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Fritz Felgentreu
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Frage von Stefan K. •

Frage an Fritz Felgentreu von Stefan K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Herr Felgentreu,

können Sie mir den Unterschied zwischen Außenpolitik und Wirtschaftspolitik erklären?
Die Frage stelle ich vor dem Hintergrund des "NordStream"-Deals.
Im Aufsichtsrat dieses Großprojektes sitzt der ehemalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Das Ergebnis des Projektes wäre, dass die russische Firma "Gazprom" rund 70% der europäischen Gasimporte bedienen würde.
Zum Schaden der Staaten Ukraine und Polen, deren Zuliefererdienste dann keine Rolle mehr spielen dürften. (1)
Die SPD, in Person von Sigmar Gabriel vor allem, poltert im Moment gegen eine angebliche Einmischung der USA. Dabei geht es bei dieser "Einmischung" um berechtigte Russland-Sanktionen, u.a. wegen der illegalen Annexion der Krim.
Gleichzeitig zweifelt der Kanzlerkandidat Schulz nun vertragliche Verpflichtungen an, die man mit der NATO während der Großen Koalition international vereinbart hatte. (3)
Auch im Iran werden deutschen Großkonzernen prima Abschlüsse vermittelt, ohne dass da im Hintergrund jemand ungünstig am Kram baumelt. Und das bei über 100 Hinrichtungen pro Monat. (2)
In der Knesset hingegen wirft Schulz Israel eine Trinkwasserverknappung vor (was sich als Quatsch herausstellte, 4).
Ist Entspannungspolitik zum Teil auch einfach ein Lockermachen durch Vergessen? (5)
Quellen:
(1) https://jungle.world/artikel/2017/31/streit-um-die-leitung
(2) http://de.euronews.com/2017/08/02/todesstrafe-im-iran-uber-100-exekutionen-in-einem-monat
(3) http://www.tagesspiegel.de/politik/hoehere-verteidigungsausgaben-absurde-argumentation-der-spd/20160498.html
(4) https://www.welt.de/politik/ausland/article124811762/Schulz-Zahlen-zum-Wasser-waren-fahrlaessig-naiv.html
(5) http://www.bild.de/politik/ausland/headlines/kommentar-russland-sanktionen-52782852.bild.html
(6) https://www.vorwaerts.de/artikel/spd-bundestagsfraktion-palaestina-israel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie haben darin verschiedenste außenpolitische Entwicklungen angesprochen und mithin auch die sozialdemokratische Entspannungspolitik kritisch hinterfragt. Gerne möchte ich Ihnen auf diesem Wege meine Sicht der Dinge näher erläutern.
Ich möchte an dieser Stelle bereits meine Antwort auf die von Ihnen formulierte, pointierte These vorwegnehmen: Nein. Entspannungspolitik im Geiste Willy Brandts ist nicht einfach nur „Lockermachen durch Vergessen“ – auch nicht zum Teil. Sie zielt darauf ab, außenpolitische Grenzen aufzuzeigen, wo es nötig ist, und Brücken zu bauen, wo es möglich ist. Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung auf der einen Seite; Angebote zur Entspannung, Bereitschaft zur Abrüstung und ernsthafter Wille zur Rüstungskontrolle auf der anderen. Nur wenn beide Seiten zusammengedacht werden und aufeinander abgestimmt sind, lässt sich eine moderne Friedensdiplomatie vernünftig gestalten. Klar ist doch: Aufrüstung allein löst keine Konflikte. Militärische Abschreckung muss eingebettet sein in einen größeren friedenspolitischen Fahrplan. Ich bin daher froh, dass das Auswärtige Amt in dieser Legislaturperiode mit Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel von zwei Sozialdemokraten mit dem nötigen Augenmaß geführt wurde bzw. wird.
Mit Blick auf das von Ihnen angesprochene „Nord Stream 2“-Projekt, wird auch schnell klar, dass sich die Instrumente der Außenwirtschafts-, Energieaußen- und Friedenspolitik zum Teil überschneiden können und im besten Falle wirksam ergänzen. Bei dem Ausbau der Erdgaspipeline durch die Ostsee treffen zahlreiche, divergierende Interessen aufeinander. Gerade die baltischen Staaten, Polen und die Ukraine betrachten das Projekt mit größter Skepsis. Angesichts der russischen Aggressionen in den vergangenen Jahren – aber auch angesichts potenzieller Mindereinnahmen bei den Transitgebühren – sind diese Vorbehalte nachvollziehbar. Dies gibt ja der von Ihnen angegebene Artikel ebenfalls wider. Was die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Transitländer wie die Ukraine und Polen angeht, so wird sich die SPD auch künftig dafür einsetzen, dass der Transit von Erdgas durch diese Länder weiterhin erfolgt – schon um im Sinne der Diversifizierung verschiedene Versorgungswege aufrecht zu erhalten.

Andere Kommentatoren bewerten die außenpolitische Bedeutung des Projekts übrigens anders. Deren Einschätzung teile ich:
„Mit Blick auf den generellen Zustand der Beziehungen zwischen der EU und Russland gibt es gute Gründe, auf die ökonomische Dimension der Beziehungen zu setzen und den Energiehandel als einen wichtigen ‚Kanal‘ der Zusammenarbeit zu pflegen. In Zeiten eines angespannten Verhältnisses und wachsender Divergenzen bietet wirtschaftlicher Austausch einen Mehrwert.“ (Lang und Westphal, S. 40)

www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2016S21_lng_wep.pdf

Außerdem möchte ich noch kurz auf die von Ihnen erwähnte Diskussion um das Zwei-Prozent-Ziel innerhalb der NATO eingehen. Ich denke, wir müssen uns endlich von dieser Art „Zahlen-Fetischismus“ freimachen. Klar ist: Die Bundeswehr ist derzeit personell und materiell immer noch nicht so ausgestattet, wie sie es angesichts verschiedenster Auslandseinsätze, einsatzgleicher Verpflichtungen und anderer sicherheitspolitischer Herausforderungen sein müsste. Wesentlicher Grund hierfür: das willkürliche Sparprogramm der Union. Das an den Tag gelegte Rasenmäher-Prinzip, das die Union mehr als zehn Jahre lang walten ließ, hat im Ergebnis zu hohlen Strukturen und oftmals unzureichender Personaldecke sowie Ausrüstung sowie geführt. Es ist daher richtig, dass wir in dieser Legislaturperiode den Trend des schrumpfenden Verteidigungsetats endlich gestoppt bzw. umgekehrt haben. Klar ist: Wir müssen mehr Geld in die Bundeswehr investieren, damit diese endlich so aufgestellt ist, wie sie es angesichts ihrer zahlreichen Aufgaben sein müsste – nicht mehr und nicht weniger. Umfang und Höhe des deutschen Verteidigungshaushaltes müssen sich daran ausrichten, welche Fähigkeiten die Bundeswehr auch als Teil und loyale Partnerin in der NATO künftig und in welchem Maße vorhalten soll. Das bedeutet wiederum aber eben nicht, dass wir uns dogmatisch darauf festlegen müssen, zwei Prozent des deutschen BIP aufzuwenden. Wie Sie sicherlich wissen, entspräche dies nahezu einer Verdopplung der aktuellen Ausgaben im Verteidigungsbereich. Noch einmal: Die Abkehr vom Zwei-Prozent-Ziel, wie sie Martin Schulz formuliert hat, bedeutet nicht, dass die SPD die überfällige und für absehbare Zeit auch kontinuierliche Erhöhung des Verteidigungsetats rückgängig machen will. Es bedeutet vielmehr, dass diese Erhöhung mit notwendigem Maß und ausgerichtet am Fähigkeitsprofil der Streitkräfte erfolgen muss, die sich als wesentlicher Teil in die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur miteinfügen.

Was Ihre Anmerkungen zum Iran und zu Israel angeht, so muss klar sein, dass die SPD die eklatanten Menschenrechtsverletzungen des iranischen Staates nicht hinnehmen und sie auch im Rahmen einer Entspannungspolitik immer wieder deutlich kritisieren wird. In der Israel-Politik müssen wir zwischen der Grundhaltung der SPD und der Tagespolitik unterscheiden. Das Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels ist für uns nicht verhandelbar. Israel teilt als einziger demokratischer Rechtsstaat in der Region die Werte des Westens und ist auch deshalb Deutschlands natürlicher Partner und Verbündeter. Ein besonderes Verhältnis zu Israel wird als Konsequenz der deutschen Verantwortung für die Shoa dabei fortbestehen. Gleichwohl ist von der SPD nicht zu erwarten, dass sie die Politik einer israelischen Regierung aus Konservativen, Nationalisten und Religiösen stets unkritisch zur Kenntnis nehmen wird. Die bestehenden Mehrheiten im Lande gehören einem anderen politischen Lager an als wir und treffen immer wieder auch Entscheidungen, mit denen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sich nicht identifizieren können. Das dann zu formulieren wird Aufgabe eines SPD-Parteivorsitzenden bleiben.

Mit besten Grüßen

Dr. Fritz Felgentreu