Frage an Friedrich Ostendorff von Caspar D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Ostendorff,
in einer Kolumne von Schrot & Korn 9`20 musste ich lesen, dass der Kastenstandhaltung der Muttersauen auch mit den Stimmen der Grünen im Bundesrat eine "Übergangsfrist" von weiteren 15 Jahren zugebilligt wurde. Ich habe das nicht weiter recherchiert, jedoch ist die Kastenstandhaltung, bei der die Muttersauen nahezu bewegungsunfähig in einem Käfig von 70 x 200 cm gehalten werden, der Gipfel der Tierquälerei in der konventionellen Massentierhaltung.
Meine Frage: Welche Erklärung gibt es für die Zustimmung der Grünen im Bundesrat für weitere 15 Jahre Kastenstandhaltung der Muttersauen?
Mit freundlichen Grüßen
C. Daniel
Sehr geehrter Herr Daniel,
Vielen Dank für ihre Nachricht und Ihr Interesse am Wohl der Mutterschweine.
Nach dem Magdeburger Urteil zur Sauenhaltung hat die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt, nach dem es erlaubt sein sollte, die Muttersauen noch bis zu 15 weitere Jahre in Kastenständen zu halten. Agrarministerin Klöckner weigert sich, den dringenden Wunsch der Gesellschaft nach einer artgerechten Tierhaltung aufzunehmen und umzusetzen.
Wir setzen uns als Grüne Partei von jeher für eine artgerechte Tierhaltung ein, unser Ziel ist ein grundsätzlicher Umbau der Nutztierhaltung hin zu Systemen, in denen das Ausleben von arteigenen Verhaltensweisen möglich ist, Bäuerinnen und Bauern ein auskömmliches Einkommen ermöglicht und langfristige Planungssicherheit bietet. Die aktuelle Form der Nutztierhaltung ist davon oft entfernt. Das hat nicht zuletzt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik 2015 in einem Gutachten attestiert.
In Bezug auf die Kastenstände in der Sauenhaltung, ist es grüne Position, diese Haltungsform langfristig abzuschaffen. Die Zeiten, die eine Sau im Kastenstand verbringen muss, sind aktuell mit bis zu 150 Tagen im Jahr viel zu lang. Wir brauchen dringend eine grundsätzliche Neuausrichtung. Deshalb kämpfen wir Grüne seit langem dafür, dass es in Deutschland Gesetze gibt, die dazu führen, dass die Tiere vor allem in der Gruppe leben. Dabei können wir von anderen Ländern lernen, die bereits andere Wege gehen.
Die grün regierten Bundesländer haben hart mit der Bundesregierung verhandelt, um für mehr Tierschutz und auch für mehr Planungssicherheit für die Bäuerinnen und Bauern zu sorgen. In den Verhandlungen mit der Bundesregierung, konnten deutliche Verbesserungen verglichen zum Entwurf der Bundesregierung erreicht werden. Der Kompromiss ist ein wichtiger Schritt nach vorne – für die Tiere und für die Schweinehalter in Deutschland.
Es wurde verhindert, dass die Bundesregierung den Kastenstand in seiner jetzigen Form für weitere 15 Jahre legalisiert. Wir haben gegen harte Widerstände aus der Union erreicht, dass Schweine in Zukunft, also nach den Übergangszeiten, fast ausschließlich in der Gruppe gehalten werden müssen. Die Kastenstände im Deckzentrum müssen innerhalb von 8 Jahren verschwinden. Zugleich sollen die Betriebe bei diesem Umbau unterstützt werden. Das vorgesehene Geld aus dem Konjunkturprogramm soll effektiv für den Umbau zur Gruppenhaltung genutzt werden. Wenn wir jetzt in den Umbau der Tierhaltung investieren, dann muss es für eine Tierhaltung der Zukunft sein, die Tiere als Lebewesen behandelt, nicht als bloße Rohstofflieferanten. Damit hat der Kastenstand in Deutschland keine Zukunft mehr.
Dennoch bleibt es ein Kompromiss, der auch schmerzliche Zugeständnisse enthält. Wir hätten uns insbesondere kürzere Übergangsfristen gewünscht. So wird die Zeit, die die Schweine in den Abferkelständen (sog. Ferkelschutzkörbe) noch sein dürfen, auf wenige Tage (statt mehrerer Wochen) reduziert, aber das gilt erst nach langen Übergangsfristen für den Umbau.
Sollte das Bundesverfassungsgericht in der für den nächsten Sommer erwarteten Entscheidung zur Schweinehaltung weitere nötige Verbesserungen feststellen, so müssen diese umgesetzt werden. Wir wollen mit Verbesserungen jedoch nicht auf den Urteilsspruch warten. Angesichts der Sackgasse, in der sich die industrielle Tierhaltung in Deutschland befindet, ist es wichtig, den Betrieben eine klare Perspektive zu geben und Lösungen zu erarbeiten, die dem Tierschutz endlich gerecht werden und die Ausnahmen zeitnah zu beenden.
Und es bleibt viel zu tun: Bessere Haltungsbedingungen nicht nur für Schweine, sondern überall in der Tierhaltung, eine klare und verbindliche Haltungskennzeichnung, eine Finanzierung des Umbaus und eine ökologischere und tierschutzorientiertere Verwendung der europäischen Agrarmittel. Darüber hinaus ist es nun erforderlich, baurechtliche und immissionsschutzrechtliche Fragen zu klären und Außenklimaställe für Schweine zu ermöglichen. Die Bundesregierung jetzt am Zug, den
Umbau für die Bäuerinnen und Bauern zu ermöglichen. Dabei sind wir auch auf starke Unterstützung aus der Zivilgesellschaft gegen die Lobbyinteressen der Fleischindustrie angewiesen um gemeinsam für eine Agrarwende, gegen die Klimakrise und für einen Umbau der Tierhaltung, Tierschutz und eine langfristige Perspektive der Bäuerinnen und Bauern zu kämpfen.
Unsere Maßnahmen hierzu bis hin zur Forderung, das bestehende Amputationsverbot im Tierschutzgesetz endlich umzusetzen, finden sich im anhängenden Bundestagsantrag.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Friedrich Ostendorff, MdB