeit (Erziehung und Pflege) der außerhäuslichen Erwerbsarbeit gleichgestellt wird und zwar durch Bezahlung eines sozialabgabenpflichtigen Erziehungs-/Pflegegehalts, das etwa in Höhe der derzeitigen Kosten für einen Platz in einer Kindertagesstätte (ca.1.000 Euro) bis zum dritten Lebensjahr (Eintrittsalter Kindergarten) den Erziehenden zur freien Verfügung gezahlt wird. Die Erziehenden können damit ganz oder teilweise aus der Erwerbsarbeit ausscheiden oder sich eine Tagesbetreuung anstellen oder sich eine Kinderbetreuungseinrichtung mit einem niedrigen Betreuungsschlüssel aussuchen und dafür die höheren Kosten bezahlen. Alleinerziehende – meist Mütter – würden auf diese Weise aus der Abhängigkeit von Hartz-IV befreit.
Die ÖDP favorisiert die Subjektförderung vor der Objektförderung und trägt damit auch dem Wunsch vieler Eltern nach mehr Zeit mit ihren Kindern Rechnung. Bindungs- und Hirnforscher favorisieren einen äußerst kleinen Betreuungsschlüssel (2:1) in den frühen Monaten/Jahren zur besseren Ausbildung von Bindung und Empathie.
Die ÖDP möchte die Wirtschaft familiengerecht machen und nicht umgekehrt. Die ÖDP widerspricht vehement der Forderung (FDP NRW) nach 24-Stunden-Kitas zur Entlastung von Eltern im Schichtdienst. Eltern mit Kleinstkindern sind vom Schichtdienst zu befreien.
Das heute gewährte Elterngeld hält die ÖDP für unsozial, weil es sich nach dem vorherigen Einkommen richtet und beispielsweise Mütter, die aufgrund weiterer Kinder, Hartz-IV oder eines Studiums mit dem Mindestsatz abspeist. Das Betreuungsgeld zielt in eine ähnliche Richtung. Es suggeriert Familien-/Mütterfreundlichkeit, geht aber am ursprünglichen Problem vorbei. Erst ein Erziehungs- und Pflegegehalt behandelt Erziehende gerecht und verhindert Armut im Alter, weil in der Erziehungszeit Rentenanwartschaften erworben werden.
Ist ein EZG finanzierbar? Ja, es ist finanzierbar, weil viele der bisherigen familienpolitischen Leistungen wegfallen können. Und selbst wenn aus Steuern dazu bezahlt werden muss, ist dies zu rechtfertigen. Mir ist es lieber, der Staat/die Gesellschaft rettet Familien aus der Armut, denn Banken, die sich verspekuliert haben.
Die Problematik der Benachteiligung von Familien ist ein weites Feld. Ich empfehle dringend, sich in das Kapitel „2. Leistungsgerechtes und nachhaltiges Sozialsystem und hier insbesondere in 2.1 Familien- und Rentenpolitik –Sorge für Kindheit, Jugend und Alter“ sowie in 2.2 „Leistungsgerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen – Nachhaltigkeit in der Sozialpolitik“ einzulesen.
Folgendes müssen Sie gleichfalls wissen:
Ausgehend von den Menschenrechten auf Arbeit, freie Berufswahl, soziale Sicherheit, Wohlfahrt, Bildung, Teilhabe am kulturellen Leben sowie auf Erholung und Freizeit fordern wir für alle Menschen, die nicht erwerbstätig sein können, ein ausreichendes Grundeinkommen.
Globalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung der Arbeitsprozesse führen zu immer größeren Belastungen aller Menschen.
Wir brauchen eine gerechte und nachhaltige Gesellschaftspolitik, die die rasant angewachsene und weiter wachsende Kluft zwischen wenigen sehr reichen und immer mehr armen Menschen, verbunden mit zunehmenden Abstiegsängsten der noch vorhandenen Mittelschicht, wieder verringert, auch im Interesse der Demokratieentwicklung und der Verpflichtung zu einer konsequent ökologischen Politik. Dies betrifft auch die immer mehr zutage tretende Verletzung des Generationenvertrages gegenüber der jungen Generation und zu Lasten der Familien.
Wir brauchen vordringlich für Personen, die über kein eigenes Einkommen verfügen können, ein ausreichendes Grundeinkommen. Dazu zählen für uns u.a. Kinder, Rentnerinnen / Rentner und Erwerbsunfähige. Solange das Erziehungs- und Pflegegehalt nicht verwirklicht ist, gehören auch Erziehende und Pflegende dazu.