Frage an Franziska Eichstädt-Bohlig von Geertje K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Eichstädt-Bohlig,
die jüngst durchgeführte Schulreform der gegenwärtigen Landesregierung hat das Schulwesen in Berlin reichlich auf- und in etlichen Bereichen auch durcheinandergewirbelt. Ich möchte Sie als Spitzenkandidatin der Grünen fragen, was Sie von den Stundenkürzungen im Fach Geographie halten. Hier hat es eine Reduzierung um ca. 47% des alten Stundenumfangs gegeben, so dass das Fach in den Jahrgängen 7 bis 10 nur noch jeweils einstündig unterrichtet werden kann. Abgesehen davon, dass einstündiger Unterricht unbestritten in höchstem Maße ineffektiv ist, bedeutet diese Kürzung, dass den jungen Menschen in unverantwortlicher Weise Wissen um ökologische Zusammenhänge und die Entwicklung einer nachhaltig orientierten Handlungskompetenz vorenthalten wird. Fast alle Themenfelder der neuen Rahmenlehrpläne, die noch für einen zweistündigen Unterricht konzipiert worden waren, betreffen nämlich ökologische Fragestellungen (z.B. Überschwemmungskatastrophen, Desertifikation, das Aralsee-Syndrom, Klimawandel, Ressourcenknappheit u.v.m.) Wie kein anderes Fach fördert der moderne Erdkundeunterricht darüber hinaus durch Vernetzung von Ökologie, Ökonomie und Sozialem das fächerübergreifende Denken. Es ist erklärtes zentrales Ziel der geographischen Unterrichtsarbeit, bei den Jugendlichen die Fähigkeit und Verantwortungsbereitschaft zur Erhaltung der Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu entwickeln. Aber nun wurde zusammengestrichen: Lösungsansätze für die oben genannten Probleme werden nicht mehr diskutiert – aus Zeitgründen, vom Nachhaltigkeitsgedanken geprägte lokale wie globale Handlungsansätze werden im Unterricht nicht mehr entwickelt – aus Zeitgründen. Kann das im Sinne Ihrer Partei sein? Müsste nicht gerade die Partei der Grünen sich vehement dafür einsetzen, dass eine solide geographische Grundbildung allen schulpflichtigen Jugendlichen zuteil wird?
Mit freundlichen Grüßen
Geertje Kloss-Dietrich
Sehr geehrte Frau Kloss-Dietrich,
als Grünen-Politikerin konnte ich Ihre Ablehnung einer Stundenkürzung im Fach Geographie spontan nachvollziehen, als Nicht-Bildungspolitikerin musste ich mich über die Hintergründe erst einmal sachkundig machen. Danach scheint mir die Situation weniger eindeutig. Die Stundenkürzung im Fach Geographie kam zustande vor dem Hintergrund einerseits der Einführung des Faches Ethik, andererseits der Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre. Die Schulzeitverkürzung hat zu einer deutlichen Anhebung der Stundentafel in der Oberschule geführt. Einer weiteren Anhebung zugunsten des neu eingeführten Faches Ethik sind daher enge Grenzen gesetzt. Wenn man die Einführung des neuen Faches Ethik befürwortet - und angesichts der speziellen Situation Berlins mit seiner multikulturellen und multireligiösen Bevölkerung tue ich dies - bleibt daher wohl kein anderer Weg als die Kürzung bei einem anderen Fach. Die Entscheidung für eine Kürzung bei den Geographie-Stunden kam nach meinen Informationen zustande, weil es deutliche Überschneidungen bzgl. der zu vermittelnden Inhalte bei den beiden Fächern gibt.
Völlig zu Recht weisen Sie darauf hin, dass ein Unterricht mit nur einer Wochenstunde in höchstem Maße ineffektiv ist. Tatsächlich ist diesem Problem nur durch epochalen Unterricht zu begegnen, eine Möglichkeit, von der die Schulen hoffentlich Gebrauch machen werden.
Auch setze ich darauf, dass zumindest ein Teil der Schulen die ihnen zur Verfügung stehenden Pool-Stunden für eine Aufstockung des Geographie-Unterrichts auf zwei Stunden nutzen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Eichstädt-Bohlig