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Frage von Siegfried B. •

Frage an Franz Thönnes von Siegfried B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Thoennes,

im Jahr 1988 habe ich auf ausdrückliches anraten der Politik eine Direktversicherung über meinen Arbeitgeber abgeschlossen.
Ausdrücklich wurde sowohl von den Politikern als auch den Versicherungsgesellschaften darauf hingewiesen das der Abschluss einer Direktversicherung der richtige Weg zur Schaffung eines dritten Standbeines der Altersversorgung darstellt.
Vorteile der Direktversicherung : 1. Pauschale Versteuerung des als Beitrag umgewandelten Gehaltes mit 10 %.
2. Keine Berührung mit den Sozialversicherungsbeiträgen da die Beiträge zur Versicherung nur aus Einkommen finanziert/ geleistet werden kann die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen.

Unter Erfüllung dieser Maßgaben wurde klar und deutlich damit geworben das dann die Beiträge Sozialversicherungsfrei sind.
Im Jahre 2016 bin ich in den Ruhestand gegangen und die Versicherungssumme wurde an mich ausgezahlt. Gleichzeitig erfolgte eine von der Politik geforderte Meldung der Versicherung an die Krankenkasse, die sich bei mir meldete und für 10 Jahre = 120 Monate die Verbeitragung der Versicherungssumme durch mich fordert. Die ausgezahlte Summe wird also durch 120 geteilt und dieser Betrag wird herangezogen für Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Dies sowohl für den Arbeitnehmer-als auch Arbeitgeberanteil. Somit habe ich von der ersparten Summe ca. 20 % an Sozialversicherungsbeiträgen nachträglich zu zahlen.
Mir bleiben also nur 80 % der eigentlich geplanten Alterversorgung übrig.
Die gleichermaßen geschädigten Bürger der Bundesrepublik werden mit ca. 6-7 Mio. geschätzt. Hiervon ca. 7 % die wie ich sämtliche Beiträge durch Gehaltsumwandlung selbst geleistet haben und der Arbeitgeber keinen Cent dazubezahlt hat. Trotzdem bestehen die Krankenkassen darauf das gezahlt wird da man davon ausgeht das es sich um eine in einer Summe ausgezahlte Betriebsrente handelt. Das stinkt zum Himmel und ich möchte gerne wissen wie Sie hierzu stehen.

Mit freundlichem Gruß
Siegfried Bangel Bargteheide

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Bangel,

vielen Dank für Ihre Frage vom 16.02.2017.

Ihre Verärgerung über die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Zahlung aus Ihrer betrieblichen Direktversicherung ist nachvollziehbar. Sie hatten mit dem vollen Auszahlungsbetrag gerechnet und sahen sich zum Zeitpunkt der Auszahlung stattdessen zu einer Beitragsleistung verpflichtet.

Die von Ihnen kritisierte Regelung der Beitragspflichtigkeit von Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV- Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003 geregelt. Die damaligen Regierungsfraktionen haben dabei im Konsens mit CDU/CSU eine gesetzgeberische Entscheidung zur beitragsrechtlichen Gleichbehandlung von Versorgungsbezügen innerhalb der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung getroffen, die zum 1. Januar 2004 in Kraft trat.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren regelmäßig fortlaufende Rentenzahlungen aus betrieblichen Altersvorsorgeverträgen bereits beitragspflichtig, Einmalzahlungen hingegen nicht. Ziel der neuen Regelung war es, alle Alterseinkünfte gleich zu behandeln und in die solidarische Krankenversicherung miteinzubeziehen. Auch hatte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber am 15. März 2000 verpflichtet, freiwillig und gesetzlich versicherte Rentnerinnen und Rentner bei der Beitragserhebung gleich zu behandeln, und angeregt, das so zu gestalten, dass sämtliche Einnahmen der Versicherten miteinbezogen werden. Dazu gehört auch, dass regelmäßige Rentenzahlungen nicht stärker belastet werden als Einmalzahlungen.
Die Entscheidung des Deutschen Bundestages beendete die beschriebene Ungleichbehandlung und war sachlich richtig. Sie diente der Finanzstabilität der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die insbesondere gesetzlich versicherten Rentnern und damit auch Ihnen persönlich mit dem umfassenden solidarischen Versicherungsschutz sowie einem hohen medizinischen und pflegerischen Versorgungsniveau im Versicherungsfall zugute kommt.
Seitdem haben alle zuständigen obersten Bundesgerichte u.a. das Bundesverfassungsgericht die unterschiedlichen Wirkungen der beitragsrechtlichen Regelung geprüft und bestätigt. Recht- und verfassungsmäßig war danach auch der mit der Regelung verbundene rückwirkende Eingriff in die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits abgeschlossenen betrieblichen Direktversicherungsverträge. Diese an sich also rechtlich zulässige Einschränkung des Vertrauensschutzes kann aus heutiger Sicht durchaus mit kritischem Blick betrachtet werden. Allerdings ginge jede Änderung dieses Rechtszustandes 13 Jahre nach dem Inkrafttreten, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, zu Lasten der heute beitragszahlenden Beschäftigten und Rentner. Auch ist es scheinbar so, dass viele Versicherungsunternehmen ihre Direktversicherten nicht über die Änderungen im Zuge der Neuregelung informiert haben, sodass diese erst bei der Auszahlung bemerkt worden sind.

Das Bundesverfassungsgericht legte 2010 fest, dass nur solche Erträge aus Direktversicherungen nicht krankenversicherungspflichtig sind, bei denen erstens der Versicherte die Beitragszahlungen selbst übernommen hat, und zweitens der im Vertrag genannte Begünstigte nicht mehr der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer ist. Allein die Übernahme der Beitragszahlungen durch den Versicherten im Wege einer Weiterführung z.B. nach Wechsel des Arbeitsplatzes reicht allerdings nicht aus, um den Vertrag von der „betrieblichen Sphäre“ - mit dem entsprechenden Schutz nach dem Betriebsrentengesetz - in die „private Sphäre“ ohne diesen Schutz, aber damit auch ohne KV-Beitragspflicht wechseln zu lassen. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zwischen einer privaten Lebensversicherung und der betrieblichen Altersvorsorge, weshalb ein Vergleich der Verbeitragung beider Modelle nicht ohne weiteres möglich ist. Ferner boten die abgeschlossenen Direktversicherungen zumeist bessere Versicherungskonditionen, weil viele Arbeitnehmer über den Arbeitgeber gemeinsam einen Vertrag mit dem Versicherer schlossen.

Im Zusammenhang mit dem skizzierten Vergleich wird oftmals auch auf eine vermeintliche Doppelverbeitragung der Direktversicherungsauszahlungen verwiesen. Diese findet jedoch in den meisten Fällen nicht statt: In eine Direktversicherung fließen noch nicht verbeitragte Gelder aus dem entsprechenden Arbeitsverhältnis, und eben nicht, wie bei einer beitragsfreien privaten Lebensversicherung, bereits verbeitragte Gelder. Anstatt einer beitragspflichtigen Auszahlung an den Arbeitnehmer und Direktversicherten, erfolgt die beitragsfreie Einzahlung in die Direktversicherung.

In den Fällen, wo der Arbeitnehmer seine Versicherungsbeiträge allein aus seinem Nettolohn zahlte, liegt eine Ungleichbehandlung gegenüber der Beitragszahlung im Rahmen der Entgeltumwandlung vor. Das ist zwar rechtlich zulässig, führt aber zu den von Ihnen beschriebenen Ungerechtigkeiten.

Eine Doppelverbeitragung ist jedoch grundsätzlich rechtlich zulässig. Anders als das Steuerrecht, in dem das Verbot der Doppelbesteuerung gilt, kennt das Beitragsrecht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Verbot einer Doppelverbeitragung. Das tragende Argument ist dabei die anerkannte Berechtigung des Gesetzgebers, die jüngeren Krankenversicherten von der Finanzierung des höheren Aufwands für Rentnerinnen und Rentner zu entlasten. Unterstützt wird dies von den folgenden Zahlen: Fast die Hälfte der Krankheitskosten wird von jenem Fünftel der Bevölkerung verursacht, das über 65 Jahre alt ist; gleichzeitig sinkt der prozentuale Anteil der von den Rentnerinnen und Rentnern getragenen Kosten für ihre Gesundheitskosten kontinuierlich (Statistisches Bundesamt: Gesundheitsausgaben). Zum Ausgleich dürfen auch Alterseinkünfte von Rentnerinnen und Rentnern verstärkt zur Finanzierung herangezogen werden. Davon wurde mit dem § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V Gebrauch gemacht und mit der Ergänzung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in 2004 auch die Umgehungsmöglichkeit bei der Beitragspflicht beendet: „Hierzu durfte der Gesetzgeber vor allem die bisherige Privilegierung der Bezieher nicht wiederkehrender Versorgungsleistungen beseitigen, deren Besserstellung gegenüber den Beziehern laufender Versorgungsleistungen ohnedies verfassungsrechtlich problematisch war“, stellte das Bundesverfassungsgericht fest. Auch läge demnach kein Bruch des Vertrauensschutzes vor: „Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und entsprechen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt“ (Bundesverfassungsgericht 1924/07).

Eine rückwirkende Änderung der bestehenden Rechtslage kann ich Ihnen derzeit nicht in Aussicht stellen. Zwar werden gegenwärtig Möglichkeiten geprüft, wie eine zusätzliche Alterssicherung durch betriebliche Altersvorsorge gefördert werden kann. Dies ist aber nicht Aufgabe der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und darf deshalb auch nicht auf Kosten der Beitragszahler finanziert werden.

Bei dem Thema Sozialversicherungsabgaben ist ganz grundsätzlich Folgendes zu beachten: Es geht im Kern um die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme und die Gewährleistung der hohen Qualität in der Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Dies kommt jedem Bürger, insbesondere aber den älteren Menschen zugute. Der medizinische Fortschritt der letzten fünfzehn Jahre ist enorm. Mit neuen, erfolgversprechenden Behandlungsmethoden für alle Versicherten steigen allerdings auch die Kosten im Gesundheitswesen. Diese sind nur solidarisch finanzierbar, indem sich jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit daran beteiligt. Ein beschlossenes Ziel der SPD ist daher die Bürgerversicherung, die dieses Prinzip stärkt. Dafür setze ich mich politisch ein.

Im Rahmen einer Bürgerversicherung soll die Beitragsfestsetzung für Bezüge aus Direktversicherungen neu geregelt werden. Darum unterstütze ich den Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion, zukünftig nur noch den Arbeitnehmeranteil der Krankenversicherungsbeiträge zur Verbeitragung heranzuziehen und einen Wegfall der Übernahme des Arbeitgeberanteils durch den Direktversicherten durchzusetzen. Diese Maßnahme würde neben weiteren, bereits beschlossenen Gesetzespaketen, dazu beitragen, die betriebliche Altersversorgung attraktiver zu gestalten und weiter zu stärken.

Zur Umsetzung dieser Neuregelungen sind jedoch entsprechende Mehrheiten im Deutschen Bundestag erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen

Franz Thönnes