Frage an Franz Thönnes von Norbert D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Warum stimmen Sie als Gewerkschafter im Bundestag immer gegen die Interessen der Gewerkschaften, z..B. Rente mit 67 oder den Mindestlohn? Es ist doch den Betroffenen völlig egal, wer den Mindestlohn durchsetzt, Hauptsache er kommt. Da sollten Sie doch den Wählern und Arbeitnehmern verpflichtet sein und nicht nur der SPD. Die Linkspartei ist doch in der Frage auf der Arbeitnehmerseite und die Abgeordneten der SPD leisten sich den Luxus von Eifersucht. Das macht Sie zur Zeit sehr unglaubwürdig.
Sehr geehrter Herr Dachsel,
vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.
Das Zusammenwirken von Gewerkschaften, SPD und SPD-Bundestagsfraktion ist für mich sehr wichtig, um Fortschritt und soziale Sicherheit im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erreichen und abzusichern. Eine 1:1-Umsetzung der Gewerkschaftspositionen ist dabei nicht immer möglich und eine derartige Erwartung würde auch in der Regel an der politischen Realität vorbeigehen. Politik bedeutet im Übrigen auch immer das Machbare zu gestalten und das Unerwünschte zu verhindern. Dies gilt z.B. bei den bisherigen politischen Positionen zur Einführung eines Mindestlohnes im Rahmen der Arbeit der Großen Koalition durch die Einbeziehung des Gebäudereinigerhandwerks in das Entsendegesetz oder auf der anderen Seite der Sicherung der Tarifautonomie im Koalitionsvertrag, um die Arbeit der Gewerkschaften und die Flächentarifverträge zu schützen. Positionen, bei denen es eine große Übereinstimmung gibt. Und nun kommen die Briefdienstleistungen hinzu. Schritt für Schritt eine pragmatische Politik, die erfolgreich ist für die Beschäftigten in den jeweiligen Bereichen. Teilweise vergleichbar mit der tagtäglichen Praxis der vielen Betriebsräte und Personalräte in den Betrieben und Verwaltungen, in der das momentan Machbare gestaltet wird.
Im Übrigen habe ich mich zu meinem Abstimmungsverhalten bzgl. des Mindestlohns bei den vorangegangenen Fragen bereits geäußert und möchte mich aus diesem Grund hier nicht wiederholen.
Zum Bereich Rente will ich Ihnen gerne etwas ausführlicher antworten, weil dieser Komplex auch ein wesentliches Themenfeld meiner Arbeit als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales ist.
Die Anhebung der Altersgrenzen war gewiss keine leichte Entscheidung. Sie ist Bestandteil der Umsetzung des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD. Kollegial-kritisch formulierte Positionen der Gewerkschaften habe ich sehr ernst genommen. Und natürlich habe ich ebenso dabei die Arbeitsmarktsituation und auch die Arbeitsbedingungen in besonderen Industrie- und Handwerksbereichen mit einbezogen. Glaubwürdige Politik ist dabei zu einem kalkulierbaren und verantwortlichen Handeln verpflichtet, das die Gesamtheit der Bedingungen sieht und gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Beschäftigungssituation und Initiativen für „gute Arbeit“, für Arbeit, die die Beschäftigungsfähigkeit erhält, voranbringt.
Die Grundlagen für die beschlossenen rentenpolitischen Entscheidungen liegen in der ökonomischen Entwicklung der vergangenen Jahre sowie der damit einhergehenden Arbeitsmarktsituation, der Demographie, der finanziellen Situation der Rentenversicherung, der Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und der Sicherung der künftigen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Die niedrigen Wachstumsraten der Jahre 2002 bis 2005 (0,0 %, ./. 0,2 %,+ 1,2 % und + 0,9 %) geben natürlich auch die Verteilungsspielräume des wirtschaftlichen Erfolges in Deutschland wieder. Sie waren begleitet von hoher Arbeitslosigkeit und einer teilweise negativen Einkommensentwicklung mit dementsprechender Wirkung auf die Beitragseinnahmen der sozialen Sicherungssysteme, deren Ausgaben nicht zuletzt demographie- und unterstützungsbedingt steigen.
Die Entscheidung zur langfristigen Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist ebenso eine Antwort auf die erfreuliche Entwicklung des längeren Lebens. So ist die Lebenserwartung Neugeborener in den letzten 45 Jahren bei den Männern von 64,6 Jahren auf 75,6 Jahre und bei den Frauen von 69,5 Jahren auf 81,3 Jahre gestiegen. Parallel dazu ist die Rentenbezugsdauer im Durchschnitt von zehn Jahren auf heute siebzehn Jahre und damit um 70 % angewachsen. Und es ist davon auszugehen, dass die künftige Lebenserwartung bis 2030 bei 65-Jährigen um weitere 2,8 Jahre zunehmen wird. Da die Rentenausgaben in einem umlagefinanzierten System immer von denen, die in Arbeit sind mit ihren Beiträgen zu finanzieren sind, müssen die Beiträge einerseits bezahlbar bleiben und dürfen andererseits als Lohnnebenkosten Arbeit und den Aufbau neuer Beschäftigung nicht gefährden.
Gewährleistet werden muss ebenfalls, dass die künftigen Rentnerinnen und Rentner ein angemessenes Auskommen im Alter haben. Dabei wird die gesetzliche Rente auch künftig die wesentliche Säule der Altersversorgung sein. Sie ist jedoch mit der staatlich geförderten privaten und der betrieblichen Altersvorsorge zu ergänzen, wenn der Lebensstandard auch im Alter gewahrt werden soll.
Vor diesem Hintergrund gilt es, eine vernünftige Balance bei der Aufteilung der wachsenden Aufwendungen einer Gesellschaft des längeren Lebens zwischen den Generationen zu finden. Dazu gehört auch, dass von den Ausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung von rund 236 Mrd. € im Jahr 2006 nur rund 74,2 % über Beiträge gedeckt waren und aus dem Bundeshaushalt bereits heute schon über 77 Mrd. € in die Rentenleistungen fließen. Das sind die Ökosteuer, ein Mehrwertsteuerpunkt sowie weitere Steuermittel für z.B. die sozialpolitisch gewollten Leistungen der Rentenversicherung für die rentenrechtliche Anerkennung der Kindererziehung. Insgesamt macht dies jetzt schon fast 30 % des Bundeshaushaltes aus. Angesichts der Haushaltssituation hat eine weitere Steuerfinanzierung hier ihre Grenzen. Insbesondere dann, wenn wir einen handlungsfähigen Staat wollen, der auch seine Spielräume für Beschäftigungsaufbau, aktive Arbeitsmarktpolitik, Infrastruktur- und Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung (Ganztagsschulen, Krippenplätze, neue Technologien) nutzt und ebenso für die anderen notwendigen sozialen Leistungen wie u.a. Grundsicherung zu sorgen hat.
Und die Demographie beinhaltet eine weitere Herausforderung. Das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentnern verschiebt sich gleichfalls. Auch das hat etwas mit dem längeren Leben zu tun. Aber ebenso mit der zurückgegangenen Zahl an Kindern. Die Geburtenrate der sechziger Jahre, in denen eine Frau in ihrem Leben im Schnitt 2,4 Kinder bekam, ist inzwischen auf 1,4 zurückgegangen. Und dies führt in den kommenden dreizehn Jahren dazu, dass sich das Verhältnis der über 65-Jährigen und Älteren zu den 20 - 64-Jährigen von heute noch ca. 1 : 3 auf ungefähr 1 : 2 in 2020 entwickeln wird.
Diese Fakten kann man nicht ausblenden, wenn man politisch verantwortlich gegenüber den Generationen handeln will. Die Entwicklung löst nun mal zusätzliche Kosten aus. Sie mit übermäßig steigenden Beitragssätzen zu beantworten, würde neue und bestehende Arbeit gefährden. Sie über eine Erhöhung des Steueranteils aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, die Gestaltungsspielräume erheblich einengen. Finanzierungslücken würden so weiter in die Zukunft verschoben.
Deshalb erfolgt die schrittweise Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029. Ab dem Jahr 2012 (Jahrgänge ab 1947) soll die Altersgrenze zunächst um einen Monat pro Jahrgang auf Alter 66, ab 2024 (Jahrgänge ab 1959) um zwei Monate pro Jahrgang auf Alter 67 angehoben werden. Es handelt sich somit um eine behutsame, langfristige und damit auch kalkulierbar angelegte Anhebung.
Sie dient natürlich zum einen der Sicherung bezahlbarer Beiträge und damit der Einhaltung der gesetzlichen Beitragssatzziele genauso wie zum anderen der Rentenniveausicherung. Betrachtet man die durchschnittlich gestiegene Rentenbezugsdauer, so ist der Vorwurf, es handele sich bei der Erhöhung des Rentenalters um eine Rentenkürzung, haltlos. Der aktuelle Rentenwert wird nicht gemindert. Zukünftig werden die Renten höher sein als heute, und erweiterte Beitragszeiten schaffen zusätzliche Rentenanwartschaften. Wer von Kürzungen spricht, der geht davon aus, dass sich an der Arbeitsmarktsituation in der Zukunft nichts ändert. Das käme aber der Aufgabe jedes gewerkschaftlichen wie auch politischen Gestaltungswillens gleich. Die Situation lässt sich verbessern. Das zeigen uns die erfreulichen Entwicklungen dieses Jahres mit einem Wirtschaftswachstum von voraussichtlich + 2,6 % nach + 2,5 % in 2006, Und auch bei der Beschäftigung hat sich einiges getan. So stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von September 2006 bis September 2007 um 577.000. Im Jahresvergleich November 2006 zu November 2007 sank die Arbeitslosigkeit um 617.000.
Natürlich haben wir uns auch mit der Situation von Arbeitnehmern befasst, die unter gesundheitsbeeinträchtigenden Bedingungen arbeiten. Im Gewerkschaftsbereich selbst ist bekannt, wie schwierig es ist, im einzelnen genaue Berufs- und Tätigkeitsabgrenzungen und dementsprechende Kriterien hierfür zu finden. Deshalb hat sich die SPD-Seite in den Verhandlungen mit der CDU/CSU sehr dafür eingesetzt, eine Regelung zu finden, die besonders belastete Arbeitnehmer dennoch berücksichtigt. So bleiben die jetzt geltenden Regelungen bei der Erwerbsminderungsrente für langjährig Versicherte erhalten. Für denjenigen, der mit 35 Pflichtbeitragsjahren (bis 2023) in die Erwerbsminderungsrente muss, bleibt es bei dem geltenden Recht (abschlagsfreier Rentenbezug ab 63 Jahren). Ab 2024 werden 40 Pflichtbeitragsjahre vorausgesetzt. Bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente nach Alter 60, wo die Neuregelungen ausschließlich greifen, können beispielsweise Versicherte in Handwerksberufen, die mit sechzehn Jahren die Lehre begonnen haben, sehr wohl auf 35 bzw. 40 Pflichtbeitragsjahre kommen.
Im Übrigen hat zwischenzeitlich eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion und der Partei nach Beratungen mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und Sachverständigen Vorschläge für einen gleitenden Übergang aus der Arbeit in den Ruhestand entwickelt. Auf dieser Grundlage hat der SPD-Bundesparteitag im Oktober 2007 beschlossen:
- Nach dem Auslaufen der Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit ab 2010 soll ein Gesetz den flexiblen Übergang in die Altersrente fördern. Teilrente und Altersteilzeit sollen so miteinander verzahnt werden, dass ein flexibler Übergang ab dem 60. Lebensjahr möglich ist.
- Es soll geprüft werden, ob Rentenversicherungszeiten, die ab dem 60. Lebensjahr erreicht werden, mit einem besonderen Punktwert versehen werden können und die spätere Rente steigern.
- Die Tarifparteien sollen die Möglichkeit erhalten, zusätzliche Mittel in eine Zusatzkasse der Rentenversicherung einzuzahlen, die bei berufbezogener Leistungsminderung Abschläge in der Rentenversicherung ganz oder teilweise vermeidet. Dies bedeutet keine Veränderung bei der Erwerbsminderungsrente.
Bei den gesetzlichen rentenpolitischen Entscheidungen gilt des weiteren: Wer mindestens 45 Jahre Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung hat, kann wie bisher mit 65 Jahren abschlagsfrei in die Rente gehen. Dies dürfte insbesondere für Arbeiter und Handwerker von Interesse sein, die meist schon in jungen Jahren ihre Lehre begonnen haben.
Wie viele Versicherte unter diese Regelung fallen, hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ermittelt. Unter Berücksichtigung der neuen Regelungen bezüglich der Altersgrenzen kommt sie zu dem Ergebnis, dass rd. 20 % der Rentenzugänge in Deutschland die Bedingungen für eine abschlagsfreie Rente mit 45 Jahren erfüllen. Das heißt, jeder Fünfte kann auch weiterhin mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen.
Darüber hinaus bleibt das Zugangsalter für langjährig Versicherte mit 35 Versicherungsjahren mit flexiblem Rentenzugang ab 63 Jahren erhalten.
Es geht nicht nur um diese Fragen oder alleine um die finanzielle Situation der Rentenversicherung. Es geht es auch um ein verbindliches Signal an Gesellschaft und Wirtschaft zur Umorientierung in der Haltung zur Rolle der älteren Arbeitnehmer und um konkrete Verhaltensänderungen. Die Anhebung der Altersgrenze ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die dringend notwendige Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Deshalb mussten weitere Aktivitäten erfolgen, um:
- das Beschäftigungspotenzial der Älteren zu steigern,
- dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken,
- das Erfahrungswissen der Älteren besser auszuschöpfen und
- damit über ein höheres Wirtschaftswachstum die Sicherung und Steigerung des Wohlstands zu erreichen.
Die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ist somit Bestandteil einer langfristig angelegten Strategie, um unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft für die Zukunft wettbewerbsfähig zu halten. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Sicherstellung der zukünftigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Sie ist die Basis unserer Sozialsysteme. Wir werden es uns künftig nicht mehr leisten können, die Potenziale einzelner gesellschaftlicher Gruppen ungenutzt zu lassen. Dies betrifft auch und gerade die Älteren. Die Anhebung der Altersgrenze ist daher nicht nur unter rentenpolitischen Gesichtspunkten notwendig und nicht nur die erforderliche und angemessene Antwort auf die steigende Lebenserwartung. Sie wirkt auch dem drohenden Fachkräftemangel aufgrund der demografischen Entwicklung rechtzeitig entgegen. Schon jetzt verzeichnen wir in einigen Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit erfreulicherweise relativ niedrig, ist einen Mangel an Fachkräften. Ab Mitte des nächsten Jahrzehnts wird sich der Anteil der 20-64-Jährigen in der Gesellschaft stark verringern. Bis 2030 wird er um 5,3 Mio. zurückgehen. Gleichzeitig steigt die Zahl der über 65-Jährigen um 6,4 Mio.
Mit der „Initiative 50plus“ werden die Rahmenbedingungen für eine längere Erwerbsdauer verbessert. Insgesamt werden so die Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum sowohl angebotsseitig als auch mit dem 25 Mrd. Euro Wachstums- und Innovationsprogramm nachfrageseitig gestärkt. Im Ergebnis wird nicht nur die Beschäftigungsquote Älterer, sondern die Beschäftigung insgesamt zunehmen.
Um diese Entwicklung zu verstärken wurde die „Initiative 50plus“ aufgelegt.
Wesentliche Elemente sind:
- Kombilohn für Ältere
Mit der Einführung eines Kombilohns wurde die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Steuerungsfunktion neu gestaltet. Der Kombilohn wird gezielt dafür eingesetzt, Ältere bei der Aufnahme einer geringer bezahlten Tätigkeit durch einen Ausgleich bei Nettolohn und Alterssicherung zu unterstützen.
- Eingliederungszuschuss für die Einstellung Älterer
Arbeitgeber, die Ältere einstellen, können zum Lohn einen neu gestalteten Eingliede-rungszuschuss erhalten. Voraussetzung ist eine Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr. Durch die Berücksichtigung des besonderen Integrationsbedarfs Älterer wird der Zuschuss künftig sowohl für Empfänger von ALG I und II als auch bei drohender Arbeitslosigkeit möglich sein.
- Förderung der beruflichen Weiterbildung
Die Weiterbildungsförderung Älterer in Betrieben wird erweitert: Mehr Menschen als bisher haben dann die Möglichkeit, eine Förderung zu erhalten. Beschäftigte in Betrieben mit bis zu 250 Mitarbeitern (bisher: 100 Mitarbeitern) erhalten nach neuer Rechtslage bereits ab 45 Jahren (bisher: ab 50 Jahren) Bildungsgutscheine für zertifizierte Weiterbildungen. Auf diese Weise werden Weiterqualifizierungen erleichtert und attraktiver gemacht.
- Befristungsregelung ab dem 52. Lebensjahr
Der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages wird unter Beachtung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zugelassen, wenn Arbeitsuchende über 52 Jahren von der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt persönlich betroffen sind. Das erhöht die Anreize für Unternehmen, Ältere einzustellen.
- Initiative Neue Qualität der Arbeit – INQA
In der Initiative INQA engagieren sich Bund, Länder, Sozialpartner und Unternehmen und entwickeln praxisnahe Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer zu verbessern. Wichtiger Bestandteil von INQA ist ein Demografie-Netzwerk, in dem Unternehmen für Unternehmen Perspektiven für alter(n)sgerechtes Arbeiten aufzeigen.
- Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen-Bundesprogramm „Perspektive 50plus“
Das Bundesprogramm „Perspektive 50plus" bildet das Dach für die Förderung von bundesweit 62 regionalen Beschäftigungspakten zur beruflichen Wiedereingliederung Älterer in den (allgemeinen) Arbeitsmarkt. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Netzwerken und Kooperationen zu verbindlichen Paktstrukturen. Für die erste Programmphase kann eine erfolgreiche Bilanz gezogen werden: Bis Ende September 2007 haben die regionalen Beschäftigungspakte mehr als 20.200 Langzeitarbeitslose über 50 Jahre in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Diese Projektregionen können nun weiter gefördert werden bis 2010. Hierfür stehen nach den 250 Mio. Euro für die erste Periode nun 275 Mio. Euro zur Verfügung. Auch können Partnerschaften mit anderen Regionen eingegangen werden.
Die bisherigen Aktivitäten, auch zur Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters bei den Altersrenten, waren erfolgreich. So konnte dies in den letzten Jahren von ca. 62 auf 63,2 Jahre im Jahr 2005 gesteigert werden. Die Wirksamkeit zeigt sich aber beispielsweise ebenso an der Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer (55 - 64 Jahre). Diese hat sich seit 2000 von 37,5 % auf bereits 52,0 % im 2. Quartal 2007 erhöht. Und auch die weitere Entwicklung stimmt zuversichtlich. So beinhaltet der Beschäftigtenzuwachs von März 2006 zu März 2007 von 623.600 die stolze Zahl von 351.600 Arbeitnehmern über 50 Jahren.
Die Altersteilzeitförderung mit finanziellen Erstattungen der Bundesagentur für Arbeit für einen Teil der Aufstockungsbeträge sowie der Übernahme eines Teils der Rentenversicherungsbeiträge (unmittelbare Förderung) spielt weiterhin eine Rolle. Sie ist für Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse möglich, mit denen vor dem 1. Januar 2010 begonnen wird. Die Befristung der Altersteilzeitförderung berücksichtigt die zu erwartende demographische Entwicklung, wonach ab Mitte des nächsten Jahrzehnts das Angebot an Arbeitskräften erheblich abnehmen wird. Die Vereinbarung von nicht durch die BA geförderter Altersteilzeit ist nach derzeit geltendem Recht auch nach dem Jahr 2010 möglich. Dabei geht es um die Steuerfreiheit für die Arbeitgeber hinsichtlich der Aufstockungsbeträge und der dementsprechenden Rentenversicherungsbeiträge. Das Thema Altersteilzeit bleibt damit weiterhin auf der Tagesordnung und ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der weiteren Arbeitsmarktentwicklung und den Überlegungen, gleitende Übergänge in flexibleren Altersteilzeit-Formen zu gestalten, zu bewerten.
Die Arbeitsmarktentwicklung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bestandsprüfungsklausel. Denn die langfristige Anhebung des Renteneintrittalters ist kein Selbstzweck. So ist im Gesetzentwurf beschrieben, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahme mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist. Trotz aller Notwendigkeiten darf die Anhebung des Renteneintrittalters nur umgesetzt werden, wenn sie mit den tatsächlichen Entwicklungen im Einklang steht. Eine Revision bleibt also möglich.
Deshalb geht es nun auch parallel darum, alles zu tun, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zu erhalten. Es geht deshalb gleichfalls um verstärkte Aktivitäten für „Gute Arbeit, für Arbeit, die nicht krank macht. Tarifpartner und Betriebsparteien sind somit ebenso gefordert, Vereinbarungen über altersgerechte Arbeitsbedingungen zu treffen. Im Betriebsverfassungsgesetz gibt es dazu neue Rechte in den Bereichen der Allgemeinen Aufgaben, der Gestaltung der Arbeit, der Bildung und Weiterbildung. Hinzu kommt die erwähnte Initiative „INQUA“ – Neue Qualität der Arbeit und die Pflicht zum betrieblichen Eingliederungsmanagement aus dem Sozialgesetzbuch IX für alle Arbeitgeber gegenüber allen Beschäftigten, das helfen soll Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Auch die Zusammenarbeit mit den Unfallversicherungsträgern und den Rehabilitationsträgern ist unter dem Aspekt der Prävention zu intensivieren. In diesem Zusammenhang ist es gut, dass mit der gerade beschlossenen Gesundheitsreform auch die Krankenkassen zur Förderung der „betrieblichen Prävention“ verpflichtet wurden.
Sehr geehrter Herr Dachsel,
ich habe Ihnen deshalb so umfangreich die Hintergründe und den Rahmen sowie die begleitenden Aktivitäten zur Rententhematik geschildert, da die Materie sehr komplex ist. Nur ein „Ja“ oder „Nein“ ist hier zu einfach. Es würde mich freuen, wenn diese Argumente in Ihre Meinungsbildung mit eingehen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes