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Frage von Friedhelm C. •

Frage an Franz Thönnes von Friedhelm C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thönnes,

wie stehen Sie zu der derzeitigen Diskussion über eine erneute Diätenerhöhung für Abgeordnete?

Mit freundlichen Grüßen

Friedhelm Clausen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Clausen,

vielen Dank für Ihre Frage die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.

Die neun schleswig-holsteinischen SPD-Bundestagsabgeordneten hatten beschlossen, der geplanten Erhöhung der Abgeordnetenbezüge bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag nicht zu zustimmen. Inzwischen haben - wie Sie der Medienberichterstattung entnehmen konnten - die Spitzen der Koalitionsfraktionen beschlossen, die anstehende Diätenerhöhung von der Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu nehmen und vorgeschlagen, weitere Diätenanpassungen in die nächste Legislaturperiode zu vertagen.

Gleichzeitig will ich jedoch die Gelegenheit wahrnehmen und Ihnen im folgenden Text einige weitere Informationen zur Gesamtthematik geben.

Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung („Diät“).

Die Diäten der Abgeordneten sind eine demokratische Errungenschaft. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene
Abgeordnetenentschädigung.

Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Bürger in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Kosovo, Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme zu entscheiden haben? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben?

Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss.

Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden. Selbst über die Höhe des einem zustehenden Geldes zu entscheiden, ist nicht einfach. Nicht zuletzt deshalb hat es in den vergangenen 30 Jahren 13 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben.

Die damit verbundene immer weitere relative Absenkung der Entschädigung der Abgeordneten kann aber auch nicht richtig sein.

Der Bundestag hat daher in 2007 eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B 6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R 6.

Um die Abgeordnetenentschädigung auf diese Vergütung anzuheben wurde entschieden, die Entschädigung in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2008 wurde die Abgeordnetenentschädigung um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro angehoben. Das entspricht dem Stand von B 6/ R 6 im Jahr 2007.

Zugleich wurde die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.

Übrigens: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern und die Abgeordneten erhalten auch keine jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt. Dabei wird es auch bleiben.

Nun haben die Tarifpartner im April 2008 einen Tarifabschluss erreicht, mit dem die Gehälter im öffentlichen Dienst in 2008 um 50 Euro zuzüglich 3,1 Prozent und in 2009 um weitere 2,8 Prozent steigen. Diese Erhöhung ist gerechtfertigt, denn nach Jahren der Lohnzurückhaltung können damit endlich auch die Arbeitnehmer an der guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Es ist daher auch richtig, dass der Tarifabschluss auf die Beamten und Pensionäre des Bundes übertragen und damit deren Bezüge entsprechend erhöht werden.

Jetzt geht es darum, ob diese Entwicklung bereits ab 1.1.2009 auf die gerade erst neue beschlossene Struktur übertragen wird. Hier sind wir schleswig-holsteinischen SPD-Bundestagsabgeordnete der Auffassung, dass die zu erwartenden Tariferhöhungen der Jahre 2008 bis 2010 für Bundesbeamte bereits mit der im November beschlossenen Diätenanpassung abgegolten sind. Eine weitere Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt halten wir für nicht angemessen.

Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass nach dem jetzt entschiedenen Zeitraum, also ab 2010, die beschlossene Absicht der Anpassung an die Besoldungsgruppen B 6/R 6 schrittweise umgesetzt werden sollte, damit sich künftig die Anpassung an einem klaren, nachvollziehbarem Maßstab orientiert: Die Entschädigung steigt nur dann, wenn sich die Vergütung vergleichbarer Bürgermeister und Bundesrichter ändert. Dies gilt übrigens für die Zukunft auch dann, wenn Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst ausbleiben. Dann kann es selbstverständlich auch keine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung geben.

Die Landesgruppe bleibt mit dieser Position auf der Linie, die sie seit Langem verfolgt und bereits im Jahr 2006 in einem Positionspapier festgehalten hat: Eine Anbindung der Abgeordnetenentschädigung an die Anpassung von Dienst- und Versorgungsansprüchen für Richter wird kritisch gesehen. Darüber hinaus plädiert die SPD-Landesgruppe Schleswig-Holstein für eine grundlegende Reform der Altersversorgung der Bundestagsabgeordneten. Das Positionspapier der SPD-Landesgruppe Schleswig-Holstein vom 16.5.2006 mit grundsätzlichen Stellungnahmen zur Abgeordnetenentschädigung und Altersversorgung kann im Internet von der Homepage unseres Landesgruppen-Sprechers unter www.ernst-dieter.rossmann.de bezogen werden.

Ich würde mich freuen, wenn diese Informationen zu einer sachlichen Diskussion der Thematik beitragen könnten und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese bei Ihrer Meinungsbildung mit einbeziehen würden.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes