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Fritz Felgentreu
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Frage von Daniel S. •

Frage an Fritz Felgentreu von Daniel S. bezüglich Soziale Sicherung

Was halten Sie von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), z.B. in Höhe von ca. 1.200,- € monatlich, welches allen Deutschen unabhängig von Alter und Einkommen gezahlt wird?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).
Auf den ersten Blick klingt der Vorschlag, jedem Erwachsenen ein existenzsicherndes Einkommen monatlich ohne Bedingungen zu zahlen, verlockend. Dennoch lehne ich die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab.

Befürworter des Vorschlages nennen meist zwei Argumente.
Erstens mache das bedingungslose Grundeinkommen das Land gerechter.
Zwar würden alle Menschen bei der Verteilung des Grundeinkommens gleichbehandelt werden, aber gerechter ginge es deswegen nicht in Deutschland zu. Denn das bedingungslose Grundeinkommen wird nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Das bedeutet, dass beispielsweise der alleinstehende, erfolgreiche Unternehmer dieselbe staatliche Unterstützung erhält wie der schwerkranke Familienvater, der nicht mehr arbeiten kann. Von einer gerechteren Verteilung der finanziellen Leistungen des Staates kann daher nicht die Rede sein.
Ein gerechter Sozialstaat passt den Umfang seiner Unterstützung an die Bedürfnisse des Einzelnen an und gleicht (Chancen)Ungleichheiten aus. Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens erfüllt dieses Gerechtigkeitsprinzip nicht. Armut bekämpfen wir durch bedarfsabhängige staatliche Leistungen fairer und effektiver.

Darüber hinaus behaupten die Befürworter des Vorschlags, dass das BGE die dringende Antwort auf den digitalen Umbruch sei. Das existenzsichernde Grundeinkommen müsse eingeführt werden, um die Menschen, denen aufgrund der Digitalisierung der Arbeitsplatzverlust droht, finanziell abzusichern.
Es steht nicht infrage, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend ändert. Sie verändert Arbeitsbedingungen und Arbeitsbeziehungen. Mit der Digitalisierung steigen also die Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Doch meiner Meinung nach ist das BGE nicht die richtige Antwort auf die Probleme. Mit der Einführung des BGE nehmen wir die Erwerbslosigkeit einfach hin und deklarieren sie als gesellschaftlich unproblematisch. Allerdings hat sich die SPD im Grundsatzprogramm zur Erwerbsarbeit als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe bekannt. Deshalb kommt es uns Sozialdemokraten vielmehr darauf an, die hohe Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in der Arbeitswelt maximal zu erhalten. Zielführend sind daher Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen. Wir setzen auf die Einführung des Arbeitslosengeldes für Qualifikation (ALG Q) und das sogenannte „Chancenkonto“. Unser Arbeitslosengeld für Qualifikation unterstützt alle, die nach drei Monaten noch keinen neuen Job gefunden haben. Wir schaffen ein Recht auf Weiterbildung und verbessern damit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Mit dem Chancenkonto statten wir Erwerbstätige für die Finanzierung von Weiterbildung und Qualifizierung mit einem staatlichen Startguthaben aus. Zudem kann es für Gründungen und den Übergang in die Selbständigkeit eingesetzt werden. Anstatt mit einem bedingungslosen Grundeinkommen die Leistung der arbeitenden Menschen zu entwerten, setzen wir uns für gute und angemessen bezahlte Arbeitsplätze ein. Mit dem Mindestlohn haben wir bereits einen entscheidenden Schritt in diese Richtung getan.
Des Weiteren bezweifle ich die Finanzier- und damit Realisierbarkeit des Konzeptes. Entweder erhält jeder Bürger ein so geringes Grundeinkommen, dass es zwar finanzierbar, aber nicht existenzsichernd ist, oder man führt ein Grundeinkommen in der Höhe ein, dass es tatsächlich das Existenzminimum sichert. Dann stellt es jedoch den Sozialstaat vor eine erhebliche finanzielle Herausforderung. Zwar ersetzt das BGE einen Großteil der staatlichen Sozialausgaben, aber dennoch müssen andere öffentliche Dienste weiterhin bezahlt werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Partei die Linke hat 2016 einmal ausgerechnet wie viel ihr Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens kostet: Wenn monatlich jeder Erwachsener 1080 Euro und alle Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren 540 Euro Grundeinkommen erhalten, kostet das jährlich brutto 985 Milliarden Euro, nach Abzug der wegfallenden Leistungen netto 863 Milliarden Euro. Die immens hohen Kosten des bedingungslosen Grundeinkommens würden vermutlich viele öffentliche Dienstleistungen gefährden. Demensprechend bin ich der Ansicht, dass wir uns die Einführung des BGE schlichtweg nicht leisten können.

Zweifelsohne werden durch die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen gravierende Missstände aufgezeigt und zentrale soziale Probleme angesprochen. Wir von der SPD teilen viele dieser Bedenken. Das Grundeinkommen ist jedoch eindeutig die falsche Antwort auf die aufgeworfenen Fragen. Es kann den Sozialstaat nicht stärken – im Gegenteil: Es läuft auf seine Demontage hinaus. Um die sozialen Probleme zu lösen, setzen wir in erster Linie auf ein solidarisches Rentenkonzept, ein gerechteres Steuersystem, gute Bildung und den Ausbau der sozialen Dienste. Wenn die Erwerbsarbeit heute nicht ausreicht, um die eigene Existenz abzusichern, müssen wir für bessere Arbeitsbedingungen und fairere Löhne kämpfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Fritz Felgentreu