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Fritz Felgentreu
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Frage von Leif H. •

Frage an Fritz Felgentreu von Leif H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Felgentreu!

Halten Sie es für sinnvoll, daß wir Bürger durch eine eigene Initiative selbstständig durch einen Volksentscheid unser Grundgesetz ändern können?

Sollen an der nächsten Förderalismusreform (Finanzenausgleich) Bürger und Kommunalpolitiker beteiligt werden? Brauchen wir dazu einen Verfassungskonvent?

Herzliche Grüße,
Leif Hansen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hansen,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne wie folgt beantworte:

Ich persönlich halte es nicht für sinnvoll, dass alle Bürgerinnen und Bürger auf eigene Initiative hin das Grundgesetz durch Volksentscheide ändern können. Der Parlamentarische Rat hat sich am 08. Mai 1949 bewusst dafür entschieden, dass eine Änderung des Grundgesetzes an die Zustimmung des Bundestages sowie des Bundesrates gebunden ist. In unserem System der repräsentativen bzw. parlamentarischen Demokratie werden die Volksvertreter durch die Bürgerinnen und Bürger gewählt, um so stellvertretend ihre Interesse zu berücksichtigen. Ich bin Befürworter unseres aktuellen politischen Systems und denke, dass wir mit der repräsentativen Demokratie und der Ergänzung durch direktdemokratische Elemente eine gelungene Herrschaftsform besitzen.

Die SPD und auch ich persönlich setze mich daher für bundesweite Volksbegehren und Volksentscheide ein. Die Menschen wollen zunehmend mehr mitreden und mitentscheiden. Wir brauchen deshalb endlich auch auf Bundesebene eine bürgerfreundliche Regelung für die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden, angemessene Quoren und neue Beteiligungsformen. Dazu hat die SPD-Bundestagsfraktion im Juni 2013 zwei Anträge ins Parlament eingebracht, die im Kern die dreistufige Volksgesetzgebung, mit der ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Volkes über Volksinitiative und Volksbegehren dem ganzen Volk zur Entscheidung vorgelegt werden kann (Drucksache 17/13873), fordert. Außerdem ist ein „volksbegehrtes Referendum“ (Drucksache 17/13874) vorgesehen, mit dem Bürgerinnen und Bürger ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz per Volksentscheid überprüfen lassen können. Nachdem bei der Bundestagswahl 2013 CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der gültigen Stimmen erreicht hatten -gegenüber 25,7 Prozent für die SPD - war es bei den Koalitionsverhandlungen nicht möglich, die noch immer in der CDU tief verwurzelte Abneigung gegenüber Elementen direkter Demokratie zu überwinden. Ein Versuch, über die in dieser Hinsicht etwas offenere CSU auf die CDU einzuwirken, hatte leider keinen Erfolg. Wir werden weiter für Elemente direkter Demokratie werben, letztlich wird es aber darauf ankommen, bei der nächsten Bundestagswahl andere Mehrheiten zu erreichen, die direktdemokratischen Elementen offener gegenüberstehen.

Die neu zu regelnden Bund-Länder-Finanzbeziehungen stellen die Politik vor eine enorme Herausforderung. 2019 läuft der Länderfinanzausgleich, der für gleiche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland sorgen soll, aus. Deshalb müssen sich die 16 Länder auf eine neue Verteilung der Gelder einigen. Daneben müssen die Länder ihre Finanzbeziehungen mit dem Bund neu ordnen. Denn 2019 endet der Solidarpakt II für den Aufbau Ost, hohe Fördermittel für die neuen Länder fallen weg. Der Solidaritätszuschlag ist zwar rechtlich nicht an den Solidarpakt gebunden, aber politisch mit ihm verquickt. Ab 2020 greift zudem die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse. Ich halte es für sinnvoll, dass die Finanz- und Regierungschefs von Bund und Ländern in erster Linie untereinander zusammen kommen, versuchen gegenseitige Blockaden zu verhindern und eine für alle zufriedenstellende Lösung der Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen zu erarbeiten. Da eine umfassende Reform spürbare Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger haben wird, bin ich mir sicher, dass alle Beteiligten die Expertise und Vorort-Situation der Kommunen in den Verhandlungen umfassend berücksichtigen. Eine schnelle Einigung erscheint bereits jetzt zwischen Bundes- und Landespolitikern als unwahrscheinlich, weshalb ich – was auch der Komplexität des Themas geschuldet ist – eine direkte Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger zwar für wünschenswert, aber leider auch als kaum realisierbar betrachte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Fritz Felgentreu