Frage an Franz Thönnes von Jürgen H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
ich möchte Sie etwas zum Staatsbürgerrecht fragen, und zwar im Hinblick auf die DDR und die Bundesrep. Deutschland.
Während des Kalten Krieges hat die Bonner Republik die DDR in völkerrechtlichem Sinne nicht anerkannt. Für die DDR war ein DDR-Bürger ein DDR-Bürger, für die BRD war er ein Deutscher. Beide Seiten sahen die gegenseitige Staatsbürgerschaft gegensätzlich. Wenn ein DDR-Bürger die DDR dauerhaft verließ (floh, Ausreiseantrag stellte,etc.), wurde ihm die DDR-Staatsbürgerschaft aberkannt. Per Eingliederung in die BRD wurde er "Deutscher". Für die DDR war er damit ein Ausländer.
Dann kam der Beitritt der DDR. Art. 9 des Einigungsvertrag schreibt vor, daß Rechtsakte der DDR durch den Beitritt nicht aufgehoben werden. Die Aberkennung der DDR-Staatsbürgerschaft für die o. Genannten war ein solcher Akt.
Im Kontext der Beitrittsverhandlungen waren die o. Genannten normale Bürger der Bundesrepublik, für die die Regierung Kohl am Verhandlungstisch saß. Für die Bürger der beitrittswilligen DDR verhandelte die DDR-Regierung.
Durch welchen hoheitlichen Akt bzw. durch welches Gesetz bzw. durch was für einen Verwaltungsakt war es möglich, eine bestimmte Gruppe von Bundesbürgern (die o. Genannten) provisorisch zu DDR-Bürgern zu erklären, um sie dann gemäß Einigungsvertrag wie die übrigen, seinerzeit aktuellen, DDR-Bürger mit "beitreten" zu lassen? Hat die DDR-Regierung diese Leute "repatriiert"? Hat sie die Regierung Kohl etwa "abgeschoben"?
Denn so etwas muß ja geschehen sein, wenn man das extra für die Versicherten des Beitrittsgebietes geschaffene Sozialrecht mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit auf diese Leute anwendet.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Status der Rentenanwartschaften der ausgebürgerten DDR-Bürger. Die hatten sie nämlich durch ihren Weggang aus der DDR verloren.
Wie und durch wessen Bemühungen wurde es erreicht , die gelöschten Positionen zu reanimieren?
Auch das muß passiert sein. Wie erklären Sie das?
MfG, J.H.
Sehr geehrter Herr Dr. Holdefleiß,
vielen Dank für Ihre Frage die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de am 25. April 2008 gestellt haben und in der Sie die Ablösung des Fremdrentengesetzes (FRG) für DDR-Übersiedler durch die Regelungen des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) ansprechen.
Sie sind offenbar der Auffassung, die mit der Übersiedlung oder Flucht in die Bundesrepublik Deutschland verbunden gewesene Aberkennung der DDR-Staatsbürgerschaft führe dazu, dass in der ehemaligen DDR zurückgelegte Beitragszeiten nur noch unter Anwendung des FRG für die Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung teile ich nicht, denn dabei wird übersehen, dass für die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Staatsangehörigkeit ohne Bedeutung ist. So stellt die für die Anerkennung von Beitragszeiten im Gebiet der ehemaligen DDR (und im Gebiet des Saarlands vor dessen Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland) maßgebende Regelung in § 248 Abs. 3 SGB VI grundsätzlich nicht auf die Staatsangehörigkeit ab, sondern darauf, dass Beiträge im Herkunftsgebiet zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den „vor Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften“ gezahlt worden sind. Es ist daher folgerichtig, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten der Regelungen des SGB VI in den neuen Ländern zum 1. Januar 1992 auch die bis dahin für Beitragszeiten im Gebiet der ehemaligen DDR maßgebende Regelung des § 17 Abs. 1 Buchst. a) FRG gestrichen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes