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Fritz Felgentreu
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Frage von Friedrich B. •

Frage an Fritz Felgentreu von Friedrich B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Felgentreu,

in erster Linie sollen Sie natürlich den Bezirk und im Bezirk die Bürger vertreten. Nichts desto trotz haben Sie auch die Aufgabe die Bundespartei mit zu lenken und ihre Meinung zu Fragen die über den Bezirk hinaus gehen in Diskussionen mit einzubringen.

Daher würde mich Ihre Meinung zu unserem derzeitigen System der "Global Governance" interessieren. Was sind Ihre Visionen bzw. Utopien in diesem Bereich?

Insbesondere interessiert mich außerdem, ob Sie sie UNPA-Kampagne bisher nicht unterstützen weil Sie noch nichts von Ihr gehört haben oder weil sie globale Demokratie ablehnen?

In meinen Augen ist eine globale Demokratie mit starker subsidiarer Ausprägung das vernünftigste politische System für eine wirtschaftlich wie auch anderweitig vernetzte Weltgesellschaft. Was ist also Ihre Meinung?

Für mich könnte die Antwort wahlentscheidend sein, da ich davon ausgehe, dass wir ohne eine radikale Reform unseres politischen Systems nicht wirklich in einer Demokratie leben, sondern in einer Diktatur des Systems, welche dafür sorgt, dass Nationalstaaten ihre Infrastruktur (Bildung, Straßen, Umwelt) an den internationalen Kapitalmarkt unter Erhaltungskosten verkaufen (zum Preis von Steuern, Abgaben, etc.). Im Endeffekt profitiert davon niemand. Es handelt sich ganz einfach um einen unregulierten Markt: Marktversagen erreicht sein Maximum. Aus spieltheoretischen Gründen wird die Mehrzahl der Bürger in unserem heutigen System immer im Interesse des Kapitalmarktes wählen, denn dieses Verhalten garantiert Ihnen die größten Chancen auf Jobs (Deckung der Grundbedürfnisse).

Es gibt zahlreiche Gründe für globale Demokratie: Frieden, Menschenrechte, Wohlstandsmaximierung (die Summe aus Staats- und Marktversagen wird minimiert), Gerechtigkeit, Umweltschutz, Freiheit, etc.

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort,
FB

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandi,

ich danke Ihnen für Ihre Frage vom 07. September 2009.

Die Globalisierung der Märkte verlangt nach politischer Globalisierung, nach gemeinsamer politischer Gestaltung und fairen Regeln. Nur so werden wir unserem großen Ziel einer friedlichen und gerechten Welt näher kommen und die globale Wirtschafts- und Finanzkrise als Aufbruchssignal für die Weltgemeinschaft nutzen können. Dazu müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union, in Afrika, Amerika und Asien die Regeln für die Welt des 21. Jahrhunderts entwerfen – Regeln für eine globale Verantwortungsgemeinschaft, die verlässlich und stabil, gerecht und solidarisch ist.

Unsere besondere Aufmerksamkeit muss dabei den Ärmsten gelten: Finanz-, Wirtschafts- und Ressourcenkrisen dürfen nicht auf den Schultern der Schwachen abgeladen werden. Globale Solidarität und der Kampf gegen die Armut haben für uns höchste Priorität. Deshalb wollen wir unser entwicklungspolitisches Engagement verstärken und unsere Fähigkeiten in den Bereichen Konfliktprävention, Krisenbewältigung und Friedenskonsolidierung weiter ausbauen.

- Es ist zentral und notwendig, mehr in die ländliche Entwicklung, in den Klimaschutz, in die Anpassung an den Klimawandel und in Erneuerbare Energien zu investieren und alles zu tun, damit die Millenniums-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 erreicht werden. Für die Finanzierung der gewaltigen Investitionen müssen wir auch neue Wege finden – Entwicklungsfinanzierung ist wichtiger denn je. Hierzu müssen wir zu unseren Zusagen stehen, die wir gegenüber den Menschen in Entwicklungsländern gemacht haben: Bis 2010 0,51 % und bis 2015 0,7 % des Bruttoinlandsproduktes für die weltweite Bekämpfung von Armut und Hunger zur Verfügung zustellen. Neben der Bereitstellung von klassischen Haushaltsmitteln wollen wir weitere, innovative Finanzierungsquellen erschließen. Bereits jetzt wird ein Teil des Aufkommens aus der Versteigerung von CO2-Verschmutzungsrechten für die Armutsbekämpfung und den internationalen Klimaschutz eingesetzt.

- Wir plädieren zudem für eine internationale Zusammenarbeit in Fragen der Steuerpolitik. Industrie- und Entwicklungsländern gehen jährlich geschätzte 500 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidung verloren. Diese Gelder fehlen in den Entwicklungsländern im Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten. Deshalb sollen bestehende Initiativen gebündelt und durch mögliche weitere Maßnahmen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene ergänzt werden, wie z.B. Maßnahmen zum Aufbau und der Entwicklung von Kapazitäten in den Entwicklungsländern v.a. auf nationaler Ebene und gemeinsamen Aktivitäten zur Steuerharmonisierung.

- Entwicklungsfinanzierung braucht aber nicht nur Geld, sie braucht vor allem fairere Strukturen im Welthandel. Neben einer Ausweitung der Everything-but-arms-Initiative, die Exporte aus Entwicklungsländern in die EU von Abgaben, Quoten und Zöllen befreit, brauchen wir endlich eine - notfalls vorzeitige - Umsetzung der für die WTO-Entwicklungsrunde versprochenen Begünstigungen für die Entwicklungsländer.

- In einer Zeit, in der die Industrieländer antizyklisch handeln und mit Milliardenprogrammen dem Abschwung trotzen, dürfen die Entwicklungsländer nicht zu einem prozyklischen Verhalten gezwungen werden, das ihre Situation im weltweiten Wettbewerb zusätzlich verschlechtert.

- Durch die aktuellen Krisen- und Preisentwicklungen, aber auch die Auswirkungen des Klimawandels, steigt in vielen Ländern das Risiko, in Armut zu fallen. Soziale Sicherungssysteme helfen, dieses Risiko zu mindern und mögliche Folgen abzufedern. Wir setzen uns deshalb auch in unseren Partnerländern für eine nachhaltige Sozialpolitik ein, die die unterschiedlichen Lebensrisiken wie Alter, Krankheit oder auch Unfall umfasst und unterstützen unsere Partnerländer bei der Entwicklung von angepassten Systemen beispielsweise durch den Aufbau von sozialen Krankenversicherungessystemen oder durch Mikroversicherungen, um gerade arme Bevölkerungsgruppen gegen Armuts- und ggf. auch Klimarisiken abzusichern. Auch sind Mikrofinanzsysteme ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Partnerländer.

- Wir brauchen starke und zuverlässige internationale Strukturen, in denen die Entwicklungsländer wirkliche Mitsprache haben. Deshalb setzen wir uns für eine Weiterentwicklung der G8 ein, um globale Fragen unter Mitwirkung aller Betroffenen zu diskutieren. Nur so können tragfähige Lösungen erarbeitet werden, die weltweite Akzeptanz und Unterstützung finden.

- In einer weltweit vernetzten Wirtschaft bedarf es neben der Globalisierung der Märkte auch eine Verankerung sozialer und wirtschaftlicher Regeln auf globaler Ebene. Die Forderung der SPD aus ihrem Hamburger Programm nach einem Globalen Rat der Vereinten Nationen für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik gewinnt angesichts dieser Situation besondere Aktualität. Dieser Rat soll wirtschaftliche Interessen, soziale Bedürfnisse und ökologische Notwendigkeiten aufeinander abstimmen, die Gefahren unkontrollierter Kapitalbewegungen, soziales und ökologisches Dumping begrenzen helfen. Alle Regionen und die internationalen Handels- und Finanzinstitutionen sollen in diesem Rat hochrangig vertreten sein. Wir brauchen verlässlichen Ordnungsrahmen für die weltweiten Finanzmärkte, verpflichtende Transparenzregeln, Regelwerke und Aufsicht für Rating-Agenturen. Deshalb brauchen wir starke, zuverlässige, internationale Governance-Strukturen und eine weitgehende Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Verwirklichung von Global Governance

- Mit der Gründung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energie IRENA haben wir deutlich gemacht: Klimaschutz und Entwicklungspolitik sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Diese Prozesse sollen in Zukunft noch stärker miteinander verbunden werden.

- Die Stärkung von Frauen als entscheidende Akteure der Entwicklung ist eine der Hauptaufgaben der deutschen und europäischen Entwicklungspolitik. Hierzu gehört insbesondere die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen.

- Deutschland gehört zu den Ländern mit einem eigenständigen Entwicklungsministerium. Darum werden wir weltweit beneidet. Auch in Zukunft wollen wir, dass die Entwicklungszusammenarbeit kohärent in diesem Ministerium gesteuert wird. Mit der Eigenständigkeit dieses Ministeriums bringt die SPD zum Ausdruck, dass globale Solidarität und der Kampf gegen die Armut für sie höchste Priorität haben.

- Nach wie vor gibt es bei den jungen Menschen in Deutschland ein großes Interesse, sich international zu engagieren. Wir wollen dieses Engagement im Sinne der Völkerverständigung und als Beitrag zur globalen Solidarität weiter mit Nachdruck fördern. Wir werden den Entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts weiter ausbauen.

- Zudem wollen wir auch in Zukunft stark auf die Zusammenarbeit und Förderung von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, der Wirtschaft und Kirchen in der Entwicklungszusammenarbeit setzen.

Die Weltgemeinschaft steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor vielfältigen Herausforderungen. Wir müssen uns entscheiden zwischen globaler Kooperation oder immer mehr gewalttätigen Konflikten oder gar einer globalen Katastrophe. Die SPD als die deutsche Friedenspartei setzt auch zukünftig auf die Kraft der Kooperation und des Multilateralismus. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Grundwerte der deutschen und europäischen Sozialdemokratie sind in Zeiten der Globalisierung, zumal in krisenhaften Zeiten wichtiger denn je.

Die UNPA-Kampagne zur Einrichtung eines Parlaments bei den Vereinten Nationen ist mir bekannt. Mir scheint ein solches Gremium, das mit direkter demokratischer Legitimation die Fortschritte des Global Governance begleiten und kontrollieren kann, sinnvoll und unterstützenswert. Eine Vielzahl von SPD-Bundestagsabgeordneten haben sich bereits als Unterzeichner der Kampagne eingetragen. Nach meiner Wahl in den Deutschen Bundestag werde auch ich die Kampagne mit meiner Unterschrift unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Fritz Felgentreu