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Franz Thönnes
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Frage von Urda S. •

Frage an Franz Thönnes von Urda S.

Guten Tag Herr Thönnes,

was sagen Sie zu den geplanten Schiedsgerichten im Rahmen des unheilvollen TTIP? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass durch die Einführung solcher Schiedsgerichte die parlamentarische Kontrolle und damit auch die Demokratie außer Kraft gesetzt wird?

Und wenn ja, wie setzen Sie sich als gewählter Abgeordneter dafür ein, dass wir eine demokratische Republik bleiben?

Würden Sie sich auch gegen die Meinung Ihres Genossen Siegmar Gabriel entscheiden, gegen ihn votieren?

Ich glaube, dass die SPD noch viel mehr Stimmen verlieren wird, sollte TTIP durchkommen.

Mit freundlichem Gruß
Urda Sieber

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Antwort von
SPD

Freihandelsabkommen

Sehr geehrte Frau Sieber,

vielen Dank für Ihre Frage zu TTIP auf Abgeordnetenwatch.de vom 12. März 2015.

Grundsätzlich sind internationale Handelsabkommen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und die davon abhängenden Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Bislang gibt es so ein Abkommen mit den USA nicht. Aufgrund der Bedeutung des großen US-amerikanischen Markts für unsere Hersteller von Industriegütern und landwirtschaftlichen Produkten sowie für unsere Dienstleistungsunternehmen unterstützen wir die Europäische Kommission in dem Versuch, ein transatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA auszuhandeln.

Allerdings stehen diese Verhandlungen noch relativ am Anfang, was uns Gelegenheit gibt noch Einfluss zu nehmen. Wir wollen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse im gegenseitigen Interesse voran bringen. Denn viele technische Standards in den USA und der EU unterscheiden sich, obwohl sie einem ähnlichen Zweck dienen, z.B. im Automobilbau. Wir erwarten deutliche Kostensenkungen durch die gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren, die das gleiche Ziel verfolgen. Es geht dagegen bei TTIP nicht um die Absenkung von Standards, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon gerade kleine und mittelständische Unternehmen profitieren.

Wir wollen eine Einigung – aber nicht um jeden Preis. Rote Linien dürfen nicht überschritten werden. Die Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, das Recht der Mitbestimmung, der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie dürfen nicht in Frage gestellt werden. Dies heißt: Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge bleiben unberührt. Schmutzigen Wettbewerb durch Lohndumping wollen wir nicht. Es soll ein Mechanismus zur wirksamen Anwendung der ILO-Kernarbeitsnormen in einem eigenen Kapitel geschaffen werden. Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter Standards zur verantwortlichen Unternehmensführung (CSR-Standards) dürfen ebenso nicht fehlen.
Die Daseinsvorsorge darf nicht gefährdet werden. Einen direkten oder indirekten Zwang zu Privatisierungen wird es nicht geben.

Audiovisuelle Dienstleistungen sind vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen, was bereits im Verhandlungsmandat niedergelegt wurde. Die Mitgliedstaaten der EU müssen darüber hinaus das Recht haben, sensible Dienstleistungen wie den Kulturbereich mit dem Ziel des Erhalts der Vielfalt besonders zu unterstützen. Wenn unterschiedliche Schutzniveaus existieren, dürfen diese durch das Abkommen nicht nivelliert werden. Dies betrifft zum Beispiel den Umwelt- und Verbraucher- oder auch den Datenschutz.

Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren, nach denen Sie explizit fragen, erachten wir in diesem Abkommen dagegen nicht für notwendig, da sowohl Deutschland als auch die USA über ein funktionierendes Rechtssystem verfügen. Das derzeitige Recht des internationalen Investitionsschutzes und die darauf beruhende Schiedsgerichtsbarkeit bedürfen aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion einer umfassenden Modernisierung. Die EU-Kommission hatte eine Konsultation hierzu durchgeführt und im Abschlussbericht, der Ende Januar 2015 vorgestellt wurde, sind vier Bereiche zentral, in denen die befragten Bürgerinnen und Bürger Verbesserungen bei den Investorenschutzklauseln einfordern:
Das Recht auf Regulierung besser schützen, damit nationale und europäische Gesetzgebung nicht durch ISDS-Klauseln umgangen werden können.
Das Verhältnis zwischen privater Paralleljustiz und öffentlichen Gerichten unter Berücksichtigung rechtstaatlicher Prinzipien klären.
Revisionsmöglichkeiten vorsehen.
Zusammensetzung und Arbeitsweise der Schiedsgerichte transparent gestalten.

Die Handelskommissarin Cecilia Malmström hat im Januar 2015 konkrete Punkte zur Verbesserung des Investitionsschutzkapitels angesprochen, zu denen die Kommission Vorschläge unterbreiten wird. Zusammen mit seinen sozialdemokratischen EU-Amtskollegen hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Schaffung eines internationalen Handelsgerichtshof, statt der bisher vorgesehenen umstrittenen privaten Schiedsgerichte, vorgeschlagen. Mehr Informationen unter: http://www.spd.de/aktuelles/127480/20150223_ttip_isds_spe_madrid.html

Neben der häufig sicherlich auch berechtigten Kritik, gibt es rund um die Verhandlungen aber auch viele Missverständnisse und Irritationen. Diese konnten nur entstehen, weil zu wenig Konkretes über den Verhandlungsverlauf an die Öffentlichkeit kam. Daher ist mehr Transparenz von Nöten, wobei allerdings der mit dem Verhandlungspartner USA verabredete Rahmen bestimmte Grenzen bei der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten setzt.

Abschließende Texte für einzelne Kapitel gibt es bislang noch nicht. Eine Fülle von sogenannten Konzeptpapieren finden Sie jedoch auf den Homepages des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ( http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ttip.html ) und der Europäischen Kommission ( http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm ). Kommissarin Malmström hat inzwischen eine Vielzahl von TTIP Dokumenten ins Netz gestellt. Diese sind nun online einsehbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat darüber hinaus im Frühjahr 2014 einen TTIP-Beirat mit 22 Vertretern von Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs gegründet. Daraus fließen wichtige Impulse in die Meinungsbildung der Regierung ein. Und Mitte September 2014 hatten sich der Deutsche Gewerkschaftsbund und das Bundeswirtschaftsministerium auf einen gemeinsamen Kriterienkatalog für das Abkommen geeinigt. Diesen finden sie unter: http://www.spd.de/linkableblob/123688/data/20140919_ttip_anforderungen_bmwi_dgb.pdf

Die TTIP Verhandlungen werden von der Europäischen Kommission geführt, da der Bereich der Handelspolitik vergemeinschaftet ist. Wir wissen uns bei TTIP eng verbunden mit den SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Der Vorsitzende des EP-Handelsausschusses, der Sozialdemokrat Bernd Lange, ist gleichzeitig Hauptberichterstatter für TTIP und das EU-Kanada-Abkommen (CETA). Seine Positionen erfahren sie unter: www.bernd-lange.de

Auch in der SPD und unserer Bundestagsfraktion wird die kritische Debatte hierzu sehr intensiv geführt, unter anderem mit der am 23. Februar gemeinsam veranstalteten Freihandelskonferenz im Willy-Brandt-Haus. Falls Sie sie nicht im Live-Stream verfolgt haben, finden sie eine Zusammenfassung sowie Videos unter folgendem Link:
http://www.spd.de/aktuelles/127486/20150223_spd_freihandelskonferenz.html

Orientierung bei den entsprechenden Entscheidungen im Parlament ist für uns Sozialdemokraten der Kriterienkatalog der vom Parteikonvent beschlossen wurde sowie das zwischen DGB und dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium abgestimmte Papier. Auf dieser Grundlage werden wir das ausverhandelte Abkommen bewerten.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes