Frage an Fritz Felgentreu von Marion S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Felgentreu,
bitte entschuldigen Sie den Umfang meiner Fragen, von deren Beantwortung ich jedoch meine Wahlentscheidung abhängig machen werde. Diese Fragen werde ich auch an Frau Schwarzer stellen. Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Mit besten Grüßen aus Neukölln,
Marion Schmidt
Werden Sie sich für eine Abschaffung des Zwei-Klassen-Systems aus PKV und GKV sowie für die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen einsetzen?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Alleinerziehende bessergestellt werden, z.B. ggü. Verheirateten ohne Kinder?
Werden Sie dafür sorgen, dass für Geringverdiener mehr Netto vom Brutto übrig bleibt?
Werden Sie sich gegen die Möglichkeit von langjähriger Befristung einsetzen?
Haben Sie Konzepte gegen die Altersarmut von Müttern, die sich daraus ergibt, dass viele Mütter wegen ihres unentgeltlichen Einsatzes schon im Berufsleben nur in Teilzeit Geld verdienen können?
Werden Sie hochqualifizierte Teilzeit-Jobs fördern (z.B. dadurch, dass es für einen Arbeitgeber nicht teurer wird, zwei Arbeitnehmer in Teilzeit einzustellen als einen in Vollzeit)?
Haben Sie ein Konzept, um die Medienkompetenz der Nutzer zu verbessern (z.B. mithilfe einer bundesweiten Initiative)?
Unterstützen Sie den Vorschlag von Herrn Schulz, dass innerhalb eines Unternehmens die Gehälter der Manager in einem angemessenen Verhältnis zu den Gehältern der Arbeitnehmer stehen sollten?
Werden Sie sozialen Wohnungsbau fördern sowie die Mieterrechte stärken?
Sehr geehrte Frau Schmidt,
vielen Dank für Ihre detaillierten Fragen. Es freut mich, wenn interessierte Neuköllner Bürgerinnen und Bürger sich an mich wenden, mir ihre Ansichten schildern und Fragen stellen.
Das duale System aus PKV und GKV ist ungerecht und ökonomisch nicht zu begründen. Ich setzte mich daher für die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung für alle ein. Bei der Umgestaltung unseres jetzigen Versicherungssystems hin zur solidarischen Bürgerversicherung ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese schrittweise erfolgen muss. Eine direkte Umstellung ist mit verfassungsrechtlichen und finanziellen Risiken verbunden, da die Verträge der PKV-Versicherten direkt aufgelöst würden. Auch bei einer kompletten Abschaffung der Beitragsermessungsgrenze gibt es verfassungsrechtliche Bedenken und eine plötzliche, starke Erhöhung würde bei einer schrittweisen Einführung der Bürgerversicherung wohl eine Abwanderung einkommensstarker Versicherter in die PKV bedeuten. Würde die Bürgerversicherung im Rahmen eines Stufenmodells eingeführt, sollte die Beitragsbemessungsgrenze immer auch parallel adäquat angepasst werden. Die Abschaffung des dualen Versicherungssystems kann und wird also nicht von heute auf morgen erfolgen, aber mein erklärtes Ziel ist sowohl die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, als auch die Abschaffung der Beitragsermessungsgrenze.
Für Alleinerziehende ist es in meinen Augen besonders wichtig, dass sie finanziell entlastet und bei der Kinderbetreuung unterstützt werden. Ich setzte mich für den weiteren qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung und weitere Investitionen sowohl in Kitas als auch in Schulen ein. Die Betreuungsangebote müssen besonders in strukturschwachen Regionen noch deutlich verbessert werden und grundsätzlich für alle kostenlos sein. Denn bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Eltern auf eine qualitativ hochwertige und verlässliche Infrastruktur für ihre Kinder angewiesen. Programme wie zum Beispiel „KitaPlus“ leisten einen Beitrag dazu, dass auch Betreuungszeiten an den Rändern der regulären Öffnungszeiten abgedeckt werden können. Neben dem Ausbau von Betreuungsangeboten muss natürlich auch die finanzielle Unterstützung von Alleinerziehenden im Fokus stehen. Persönlich freue ich mich besonders, dass Bund und Länder sich auf eine Reformierung des Unterhaltsvorschussgesetzes verständigt haben. Als zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion begleite ich das Thema im parlamentarischen Verfahren und bin sehr zuversichtlich, dass das Gesetz in den kommenden Wochen vom Bundestag verabschiedet wird. Die neue gesetzliche Regelung sieht vor, dass Kinder, bei denen ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt, zukünftig länger unterstützt werden. Die Begrenzung der Bezugsdauer beim Unterhaltsvorschuss auf bislang sechs Jahre wird abgeschafft und die Altersgrenze von bisher 12 auf 18 Jahre angehoben. Des Weiteren ist es Ziel der SPD das Steuerrecht für alle Familien gerechter zu gestalten. Dafür wollen wir einen Familientarif einführen, der Kinder unabhängig von der Lebensform der Eltern unterstützt. Das Kindergeld wollen wir nach Einkommen und Kinderzahl staffeln, um Kinderarmut entgegenzuwirken.
Für Geringverdiener und Familien konnte die SPD-Bundestagsfraktion durch die Anhebung des Mindestlohns und die Erhöhung des Kinderzuschlages bereits Erfolge erzielen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die auch weiterhin zur einer stärkeren Entlastung von Geringverdienern beitragen können. Dabei steht für mich der Abbau der sogenannten „Kalten Progression“ im Vordergrund. Für allgemeine Steuersenkungen sehe ich keinen Spielraum. Ich werde mich auch in Zukunft für eine gerechtere Verteilung der Steuerlast und die Entlastung von geringen Einkommen einsetzten, damit auch für Geringverdiener mehr Netto vom Brutto übrig bleibt.
Zu Ihrer nächsten Frage: In der Tat muss prekären Beschäftigungsverhältnissen, durch immer wieder erneuerte, befristete Verträge entgegengewirkt werden. Denn dies führt zu Planungsunsicherheit und Perspektivlosigkeit und stellt insbesondere für Familien eine große Belastung dar. Der SPD-Bundestagsfraktion ist es bereits gelungen, durch Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz unsachgemäße Kurzverträge zu unterbinden. Damit werden prekäre Beschäftigungsverhältnisse für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zahlreiche weitere Beschäftigte an deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingedämmt. Ich werde mich weiterhin gemeinsam mit unserem Kanzlerkandidaten Martin Schulz und meinen Kolleginnen und Kollegen dafür einsetzen, dass für Unternehmen bei der Befristung von Arbeitsverträgen höhere Standards gelten und die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen abgeschafft wird.
Altersarmut bei Müttern sowie Vätern, die durch ihre unentgeltlichen Betreuungsleistungen nicht ausreichend Rentenpunkte sammeln konnten, ist ein ernstzunehmendes Problem. Ein erster und wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Altersarmut bei Teilzeitbeschäftigten ist der Vorstoß der SPD-Bundestagsfraktion, einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in die vorherige Arbeitszeit einzuführen. Damit soll erreicht werden, dass Beschäftigte, die sich eine Rückkehr in die Vollzeit wünschen, dies zukünftig ohne Hürden umsetzten können und im Alter dementsprechend höhere Rentenleistungen beziehen. Die SPD fördert außerdem explizit Frauen durch mehr Transparenz bei der Lohngerechtigkeit und der Forderung gleiche und gleichwertige Arbeit gerecht zu entlohnen, auch um Altersarmut bei Frauen entgegenzuwirken. Mit verschiedenen Instrumenten wie dem ElterngeldPlus und der Familienarbeitszeit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Männer und Frauen Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich aufteilen können. Eine große Mehrheit der Väter wünscht sich mehr Zeit für die Familie und mehr Frauen wollen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Als Berichterstatter im Familienausschuss setze ich mich daher für eine Familienarbeitszeit ein. Diese sieht vor, beiden Elternteilen für bis zu 24 Monate ein Familiengeld in Höhe von 300 Euro monatlich zu zahlen, wenn sie möglichst vollzeitnah arbeiten. Dies gilt selbstverständlich auch für Alleinerziehende. Zentral sind für uns der qualitative und quantitative Ausbau von Kitas, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kita- und Grundschulkindern und die Abschaffung der Kita-Gebühren. Das Modell der Zukunft und gleichzeitig die wirksamste Maßnahme gegen Altersarmut ist eine gerechte, partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbstätigkeit.
Der Wandel hin zu mehr Partnerschaftlichkeit erfordert dementsprechend auch ein Umdenken der Arbeitgeber und das Schaffen von Möglichkeiten, einer Teilzeitbeschäftigung auch in hochqualifizierten Berufen nachzugehen. Für Arbeitnehmer bestünde mit der SPD-Forderung ein Rückkehrrecht in die vorherige Arbeitszeit einzuführen ein stärkerer Anreiz befristete Teilzeitreglungen in Anspruch zu nehmen. Mit dem Plan der SPD-Bundestagsfraktion ein Familiengeld einzuführen würde ein weiterer wichtiger Anreiz geschaffen. Für Arbeitgeber ist zudem nicht eindeutig geklärt, ob sich die Personalkosten durch die Teilzeitbeschäftigung realistisch erhöhen. Die zunächst höheren Kosten können sich ausgleichen, da Teilzeitbeschäftigte häufig motivierter und somit produktiver sind. Außerdem verringern sich Fehlzeiten und Arbeitsunfälle. Ich werde mich dafür einsetzen die flexible Teilzeit für Arbeitnehmer noch attraktiver zu machen und auch Arbeitgeber von ihrer Nützlichkeit zu überzeugen, um ein partnerschaftliches Familienmodell möglich zu machen.
Die Unterstützung digitaler Bildung und die Verbesserung der Medienkompetenz, insbesondere von Kindern und Jugendlichen sind grundlegende Notwendigkeiten zur Teilhabe an der digitalen Welt. Dafür muss die digitale Bildung gezielter in Lehrpläne aufgenommen, gefördert und Medienkompetenz vermehrt an Schulen, in der betrieblichen Ausbildung und an Hochschulen vermittelt werden. Der Schlüssel zu einer flächendeckenden, guten digitalen Bildung, bei der möglichst viele Menschen erreicht werden, liegt dabei in erhöhten Investitionen in das Bildungswesen bundesweit, der zielgerichteten Weiterbildung des Lehrpersonals und einer besseren digitalen Ausstattung. Darüber hinaus gibt es bereits erfolgreiche, bundesweite Initiativen zur Verbesserung von Medienkompetenz, wie die „Nationale Initiative Printmedien“ oder „Ein Netz für Kinder“, diese gilt es zu unterstützen und weiterzuentwickeln.
Ich stimme Martin Schulz zu, dass bei Managergehältern wieder Maß und Mitte einkehren muss. In börsendotierten Konzernen verdienen Vorstandsmitglieder heutzutage im Schnitt mehr als das 50-fache des Durchschnittsverdiensts im Unternehmen. Dies steht nicht mehr im Verhältnis zu den Gehältern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und kann auch mit großer Verantwortung oder hohen persönlichen Risiken nicht begründet werden. Ziel einer Begrenzung von Managergehältern muss es sein, dass überhöhte Gehälter und Zusatzleistungen von den Eigentümern eines Unternehmens finanziert werden und nicht mehr wie bisher der Allgemeinheit aufgebürdet werden, indem man sie von der Steuer abgesetzt. Außerdem dürfen schlechte Leistungen, die dem Unternehmen, den Beschäftigten oder dem Allgemeinwohl schaden, nicht mehr länger auch noch durch Boni honoriert werden. Die Vergütung von Managern muss wieder in einem gerechten Verhältnis zum Verdienst der Beschäftigten stehen. Ein Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema Managergehälter (http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/gesetzentwurf_manager-verguetungen_spdbt_final.pdf) sieht vor, die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern einzuschränken und schlechte Leistungen oder Regelverstöße auch noch nachträglich durch Herabstufung des Verdienstes zu ahnden. Außerdem soll die Entscheidung über die Vergütung von Vorstandsmitgliedern nicht mehr länger nur dem Aufsichtsrat überlassen werden, sondern es soll auch die öffentlich tagende Hauptversammlung einbezogen werden, die dem Vorschlag des Aufsichtsrates verbindlich zustimmen muss.
Zu Ihrer letzten Frage: Preiswerter Wohnraum wird in Deutschland zunehmend benötigt. Daher setze ich mich sowohl für den Ausbau des sozialen Wohnraums als auch für die Stärkung von Mieterrechten ein. In diesem Zusammenhang konnten durchaus bereits Erfolge erzielt werden: Die Mittel zur Unterstützung der Länder durch den Bund für den sozialen Wohnungsbau wurden auf Druck der SPD-Bundestagsfraktion auf eine Milliarde Euro jährlich erhöht - doppelt so viel, wie ursprünglich geplant war. Zudem wurde 2016 das Wohngeld erhöht, was insbesondere Geringverdienern und Familien zu Gute kommt. Zusätzliche Maßnahmen, um den sozialen Wohnraum auszubauen, könnten die Schaffung von Anreizen für Bauherren oder eine Vereinfachung des Baurechts sein. Neben mehr Mitteln für den sozialen Wohnungsbau müssen auch die Mieterrechte in den Fokus genommen werden. Mit der Einführung der Mietpreisbremse und des Maklerprinzips wurden bereits Maßnahmen ergriffen, um die Rechte von Mietern zu stärken und diese finanziell zu entlasten. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen setze ich mich für eine Schärfung der Mietpreisbremse ein, um diese noch effektiver zu machen. Denn es besteht Nachbesserungsbedarf: Die umfassende Auskunftspflicht des Vermieters zur Miethöhe und die rückwirkende Rückzahlungspflicht überhöhter Mieten schon ab Vertragsschluss muss ins Gesetz geschrieben werden. Ich werde mich auch weiterhin für die Stärkung von Mieterrechten und mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau einsetzen.
Ich freue mich, wenn Sie den Wahlkampf weiterhin aktiv verfolgen und sich an mich wenden, falls Sie weitere Fragen oder Anregungen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Fritz Felgentreu