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Franz Thönnes
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Frage von Frank Dr. L. •

Frage an Franz Thönnes von Frank Dr. L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Thönnes,

als Allgemeinarzt in Stormarn interessiert mich Ihre Haltung zu der geplanten Gesundheitsreform. Werden Sie im Ernstfall für diesen ausgemachten "Murks" stimmen oder schlägt in Ihrer Brust noch ein Herz für Freiberuflichkeit und Selbstbestimmung der Menschen? Kann es sein, daß die SPD nur aus Gründen des Machterhaltes einen bisher hoch angesehenen Beruf weiter demoralisieren wird? Sollen multimorbide Patienten in Zukunft weiterhin noch mehr belastet werden, als das bisher schon der Fall ist? Soll das gesamte System mit aller Gewalt gegen die Wand gefahren werden? Für mich und viele meiner mir gut bekannten Kollegen aus der Zunft der "Geiselnehmer" entscheidet sich jetzt, ob wir unsere Praxen nach innerlicher Kündigung staatskonform im Dienst nach Vorschrift weiterführen, uns als Rebellen gegen den Staat auflehnen und boykottieren, oder im Ernstfall auch aufgeben und das Land verlassen, um uns und unsrere Familien vor der beleidigenden Behandlung durch das Bundesministerium f. Gesundheit zu schützen. Wir fühlen uns zunehmend als Freiwild, gegen das mit Stasimethoden gehetzt wird. Was wird die SPD unternehmen, um deutschen Ärzten eine Arbeit in Würde in Klinik und Praxis zu ermöglichen?

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Lange-Wühlisch aus Reinfeld/Schleswig-Holstein

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Lange-Wühlisch,

vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir über www.abgeordnetenwatch.de zugesandt haben.

Sie haben mich nach meiner Meinung zur Gesundheitsreform gefragt. Ich sage Ihnen hier ganz offen, dass ich mir an dem einen oder anderen Punkt eine andere Ausgestaltung der Reform gewünscht hätte. Aber wir befinden uns in einer großen Koalition in der man Kompromisse machen muss. Es ist natürlich auch schwierig, wenn zwei so unterschiedliche Konzepte wie unsere solidarische Bürgerversicherung und die Kopfpauschale der CDU aufeinander prallen.

Die SPD hat in Regierungsverantwortung einen klaren Gestaltungs- und Schutzauftrag. Erreicht haben wir z.B.: Künftig sind alle Menschen in Deutschland krankenversichert; neben Eltern-Kind-Kuren und geriatrischer Rehabilitation werden auch alle anderen Reha-Leistungen in den Pflichtleistungskatalog aufgenommen, die Palliativversorgung wird verbessert, Krankenhäuser können hoch spezialisierte ambulante Leistungen erbringen, es wird eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln geben, in der Privaten Krankenversicherung wird durch die Mitnahmemöglichkeit der Altersrückstellungen und dem Basistarifvertrag mit Aufnahmezwang Wettbewerb geschaffen, die unterschiedliche Einnahmestruktur und krankheitsbedingte Ausgaben werden bei der Gesetzlichen Krankenversicherung solidarischer als bisher ausgeglichen, die Arztversorgung in unterversorgten Gebieten wird mit Zuschlägen verbessert. Verhindert haben wir z.B. von der Union: Abschaffung der Belastungsgrenzenregelung für chronisch Kranke, Praxisgebühren bei jedem Arztbesuch, Ausgliederung von Unfällen aus der GKV, dauerhaftes Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge. Den Zusatzbeitrag betrachte ich kritisch. Er konnte jedoch bei 1 % des Haushaltseinkommens begrenzt werden. Auch wäre eine stärkere Einbindung der PKV in die Solidarität besser gewesen. Gleiches gilt für andere Finanzierungsstrukturen. Dies ging jedoch nicht mit der Union. Wägt man dies alles ab und weiß um die Notwendigkeit gerade der Strukturreformen, ist es allen in allem ein akzeptabler Kompromiss. Dennoch bleibt weiterhin auch mein Ziel eine solidarische Bürgerversicherung.

Niemand will das System an die Wand fahren und niemand will Ihren Berufsstand diskreditieren. Allerdings glaube ich auch nicht, dass dies geschieht. Ich gebe zu, dass diese Diskussion teilweise sehr aufgeregt geführt wird und einige vergreifen sich schon mal im Ton. Keine Seite ist davon wohl gänzlich frei. Der größte Teil der Debatte fand jedoch in einem vertretbaren Rahmen statt.

Deshalb auch abschließend ganz offen: Ihren Vergleich mit den Stasimethoden finde ich ausgesprochen unangemessen. Nichts von dem was hier in unserem Rechtsstaat geschieht, ist mit den Methoden der Stasi vergleichbar. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Ihnen Unrecht getan wird steht Ihnen der Rechtsweg in einer unabhängigen Justiz offen. Diese(s) (und andere) Recht(e) hatten die Opfer der Stasi nicht.

Vor solchen überzogenen Vergleichen schützen ernsthafte Befassungen mit dem einstigen SED-Unrechtsregime. Gelegenheit hierzu bieten Besuche in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (einem ehemaligen Stasi-Gefängnis).

Unter folgendem Link finden Sie hierzu Informationen: http://www.stiftung-hsh.de/index.php

Bei aller Emotionalität mit der, gerade bei der Gesundheitsreform, diskutiert wird, sollten wir die Angemessenheit der Maßstäbe nicht vergessen.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes