Frage an Franz Thönnes von Uwe P. bezüglich Finanzen
Können Sie mir erklären, warum die HRe-Bank mit aller Macht vor der Pleite mit Steuergeldern gerettet werden.
Bitte aber keine allgemeine Erklärung, sondern eine deteilierte Erklärung.
mfg
Uwe Plüschau
Sehr geehrter Herr Plüschau,
vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.
Die Bankenkrise hat sich zu einer akuten Krise des Finanzsystems ausgeweitet. Das im letzten Oktober beschlossene Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) hat bereits entscheidend zur Stabilisierung beigetragen. Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich die Lage auf den Finanzmärkten in den letzten Wochen weiter verschärft hat. In dieser Krisensituation ist es fundamentale Aufgabe des Staates, das Vertrauen wiederherzustellen und eine weitere Zuspitzung der Krise zu verhindern. Eine Bankenpleite könnte andere Institute, Unternehmen und Anleger mit in den Abgrund reißen. Diesen Dominoeffekt müssen wir verhindern.
Bei der Unterstützung von Finanzinstituten geht es nicht um Gratifikationen für den Bankensektor. Es geht auch nicht darum, Manager vor dem finanziellen Ruin zu schützen und einzelne Banken am Leben zu erhalten. Es geht um viel mehr. Wenn eine deutsche Bank in die Insolvenz geht, sie ihre Geschäftspartner nicht mehr bedienen und keine Kredite mehr vergeben kann, dann leidet die gesamte Wirtschaft. Insbesondere der Mittelstand, das Handwerk sowie Sparer und Anleger wären davon betroffen. Ihr Vertrauen wäre schwer erschüttert. Deshalb ist ein stabiler und funktionsfähiger Finanzmarkt für unsere Volkswirtschaft unverzichtbar.
Sie fragen, warum gerade bei der Hypo Real Estate (HRE) solche Anstrengungen zur Rettung unternommen werden. Die HRE ist in zahlreichen Bereichen eine besondere Bank. Im Vergleich zu anderen Instituten wie z. B. den Sparkassen finanziert sie sich nicht primär aus den Einlagen von Privatpersonen, die ihr Geld auf Konten der Bank anlegen, sondern zu großen Teilen über den Kapitalmarkt. Das Stammgeschäft wird über die Ausgabe von Anleihen betrieben. Mit ihrer Tochter Depfa ist sie einer der größten Emittenten von Pfandbriefen in Deutschland. Es handelt sich zudem um eine Bank mit „Systemrelevanz“. Das heißt, eine Insolvenz betrifft nicht nur die eigenen Aktionäre, sondern wirkt sich auf sehr viele Teile der Finanz- und Realwirtschaft aus. Die Folgen wären, dass wesentliche Teile der Finanzströme in unserer Volkswirtschaft nicht mehr funktionieren würden. Da dies keine nationale, sondern eine internationale Krise ist, hätte die Pleite einer systemrelevanten Bank auch für den internationalen Finanzmarkt unabsehbare Folgen. Deshalb hat sich die Bundesregierung im Rahmen der G8 verpflichtet, dass keine systemrelevante Bank in die Insolvenz gehen darf – der Fall Lehman Brothers soll sich nicht wiederholen.
Die HRE ist in die Krise geraten, da sie zum einen – allerdings geringen – Teil in Papiere investiert hat, für die heute kein Markt mehr besteht und die einem erheblichen Abwertungsdruck ausgesetzt sind – auch und gerade strukturierte Wertpapiere aus dem US-amerikanischen „Subprime“-Immobiliensektor. Zum anderen funktioniert ihre Refinanzierung nicht mehr. In der Vergangenheit hat sie langfristige Kredite durch kurzzeitige Deckungen auf dem Geld- oder Kapitalmarkt gegenfinanziert. Eine Strategie mit hohem Risiko. Schon vor der Finanzkrise war das ein Problem. Die Depfa hat hohe Zinsen kassiert und selbst nur niedrige Zinsen bezahlt. Daran hat sie gut verdient. Längerfristige Risikoschätzungen wurden dabei außer Acht gelassen. Die Finanzkrise führte dazu, dass der Interbankenverkehr zum Erliegen kam und die Depfa sich kurzfristig nicht mehr ausreichend Mittel beschaffen konnte. Die Folge: Die Depfa wurde illiquide und musste durch andere Quellen finanziell gestützt werden.
Würde die HRE in die Insolvenz gehen, würde erstmals in der Geschichte des Pfandbriefmarkts ein Emittent ausfallen. Pfandbriefe gelten als besonders sicher, da hinter jedem Wertpapier Forderungen gegen die öffentliche Hand stehen. Diese finanziert damit Investitionsprojekte, wie beispielsweise den Bau von Straßen, Schulen oder Kindergärten. Als Gegenzug für die Kredite verlangt die Depfa Sicherheiten, wie Immobilien oder Grundstücke der Gemeinden. Das Geld holt sie sich wiederum bei privaten oder öffentlichen Investoren, die dafür Pfandbriefe erhalten – so auch Renten- und Betriebskrankenkassen, Versicherungen und andere mehr. Würde die Bank nun insolvent gehen, könnte sie weder die Forderungen bedienen noch die Einlagen und Schuldverschreibungen zurückzahlen. Die Kosten würden die Dimension der finanziellen Unterstützung der HRE bei weitem überschreiten. Auch andere Banken haben im Zuge der Rettungsmaßnahmen Garantien in Milliardenhöhe gegeben. Müssten sie diese abschreiben, würden auch diese unter erheblichen Insolvenzdruck geraten.
Aus diesen Gründen hat die HRE, auf Grundlage des im letzten Jahr beschlossenen FMStG aus dem „Sonderfond Finanzmarktstabilisierung - SoFFin“, bereits rund 82 Milliarden Euro an Garantien und weitere rund 20 Milliarden Euro an Kapital erhalten. Doch diese sehr umfangreiche Unterstützung reicht noch immer nicht aus. Damit die HRE überlebt, benötigt sie weiteres Kapital. Bekommt sie nicht noch weitere finanzielle Mittel, werden die Aufsichtsbehörden nicht umhin kommen, die Bank zu schließen. Neben den zuvor dargestellten Auswirkungen wäre auch das bereits aufgebrachte Geld der Steuerzahler damit verloren. Das ist nicht zu verantworten.
Um den möglichen schweren Folgen einer Insolvenz entgegen zu wirken, muss die Bundesregierung in diesem besonderen Fall weitere Hilfe leisten. Es kann aber nicht richtig sein, dass der Staat eine Bank immer weiter unterstützt, den Eigentümern damit unter Umständen Verluste erspart, ohne zugleich maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen zu können. Eine weitere rein finanzielle Unterstützung der HRE scheidet daher aus. Deshalb gibt es keine Alternative zu einer hohen Staatsbeteiligung. Die Verhandlungen mit dem Hauptaktionär J.C. Flowers werden zeigen, ob diese Staatsbeteiligung ohne Enteignung möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes