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Fritz Felgentreu
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Frage von Jules E. •

Frage an Fritz Felgentreu von Jules E. bezüglich Bildung und Erziehung

Lieber Herr Felgentreu,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre umfassende Antwort. Eine Nachfrage. Sie schreiben, "Einerseits ist klar, dass der Staat eigentlich nicht möchte, dass sich Akademiker und Akademikerinnen von Drittmittelstelle zu Drittmittelstelle hangeln, um zu überleben" - wer ist ´der Staat´, und warum schreibt er Akademikern vor, daß eine akademische Karriere entweder über Dauerstelle oder aber eben gar nicht auszuüben sei? Für keine andere Berufssparte werden solche absurden Vorschriften gemacht, so weit ich weiß - man stelle sich den Irrsinn vor, wollte man das z.B. auf den Beruf der Verkäuferin im Groß- und Einzelhandel übertragen - entweder lebenslänglich Aldi oder aber gar nicht?! Meines Erachtens werden hier geistige Potentiale unnötig vernichtet - aber Sie mögen diese Ansicht vielleicht nicht teilen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Jules Elysad

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Sehr geehrter Herr Elysad,

ein bisschen überrascht mich Ihre Haltung tatsächlich. Ich bin es gewohnt, dass man am deutschen System kritisiert, dass ein tenure track als Lebensperspektive fehlt. Das kann ich gut nachvollziehen. Sie scheinen aber zu kritisieren, dass der universitäre Markt an Arbeitsstellen auf Zeit nicht so breit gefächert ist, dass er gute Möglichkeiten einer Beschäftigung bis zum Erreichen des Pensionsalters böte.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, glaube ich, dass Ihr Vergleich mit anderen Berufssparten nicht trägt. Denn erstens gilt die Alternative "lebenslang oder gar nicht" für fast alle Beamtenlaufbahnen im Öffentlichen Dienst. Das ist keine Besonderheit der universitären Laufbahn. Sieht man aber vom Berufsbeamtentum ab, dann kann sich Ihr Vergleich zweitens innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems ausschließlich auf die Wissenschaften beziehen, für die es außerhalb der Universität keine oder keine hinreichende Beschäftigungsmöglichkeit gibt -- für alle anderen dürfte ja das Nichtvorhandensein universitärer Stellen kein Problem darstellen. Wenn wir hier aber über Qualifikationen reden, die außerhalb der Universität überhaupt nicht oder nur sehr wenig nachgefragt werden, dann, denke ich, müssen wir wohl auch ein staatliches Interesse daran akzeptieren, dass an solchen Qualifikationen kein Überangebot entsteht, sondern eben nur in etwa soviel, wie im Interesse der Freiheit und der Lebendigkeit von Wissenschaft und Forschung sinnvoll erscheint.

Wieviel das genau ist, ist Aushandlungssache. Ein Staat, der es mit der Freiheit der Forschung ernst meint, muss auch Wissenschaft ohne kapitalistischen Marktwert finanzieren. Aber dass die Finanzierung dieser Wissenschaftsgebiete jemals so auskömmlich sein kann, dass alle, die sich ihnen aus Neigung oder Neugier widmen, davon leben können, halte ich für unrealistisch. Das sage ich als nicht-beschäftigter Vertreter eines dieser Wissenschaftsgebiete in schmerzlicher Einsicht.

Friedrich Creuzer hat einmal vom Dornenpfad des Philologen gesprochen, der im Dienst seiner Wissenschaft nicht aufhört, Dinge zu tun, die fast alle für wert- und bedeutungslos halten. Daran ist auch heute noch etwas Wahres. Wer sich entscheidet, aus Liebe zur Erforschung einer Wahrheit etwas zu lernen, für das auf keinem Markt dieser Welt ein angemessener Preis gezahlt wird, der geht das Risiko ein, irgendwann reich an Erkenntnis, aber arm an materiellen Gütern dazustehen.

Unsere Bundesländer bezahlen viele Menschen, die sich für einen solchen Weg entschieden haben, ein Leben lang ganz gut dafür, dass sie weiter forschen und ihr Wissen weitergeben, aber nicht alle. Dass sie diejenigen, die sie nicht bezahlen können, irgendwann vor die Entscheidung stellen, ob sie ohne auskömmliche Bezahlung weiter machen oder ihrem Leben eine andere Richtung geben wollen, halte ich nicht für anmaßend.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Fritz Felgentreu