Frage an Fritz Felgentreu von Alina L. bezüglich Humanitäre Hilfe
Warum haben Sie am 04.03. gegen die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftigen Geflüchteten aus den griechischen Lagern gestimmt und wie stehen Sie jetzt dazu, nachdem das Lager abgebrannt ist und die ersten Corona-Fälle dort aufgetreten sind? Dass solch eine Katastrophe passiert, war damals schon abzusehen. Da unglaublich viele Kommunen und Städte bereits erklärt haben diese Geflüchteten aufzunehmen, erschließt es sich mir nicht, wieso Sie dagegen gestimmt haben und so Hilfe verweigert haben. Zur Erinnerung die Grundrechte der EU: "Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit". Meine Frage: Was werden Sie tun, damit diese Menschen hier aufgenommen werden?
Sehr geehrte Frau Lebherz,
vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrem Anliegen an mich gewendet haben. Die Lage der Zuflucht suchenden Menschen aus Moria war schon lange nicht mehr hinnehmbar. Die Bilder der Brände im Lager haben mich zutiefst erschüttert. Diese Eskalation war leider abzusehen. Die EU und der Bundesinnenminister hätten deutlich früher handeln müssen.
Zuallererst möchte ich auf die Abstimmung im März eingehen. Gegen den Antrag vom Bündnis 90/ die Grünen hat die Koalition deswegen gestimmt, weil in der gegenwärtigen Lage ein Ausscheren aus der gemeinsamen Haltung der Europäischen Union die Isolation Deutschlands und die Schwächung Europas zur Folge hätte, ohne die strukturellen Probleme zu lösen. Auf der folgenden Webseite finden Sie den Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion vom 04.03.2020, der unsere Position darlegt: https://www.spdfraktion.de/themen/schutz-humanitaere-hilfen
Die SPD-Bundestagsfraktion hat seit Monaten dafür geworben, dass Deutschland und Europa Zuflucht Suchende aufnehmen. Auf Drängen der SPD-Fraktion hat die Bundesregierung einen Anfang gemacht und im Sommer ein Programm für 1000 Personen aufgelegt, vorwiegend behandlungsbedürftige Kinder einschließlich ihrer Kernfamilien oder unbegleitete Minderjährige.
Das deutsche Aufnahmeprogramm entlastet Griechenland und die griechischen Inseln und bietet wenigstens einem Teil der in Griechenland Gestrandeten eine Perspektive. Gleichzeitig harren auf den ägäischen Inseln aber immer noch über 37.000 Zuflucht suchende Menschen unter schlimmen Bedingungen aus. Die bisherigen EU-weiten Aufnahmezusagen können daher nur ein Anfang sein. Das Thema muss weiter auf der Tagesordnung bleiben. Ich sage aber auch ganz offen: Es war ein großer Kraftakt, dass wir in Deutschland jetzt so viele Personen aufnehmen und es hat viele Stunden beharrlicher Fragen, Gespräche, Bitten und Aufforderungen in der Koalition bedurft.
Gleichzeitig wollen wir daran arbeiten, dass sich die Zustände insgesamt in Griechenland verbessern. Aufgrund der Bemühungen des UN-Flüchtlingshilfswerks, der Internationalen Organisation für Migration, der griechischen Regierung und der EU-Kommission wurden in den letzten Wochen zurzeit besonders gefährdete Personen aus den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln in Unterkünfte, u. a. leerstehende Hotels, auf den Inseln und dem Festland evakuiert. Dem griechischen Migrationsministerium zufolge wurden bisher schon über 10.000 Menschen von den Inseln aufs griechische Festland gebracht. Aber auch das braucht seine Zeit. Deutschland hilft hier zusätzlich unter anderem mit Personal, Hilfsgütern und stellt auch mobile Unterkünfte bereit.
Ich finde es großartig, dass sich so viele Kommunen und Bundesländer bereit erklärt haben, Zuflucht Suchende aus Moria aufzunehmen – darunter führend das rot-rot-grün regierte Berlin. Leider hat der Bundesinnenminister im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes in jedem Fall seine Zustimmung verweigert.
Wir als SPD-Fraktion üben weiterhin und verstärkt Druck auf die Bundeskanzlerin, den Innenminister und die Union aus und hoffen, möglichst schnell den Betroffenen aus Moria helfen zu können. Wir brauchen eine schnelle humanitäre Hilfsaktion der EU und müssen den Ländern und Kommunen, die sich bereit erklärt haben, Zuflucht suchende aufzunehmen, ermöglichen, das schnell und unkompliziert tun zu können.
Ich versichere Ihnen: Wir setzen uns auch weiterhin mit ganzer Kraft dafür ein, mehr Menschen aus Griechenland aufzunehmen. Übergeordnet setze ich mich persönlich zudem auch für eine bessere Infrastruktur an den europäischen Grenzen ein, die eine zügige Registrierung der Zufluchtssuchenden sowie eine schnelle Überprüfung ihres Status ermöglichen soll. Asylbewerber mit einer guten Bleibeperspektive sollten dann relativ zeitnah auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden.
In der Asylpolitik spricht sich die SPD-Fraktion daher auch nach wie vor für eine gemeinsame europäische Asyl- und Zuwanderungspolitik aus, die alle Mitgliedstaaten umfasst. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies notwendig ist, um schnellstmöglich Entscheidungen treffen und dementsprechend handeln zu können. Hier finden Sie aktuelle sozialdemokratische Vorschläge für ein europäisches Asylsystem: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier-menschlich-solidarisch-20200616neu.pdf.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Felgentreu