Frage an Franz Thönnes von Thies W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Thönnes,
die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hat eine Kampagne zur Wiederaufnahme des NPD-Verbotsverfahren gestartet und sammelt derzeit dafür Unterschriften.
Halten Sie diese Kampagne für unterstützenswert und wann wird sich der Bundestag mit diesem Thema beschäftigen?
mfG
Thies Wandschneider
Sehr geehrter Herr Wandschneider,
vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir über www.abgeordnetenwatch.de zugesandt haben.
Die Einstufung der NPD als verfassungswidrige Partei im Sinne von Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz ist in demokratischen Kreisen weitgehend unstrittig und wird auch von mir geteilt. Aus diesem Grund beantragten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht 2001 die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD.
Mit Beschluss vom 18. März 2003 hat der zuständige zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das gegen die NPD angestrengte Parteiverbotsverfahren aufgrund eines Minderheitenvotums eingestellt. Für eine Fortführung des Verfahrens hätten sich nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz zwei Drittel der Richter entscheiden müssen.
Dem zweiten Senat (nominell 8 Richter) gehörten zum Zeitpunkt der Entscheidung 7 Richter an. 4 Richter waren für eine Verfahrensfortsetzung, 3 Richter waren dagegen.
Die Mehrheit der Richter, die für die Verfahrensfortsetzung stimmten, vertraten folgende Auffassung: "Die nachrichtendienstliche Beobachtung (...) begründet weder im Hinblick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien noch wegen Fragen der Zurechnung der vorgelegten Erkenntnismittel noch aufgrund der Pflicht zur Gewährung eines fairen Verfahrens ein Verfahrenshindernis. (...) Sachentscheidungserhebliche Tatsachen sind in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unter Ausschöpfung der Mittel der Beweisaufnahme und unter umfassender Gewährung vor rechtlichem Gehör aufzuklären."
Das Minderheitenvotum wurde mit einer "mangelnden Staatsfreiheit" der NPD begründet, weil es auf der Ebene der Vorstände V-Leute gab.
Ihre Aussage zu diesem Umstand lautet wie folgt:
"Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstandes oder eines Landesvorstandes fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren."
Mit einer mündlichen Verhandlung, wie von der Mehrheit gewünscht, wurde aufgrund des Minderheitenvotums allerdings gar nicht erst begonnen.
Im Moment ist nicht abzusehen, wann sich der Deutsche Bundestag wieder mit diesem Thema beschäftigen wird. Denn es ist zwingend notwendig, einen neuen Verbotsantrag nur dann zu stellen, wenn dieser auch gute Aussichten auf Erfolg hat. Sonst besteht die Gefahr, dass die NPD eine erneute Einstellung des Verfahrens aus formalen Gründen in der Öffentlichkeit nutzt, um sich als verfassungskonform zu verkaufen.
Da zwei der drei Richter, die für eine Verfahrenseinstellung votierten, noch bis zum Jahr 2008, der dritte Richter noch bis zum Jahr 2010 im Amt sind, ist nicht davon auszugehen, dass diese bei einem während ihrer Amtszeit einzuleitenden neuerlichen Verbotsverfahren von ihrer Rechtsposition abweichen.
So sehr ich auch ein Verbot der NPD begrüßen würde, so gering schätze ich derzeit allerdings die Erfolgsaussichten eines erneuten Verbotsverfahrens ein.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes