Frage an Franz Thönnes von Anja K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Thonnes,
wie Ihnen bestimmt bekannt ist, sind nach einer aktuellen Forsa-Umfrage fast 2/3 aller Bundesbürger gegen eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Die Bahn gehört der Bundesrepublik Deutschland, sprich: dem Volk. Als Mitglied des Bundestages wurden Sie als Vertreter dieses Volkes gewählt und nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sondern nur Ihrem Gewissen unterworfen.
In der SPD-Fraktion gibt es deutliche Stimmen gegen diese Privatisierung. Wie ist Ihre Haltung hierzu?
In jedem Fall werden Sie Verständnis dafür haben, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran besteht zu erfahren, wie Sie und Ihre Genossinnen und Genossen bei der Entscheidung abstimmen werden - eine Entscheidung, die für die Deutsche Bahn AG, ihre Mitarbeiter, ihre Kunden und ihre Besitzer, also auch für Ihre Wähler, von großem Gewicht ist.
Entspricht diese Sichtweise auch Ihrem Demokratieverständnis, insbesondere hinsichtlich Transparenz und Klarheit?
Sollte dies der Fall sein, werden Sie am 7. September in der Klausursitzung Ihrer Fraktion von §8 der Geschäftsordnung der Fraktion der SPD Gebrauch machen und eine namentliche Abstimmung zum Thema Bahnprivatisierung beantragen?
Nur so ist gewährleistet, dass die Menschen in den Wahlkreisen wissen werden, wie sich die einzelnen Abgeordneten in der Fraktion entschieden haben. Auch wenn Sie sich bei einer namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag einer anders lautenden Fraktionsentscheidung beugen müssen, werden die Menschen Ihres Wahlkreises dennoch wissen, wie Ihre eigene – nur dem Gewissen verpflichtete Meinung – zu diesem Thema aussieht.
In der Hoffnung, dass es am Freitag, den 07.09.2007 in Ihrer Fraktionssitzung zu einer namentlichen Abstimmung über die Bahnprivatisierung kommen wird, verbleiben wir
mit freundlichen Grüssen
Anja Kirijenko und Willi Kamann
Sehr geehrter Frau Kirijenko,
sehr geehrter Herr Kamann,
vielen dank für Ihre Frage die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.
Die beabsichtigte Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG beschäftigt uns im Deutschen Bundestag seit geraumer Zeit. Es ist ein schwieriges Thema, dessen Abwägung noch immer nicht abgeschlossen ist.
Bedenken hinsichtlich möglicher Fahrpreiserhöhungen, Fahrplanänderungen, Streckenstilllegungen oder eines „Ausverkaufs“ volkseigenen Vermögens nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Die SPD-Bundestagsfraktion wird einer Teilprivatisierung nur dann zustimmen, wenn gewährleistet ist, dass es zu solchen falschen Weichenstellungen nicht kommen kann, und der Bund seine Infrastrukturverantwortung nach §87e des Grundgesetzes erfüllt.
Dazu hat der SPD-Bundesparteitag Ende Oktober 2007 in Hamburg einen Antrag verabschiedet, der die Grundlage für Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner sein wird. Der Antrag benennt klare Kriterien für eine Teilprivatisierung: Erstens müssen Erreichbarkeit und Mobilität auch in der Fläche gewährleistet bleiben. Zweitens darf es nicht zur Zerschlagung der Bahn kommen, muss der konzerninterne Arbeitsmarkt mit seinen 230.000 Beschäftigten erhalten werden. Und drittens muss sichergestellt sein, dass der Bund in der Wahrnehmung seiner Eigentumsrechte nicht eingeschränkt ist. Private Investoren dürfen keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben.
Zur Erreichung des letzten Ziels soll eine stimmrechtslose Vorzugsaktie eingeführt werden. Erst wenn mindestens 25,1 Prozent der Unternehmensanteile in Form solcher „Volksaktien“ ausgegeben worden sind, wird über die Beteiligung privater Investoren entschieden.
Unser Ziel dabei ist: Die Kapitalausstattung der DB AG und ihre Stellung auf dem europäischen Markt zu stärken und gleichzeitig zu vermeiden, dass Gewinne privatisiert werden, während notwendige Investitionen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Anzuerkennen ist darüber hinaus, dass sich bereits der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes (Drs. 16/6383) um Absicherung gegen falsche Weichenstellungen bemüht. So würde vor einer Privatisierung das Netz vollständig ins Eigentum des Bundes überführt, eine Beteiligung privater Investoren am Streckennetz wird es nicht geben. Die Bewirtschaftung des Netzes durch die DB AG wäre zudem auf zunächst 15 Jahre begrenzt.
Darüber hinaus erhielte die Bundesnetzagentur, zuständig für die Überwachung der Preisgestaltung, künftig mehr Rechte. Die Qualität der Infrastruktur würde durch eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, etwa der sogenannten „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“, genau festgeschrieben, und zwar in der Fläche wie in den Ballungsräumen. Und für Streckenstilllegungen gibt es ein ganz klar festgelegtes Verfahren, dem am Ende die zuständige Aufsichtsbehörde des Bundes in Absprache mit den Ländern zustimmen muss. Verstärkte Stilllegungen wären also nicht zu erwarten.
Im Übrigen stellt der Bund den Ländern für die Bestellung des Regionalverkehrs Mittel in Höhe von jährlich rund sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder sind für die Ausgestaltung und das Angebot des regionalen schienengebundenen Personenverkehrs verantwortlich. Daran würde sich auch durch die geplante Teilprivatisierung nichts ändern.
Vor diesem Hintergrund vollzieht sich derzeit der Beratungsprozess in der Großen Koalition. Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass unser Koalitionspartner zu bestimmten Aspekten durchaus andere Vorstellungen hat. Von daher werde ich meine Entscheidung letztendlich vom noch zu erarbeitenden Gesamtergebnis abhängig machen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes