Frage an Franz Thönnes von Burkhard F. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
zu vielen Anfragen bezüglich der Rentenbeschneidung für Altübersiedler aus der DDR erwähnen Sie, dass die Staatsbürgerschaft keine Rolle spielt. Aber warum wird eine bestimmte Gruppe weiterhin nach FRG behandelt? Es sind die Westberliner Eisenbahner, die bei dem Staatsbetrieb der DDR ein Beschäftigungsverhältnis hatten. Bisherige offizielle Stellungnahmen zitieren dann eine anscheinend verordnete Formulierung, die ich als "an den Haaren herbeigezogen" beurteilen würde.
Wie erklären Sie, möglichst aus persönlicher Sicht, diese Ausnahmeregelung?
Mit freundlichen Grüßen
B.Freytag
Sehr geehrter Herr Freytag,
vielen Dank für Ihre Frage die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.
Sie sagen es bereits in Ihrer Frage, die rentenrechtliche Situation ehemals Beschäftigter der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in Berlin-West ist nicht vergleichbar mit den sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen von Übersiedlern, die während ihres gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet zu DDR-Bedingungen beschäftigt gewesen sind und nach den geltenden Vorschriften versichert waren.
Die für ehemals Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in West-Berlin geltenden Sonderregelungen gehen bereits auf Festlegungen der Alliierten zurück. Weil sie nicht nur ihren Arbeitsort sondern auch ihren Wohnsitz in Westberlin hatten, erhielten die West-Berliner Reichsbahner von der Deutschen Reichsbahn ein Arbeitsentgelt in Deutsche Mark, das netto dem eines vergleichbar Beschäftigten in der Bundesrepublik entsprach. Wegen der niedrigeren Steuern und Sozialversicherungsabgaben in der DDR ergab sich jedoch brutto ein geringerer Arbeitsverdienst als für einen vergleichbaren Beschäftigten im Westen. Die Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes hätte bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI zu Nachteilen in der Rentenhöhe gegenüber vergleichbar Beschäftigten im Westen geführt. Eine Hochwertung von im Beitrittsgebiet versicherten Entgelten nach §256a Abs. 1 SGB VI schied aus, weil sie für Zeiten vor März 1971 (Einführung der FZR) für diesen Personenkreis zu Besserstellungen gegenüber Vergleichspersonen geführt hätte. Ab 1. März 1971 hätten sich wegen der nicht von den Betreffenden zu vertretenden Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark monatlich in der Sozialpflichtversicherung der DDR nicht sachgerechte Schlechterstellungen ergeben.
Die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in West-Berlin hatten kein Motiv, Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zu zahlen, denn Renten der Sozialversicherung einschließlich der FZR wurden nach DDR-Recht grundsätzlich nur an Berechtigte mit Wohnsitz in der DDR gezahlt. Selbst bei einer Entscheidung für die Beitragszahlung zur FZR wäre die Inanspruchnahme entsprechender Renten nur infolge eines nicht sehr realistischen Umzugs in die DDR möglich gewesen. Der persönliche Entscheidungsspielraum der West-Berliner Reichsbahner für ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung war insofern eng begrenzt. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, diese Beschäftigungszeiten wie als Zeiten nach dem FRG bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.
Für Übersiedler, die ihr Beschäftigungsverhältnis und ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, galten während ihrer Aufenthaltszeit in der DDR solche sozialversicherungsrechtlichen Einschränkungen dagegen nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes