Frage an Franz Thönnes von Magret B.
Guten Tag Herr Thönnes,
im November wird der Bundestag über die Verlängerung und Ausweitung des Bundeswehrmandats in Syrien entscheiden. Durch die Ausweitung um die AWACS-Aufklärungsflugzeuge würde diese Beteiligung Deutschlands am Krieg eine neue Dimension bekommen. Denn dadurch würde auch die NATO Kriegspartei! Das wäre eine neue Stufe der Eskalation und eine zusätzliche Gefahr der Konfrontation mit Russland.
Wie Sie in Ihrer Antwort an Herrn Hase vom 13.06. schreiben, halten Sie diese Bundeswehreinsätze grundsätzlich für legitim. Denn zur Frage der Auslandseinsätze schreiben Sie: "Mit Urteil vom 12. Juli 1994 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen von "Systemen kollektiver Sicherheit" wie der Vereinten Nationen oder der NATO zulässig sind. Generell bedürfen sie aber vorab der Zustimmung des Deutschen Bundestags. Details hierzu regelt seit 2005 das Parlamentsbeteiligungsgesetz."
Weiter zitieren Sie das Hamburger Grundsatzprogramm der SPD: "Konflikte können zwar militärisch entschieden, aber niemals nur militärisch gelöst werden. Deshalb verfolgen wir eine Friedenspolitik, die vorrangig auf Vorbeugung gegen Konflikte basiert. Ein Einsatz der Bundeswehr muss stets in ein Konzept von politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und kulturellen Maßnahmen eingebettet sein."
Können Sie mir bitte mitteilen, in welches zivile Konfliktlösungs-Konzept der Bundeswehreinsatz in Syrien eingebettet ist und in welcher Höhe dieses Frieden schaffen ohne Waffen finanziell gesichert wird? Welche Friedenspolitik verfolgen Sie, die SPD und der Bundestag im Konfliktfall Syrien?
Zum Frieden machen muss man bereit sein, manchmal auch auf die Knie zu gehen und sich notfalls mit Verbrechern an einen Tisch setzen. Der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt wusste und konnte das. Können Sie das nicht auch?
Mit herzlichem Dank für Ihr Interesse an meinem Anliegen und freundlichen Grüßen,
Magret Bonin, Mitglied im FriedensForum Neumünster
Sehr geehrte Frau Bonin,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch.de.
In Syrien erleben wir derzeit eine der blutigsten Auseinandersetzungen und größten humanitären Katastrophen der jüngeren Vergangenheit mit bislang über 350.000 Toten, 1,2 Mio. Verletzten, 4,8 Mio. Flüchtlingen und 13,5 Mio. Hilfsbedürftigen, davon 6,6 Mio. Binnenvertriebenen. Ein Konflikt, der in direkter Nachbarschaft zu Europa existiert und dessen Folgen täglich unmittelbar zu spüren sind.
Am 10. November 2016 hat der Deutsche Bundestag über die Fortsetzung des Mandates für den Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien abgestimmt und dieses mit großer Mehrheit beschlossen. Der Einsatz findet auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen statt und ist damit völkerrechtlich legitimiert. Insbesondere die Resolution 2249 „…fordert die Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, auf… in dem unter der Kontrolle des ISIL, auch bekannt als Daesh, stehenden Gebiet in Syrien und Irak alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden…“.
Auch ich habe für die Verlängerung des Mandates bis Ende 2017 gestimmt, weil vom IS nach wie vor eine signifikante Bedrohung ausgeht. Er ist durch seine gewaltsamen Anschläge und die extremistisch-salafistische Ideologie eine Bedrohung für die Sicherheit weltweit. Seine Terrorherrschaft ist nicht nur in den von ihm eroberten Gebieten in Syrien und dem Irak spürbar, sondern auch in Europa. Anschläge in Frankreich, Belgien und auch in Deutschland haben dies leidvoll bewiesen. Auch territoriale Verluste, wie sie die Terrororganisation zuletzt verzeichnen musste, ändern daran aktuell nichts.
Um den Islamischen Staat zu bekämpfen, wurde bereits 2015 eine internationale Koalition gegründet, an der sich inklusive Deutschland 67 Staaten und drei internationale Organisationen beteiligen. Die Bundeswehr unterstützt bei der Aufklärung, sorgt für den Schutz anderer Schiffe und stellt Stabspersonal sowie Luftbetankungsmöglichkeiten zur Verfügung. 1200 Soldatinnen und Soldaten sind im Einsatz und es bleibt auch nach der beschlossenen Verlängerung bei dieser Mandatsobergrenze.
Durch den aktuellen Beschluss kommt jedoch die Beteiligung an Überwachungsflügen der NATO zur Bereitstellung von Informationen und Daten für die Anti-IS-Koalition im Bereich der luftgestützten Aufklärung hinzu. Diese, von Ihnen kritisierten, Flüge sollen dabei ausschließlich im türkischen und internationalen Luftraum erfolgen.
Aus meiner Sicht ist dies keine Eskalation und insbesondere keine zusätzliche Gefahr für eine Konfrontation mit Russland. Ganz im Gegenteil. Die AWACS-Flugzeuge werden dazu beitragen, einen noch besseren Überblick über die Luftbewegungen in der Region zu erhalten und damit kritische Begegnungen zwischen Flugzeugen der Anti-IS-Koalition und der russischen sowie syrischen Luftwaffe zu verhindern. Entscheidungen auf Grundlage der bestmöglichen verfügbaren Informationslage zu treffen ist der beste Schutz vor möglicherweise fatalen Fehlern. Die AWACS-Flugzeuge können und werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Abschließend zu Ihren Fragen zu den Konfliktlösungskonzepten: Aus Sicht der SPD kann nur ein politischer Prozess, der alle Beteiligten außer den IS einbindet, einen Weg aus der Syrien-Krise weisen. Dies war auch der Tenor der Konferenz „Krisendiplomatie auf Hochtouren – Zukunftsperspektiven für Syrien und den Nahen Osten“ der SPD-Bundestagsfraktion am 22. November 2016, an der neben Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier auch Staffan de Mistura, Sonderbeauftragter des VN-Generalsekretärs für Syrien, teilgenommen hat.
Insbesondere Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier arbeitet unermüdlich an einer Befriedung dieses Konfliktes, um die humanitäre Not der Zivilbevölkerung zu lindern. Deshalb hat Deutschland die Ende 2015 begonnenen Gespräche der „International Syria Support Group“ immer unterstützt. An den Treffen haben alle relevanten Staaten aus der Region, darunter auch der Iran, das Königreich Saudi-Arabien und die Türkei, teilgenommen. Ebenfalls mit am Verhandlungstisch saßen Vertreter europäischer Nationalstaaten, der USA, Russlands sowie der UN, der EU und der Arabischen Liga. Auch in kleineren Runden wurde intensiv über Wege für eine friedliche Lösung diskutiert, unter anderem in Paris und Berlin.
Unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura haben darüber hinaus in Genf mehrere direkte Gespräche zwischen Vertretern der syrischen Regierung und der syrischen Opposition stattgefunden. Seit Mitte des Jahres sind diese jedoch ausgesetzt, nachdem die syrische Opposition den Verhandlungstisch aus Protest gegen die andauernden Gefechte verlassen hat. Man hat sich also durchaus mit allen Beteiligten zusammengesetzt. Allerdings sind die Verhandlungen schwierig bis unmöglich, wenn, so zumindest mein Eindruck, ein Teil der Akteure kein Interesse an einer friedlichen Lösung hat.
Die Bundesrepublik Deutschland wird trotzdem nicht nachlassen sich für eine Befriedung des Konfliktes einzusetzen und bis dahin ihr großes Engagement für die Zivilbevölkerung aufrechterhalten. So hat die Bundesregierung auf der Londoner Flüchtlingskonferenz im Februar 2016 allein für dieses Jahr 1,32 Mrd. Euro zur Unterstützung der Bevölkerung in der Region zugesagt (2015: 202,81 Mio. Euro). Des Weiteren hat das Auswärtige Amt die Mittel für Stabilisierungsmaßnahmen in Syrien auf 50 Mio. Euro deutlich erhöht (2015: 6 Mio. Euro). Diese Gelder werden zur Stärkung ziviler politischer Kräfte, der Bekämpfung von gewaltbereiten Extremisten und für den Erhalt der Basisinfrastruktur auch in Konfliktgebieten genutzt. Seit 2012 wurden hierfür 2,53 Mrd. Euro eingesetzt. Diese schlüsseln sich in 1,25 Mrd. Euro für humanitäre Hilfe, 1,14 Mrd. Euro für strukturbildende Übergangshilfe (aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - BMZ) sowie 137,3 Mio. Euro zur Krisenbewältigung auf.
Darüber hinaus unterstützt Deutschland auch die Nachbarländer Syriens, welche die Hauptlast bei der Versorgung der großen Zahl an Flüchtlingen tragen, unter anderem als drittgrößte Gebernation für den „Regional Refugee and Resilience Plan 2016“. Im Rahmen der deutschen humanitären Hilfe im Irak fördert das Auswärtige Amt beispielsweise das Büro der Vereinten Nationen für humanitäre Koordinierung im Land, den „Mosul Flash Appeal“ sowie den „Iraq Humanitarian Pooled Fund“, zur Vorbereitung von Maßnahmen zur Bewältigung der erwarteten Fluchtbewegungen während der Kampfhandlungen um Mossul.
Der vor kurzem beschlossene Bundeshaushalt 2017 zeigt, dass dieses, hier nur auszugsweise dargestellte, vielschichtige Engagement Deutschlands verstetigt und sogar noch verstärkt werden soll.
So konnte der Etat des Auswärtigen Amtes dank des Einsatzes der SPD im Zuge der parlamentarischen Verhandlungen im Vergleich zu 2016 um über 629 Mio. Euro angehoben werden. Mit nun rund 5,23 Mrd. Euro ist der Gesamtetat des Bundesministeriums gut aufgestellt, um den großen Herausforderungen durch die Krisen in der Welt und der daraus resultierenden dramatischen Flüchtlingsbewegung gerecht zu werden. Alleine der Haushaltstitel „Sicherung von Frieden und Stabilität“ wurde um 552 Mio. Euro angehoben. Für die humanitäre Hilfe im Ausland stehen nun 1,206 Mrd. Euro (+476 Mio. Euro) zur Verfügung. Der Titel Krisenprävention, Friedenserhaltung, Konfliktbewältigung steigt auf 316 Mio. Euro (+76 Mio. Euro).
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kann zum zweiten Mal in Folge mit einem Rekord-Etat wirtschaften. 8,5 Mrd. Euro bedeuten einen Aufwuchs gegenüber 2016 von 1,1 Mrd. Euro. Dies ist ein klares Signal, dass Deutschland sich seiner internationalen Verantwortung stellt, unter anderem durch die Erhöhung der Grundbeiträge an die UNICEF und das Welternährungsprogrammes.
Des Weiteren werden aus dem Etat des BMZ 1. Mrd. Euro eingesetzt, um unsere Aktivitäten zur Schaffung von Bleibeperspektiven für Flüchtlinge in Jordanien, dem Libanon, dem Irak und der Türkei zu verstetigen. Deutschland stabilisiert vor Ort Kommunen und investiert in Schulen sowie in Ausbildung für Jugendliche. Durch diese Maßnahmen können aktuell eine Million Kinder in Syrien und in den Nachbarländern zur Schule gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes