Frage an Franz Thönnes von Jochen B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Thönnes,
zu den größten Geschäftspartnern Deutschlands bei Waffengeschäften zählen Saudi-Arabien und Katar. Erst jüngst wurde die Lieferung von Panzern nach Katar bestätigt. Laut der "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" gilt u.a. gemäß Satz III, dass "in diese Länder ... der Export von Kriegswaffen grundsätzlich nicht genehmigt (wird), „es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitischen Interessen … ausnahmsweise … [für die] Genehmigung sprechen“. Und obwohl Herr Gabriel eine Reduzierung von Waffenexporten angekündigt hat, werden in die arabische Welt fast genau so viele Waffen exportiert wie in EU-Länder, obwohl es sich dabei um "Ausnahmen" handelt. Können Sie es mit ihrer Verantwortung als Volksvertreter und ihrem Gewissen vereinbaren, dass Deutschland derartig seine eigenen Grundsätze verletzt? Selbst der BND hat nun tatsächlich vor Saudi-Arabien gewarnt (da hat man lange zu der Erkenntnis gebraucht!)
Ist Ihnen bekannt, dass in Saudi-Arabien und Katar der Wahhabismus Staatsreligion ist, eine radikale sunnitische Glaubensrichtung, auf die sich die arabischen Terroristen, nicht zuletzt der Islamische Staat, berufen? Diese Glaubensrichtung bekämpft alle Ungläubigen, auch Muslime anderer Richtungen. Wenn man sich bewusst ist (und dazu brauche ich keinen BND), dass es in der arabischen Welt eine viel engere Verflechtung von Staat und Religion gibt, ist es nicht vereinbar, dass man auf der einen Seite den arabischen Terror bekämpfen will, auf der anderen Seite aber die Verbündeten des Terrors mit Waffen beliefert. Warum setzen Sie sich nicht gegen Waffenexporte nach Saudi-Arabien und die Golf-Staaten ein?
Sehr geehrter Herr Bonitz,
vielen Dank für Ihre Nachfrage über Abgeordnetenwatch.de vom 4.12.2015.
In Ihrem Schreiben beziehen Sie sich auf eine Entscheidung der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung aus dem Jahre 2012 zu den Lieferungen von Rüstungsgütern der Firma Krauss-Maffei Wegmann nach Katar.
Der Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen ist ein außerordentlich sensibler Bereich und muss daher besonders strenger Kontrolle unterworfen werden. Die Grundlagen für einen rechtlich basierten Genehmigungsprozess sind dabei das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG). Einen Anspruch auf die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen haben die Unternehmen bei Kriegswaffen jedoch nicht. Zuvor muss von der Bundesregierung geprüft werden, ob der Antragssteller zuverlässig ist und ob durch den Export Gefahren für den Frieden entstehen oder völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands gefährdet werden. Im März 2013 ging die angefragte Genehmigung nach dem KWKG zur Ausfuhr an die Firma Krauss-Maffei Wegmann.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Überprüfung angestoßen, ob derartige Exporte überhaupt noch genehmigt werden sollten, da der jetzige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel dem so aktuell nicht zugestimmt hätte. Da andere Ressorts trotz veränderterer politischer Rahmenbedingungen nicht bereit waren, die KWKG-Genehmigung vor allem aus rechtlichen Gründen und den damit verbundenen Schadensersatzansprüchen nicht zu widerrufen, wurde seitens des BMWi die ausstehende AWG-Genehmigung erteilt.
Das ist die förmliche Wiedergabe des abgelaufenen Prozesses. Hierzu hat es am 12. November 2015 auch eine Debatte im Deutschen Bundestag gegeben. Das dementsprechende Dokument können Sie über der Homepage des Deutschen Bundestages unter der Plenarprotokoll-Nr. 18/136 abrufen. Hierin werden die Positionen der SPD-Bundestagsfraktion sowie des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel deutlich. Dabei wird klar, dass unserer Auffassung nach, unter heutigen Gesichtspunkten eine Genehmigung nicht mehr erteilt worden wäre.
Dies liegt auch ganz in der Linie unserer Bemühungen wieder zu einem strengeren Regelwerk beim Export von Rüstungsgütern zu kommen. Ausdruck hierfür ist der Erfolg der SPD in den Koalitionsverhandlungen von 2013. Für die aktuelle große Koalition konnten durch die SPD die im Jahr 2000 von „Rot-Grün“ vereinbarten engen „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ wieder zur Grundlage im Koalitionsvertrag gemacht werden (abzurufen auf http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Ruestungsexportkontrolle/grundsaetze.html ).
Hinzu kommt eine verbesserte Transparenz bei Rüstungsexporten durch die unmittelbare Unterrichtung des Bundestages über abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates innerhalb von zwei Wochen sowie der Zwischenbericht über Rüstungsexportentscheidungen im ersten Halbjahr eines laufenden Jahres.
Damit hat die SPD in der Bundesregierung die transparenteste und restriktivste Rüstungsexportpolitik durchgesetzt, die es jemals in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat. Denn: Rüstungsgüter sind kein Exportgut wie jedes andere. Es muss streng geprüft werden, ob Waffen aus deutscher Produktion nicht destabilisierend oder gar konfliktverschärfend wirken. Zu den o.g. Punkten kommt noch hinzu, dass die Kriterien für den Export von Kleinwaffen in Drittstaaten erheblich verschärft wurden, was zu einer starken Reduzierung der Ausfuhr geführt hat. Auch wird es grundsätzlich keine Genehmigung von Lizenzproduktionen deutscher Waffen in Drittländern mehr geben. Zur besseren Überprüfbarkeit gelieferter Rüstungsgüter werden sogenannte Post-Shipment-Kontrollen für eine effektive Endverbleibskontrolle eingeführt.
Der letzte SPD-Bundesparteitag vom 10.-12.12.2015 hat des Weiteren u.a. in einem Beschluss folgendes bekräftigt:
„Diese verantwortungsvolle Politik eines restriktiven und transparenten Umgangs mit Rüstungsexporten gilt es weiter fortzusetzen. Dies bedeutet auch, dass weitere gesetzliche Regelungen zu prüfen sind. Auch erfordert die permanente technische Weiterentwicklung von Waffen, einhergehend mit der Gefahr des Missbrauchs nach dem Export, die regelmäßige Überprüfung ihrer jeweiligen Klassifizierung, die für die Ausfuhrgenehmigung relevant sind. Dies kann auch bedeuten, dass zukünftig noch mehr Rüstungsgüter in die strengere Kategorie der „Kriegswaffen“ aufgenommen werden müssen.
Um den Export von Rüstungsgütern generell weiter zu beschränken, wollen wir uns im Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgebern außerdem entschlossen dafür einsetzen, verstärkt Möglichkeiten zur Konversion der Produktion von Rüstungsgütern in den nichtmilitärischen Bereich auszuloten und in der Praxis umzusetzen. Das Bundeswirtschaftsministerium legt 2016 erstmals ein Förderprogramm für die Diversifizierung der Produktion in den zivilen Bereich auf.“
Für die SPD ist und bleibt klar: Verantwortung in der Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik schließt auch die Zurückhaltung beim Export von Rüstungsgütern mit ein. Deshalb befindet sich auch in den o.g. „Politischen Grundsätzen“ der Satz und das damit bestehende grundsätzliche Prinzip: „Der Export von Kriegswaffen (nach KWKG und AWG genehmigungspflichtig) wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen.“
Damit, so denke ich, ist deutlich, dass Rüstungsgüter nur nach sehr strengen Kriterien und nach dem Grundsatz größter Zurückhaltung ausgeführt werden dürfen. Und dies gilt besonders für die von Ihnen angesprochene Region. Immer ist eine sorgfältige abgewogene Einzelfallentscheidung zu treffen. Dabei haben für die SPD und mich außen- und sicherheitspolitische Erwägungen haben immer Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Auch schwierige Einzelfallentscheidungen müssen vor diesem Anspruch bestehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Franz Thönnes