Frage an Franz Thönnes von Hermann Z. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Thönnes,
über Lobby Control erfuhr ich über das Projekt Freihandelsabkommen USA-EU, in welchem nach Wunsch der USA unser starker Verbraucherschutz aufgeweicht werden soll. Dies betrifft hauptsächlich die Gentechnik sowie weitere Einschränkungen in der allgemeinen Lebensmittelaufbereitung und der Förderung von ÖL und Gas (Fracking). Lobby Control hat recherchiert, daß hinter diesem Projekt die grössten Lobbyisten der USA stecken. Die Verhandlungen wurden bereits unter starker Geheimhaltung seit einem Jahr mit der EU durchgeführt. In der Presse ist hiervon wenig zu lesen. Trotzdem fand ich eine kleine Kurznachricht, daß Veröffentlichungen erst nach der EU-Wahl erscheinen sollen. In einem Politikmagazin wurde dieser Missstand bereits gesendet, mit dem Hinweis, daß selbst das EU-Parlament nur über Umwege scheibchenweise informiert wird.
Als Beispiel sei genannt: die USA hat mit Peru ein ähnliches Abkommen und betreiben in Peru einem Bergwerk welches Blei in Mengen freilässt. Hierdurch wurden bereits in der Umgebung Todesfälle durch Bleivergiftung in erheblichen Maß festgestellt. Die betroffene Region hat darauf reagiert und die Betreiber aufgefordert entsprechende Filter einzusetzen. Der Aufforderung wurde nicht entsprochen. Im Gegenzug wurde von einem "Gericht" in den USA festgesetzt, daß die Region dem Betreiber einen geschätzten Schadensersatz in Millonenhöhe zahlen muss weil die Produktion gedrosselt wurde !
Das o.ang. Magazin stellte fest, daß es in dem "Gericht" keine Richter gibt! Vielmehr sitzt hier eine kleine Gruppe von Rae., welche wahrscheinlich von den Lobbyisten bestimmt werden.
Frage: was passiert z.B. wenn ein Staat der EU das sogen. Fracking gesetzlich verbietet?
Nach o.gen. Beispiel muss dieser Staat den Konzernen dann einen imaginären Schadensersatz wegen Minderproduktion zahlen, welche sich dann mindestens in Millionenhöhe bewegen wird.
Sehr geehrter Herr Zornow,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch.de.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist vereinbart worden, dass wir einen Erfolg bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) anstreben. Internationale Handelsabkommen haben für die SPD immer eine hohe Priorität gehabt. Die Globalisierung braucht grenzüberschreitend anerkannte und durch internationales Recht durchsetzbare Regeln. Das ist nicht zuletzt auch eine Lehre der Finanz- und Wirtschaftskrise. Gerade auch in früherer Regierungsverantwortung haben wir vielfältige Anstrengungen unternommen, neue internationale Standards zu entwickeln und mit unseren Partnern zu mehr Rechtssicherheit zu kommen. Hier kann die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie sich an europäischen Werten und Normen orientiert.
Die Verhandlungen hierüber werden auf der Grundlage des Endberichtes der beim EU-US-Gipfeltreffen im November 2011 gegründeten hochrangigen Arbeitsgruppe für Arbeitsplätze und Wachstum und nach Maßgabe des vom EU-Handelsministerrat erteilten Mandates vom Juni 2013 durch die Kommission geführt. Verhandlungsführer auf europäischer Seite ist Handelskommissar Karel de Gucht, auf amerikanischer Seite der US-Handelsbeauftragte Michael Froman. Die Bundesregierung ist über den handelspolitischen Ausschuss beteiligt, in dem die Kommission detailliert Bericht erstattet.
Seitdem wurden in drei Runden sowohl in Washington als auch in Brüssel alle Verhandlungsthemen besprochen. Eine politische Bestandsaufnahme am 17. und 18. Februar 2014 zwischen Kommissar De Gucht und Michael Froman hat den erreichten Stand bewertet und deutlich gemacht, dass in diesem Jahr die Gespräche in die konkrete Phase treten werden. Dafür sind fünf Verhandlungsrunden in 2014 vorgesehen. Ein Abschluss ist kaum vor Ende nächsten Jahres zu erwarten.
Das Abkommen kann gerade in der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise und bei der hohen Arbeitslosigkeit in einigen EU-Mitgliedsstaaten Chancen für die europäische und US-amerikanische Wirtschaft bieten. Ein einfacher Marktzugang, der Abbau von Zöllen und die Harmonisierung industrieller Normen würden nicht nur den Unternehmen helfen Kosten einzusparen, sondern könnten auch zu Preisvorteilen für Verbraucher führen. Viele deutsche Unternehmen erhoffen sich zudem ganz konkrete Verbesserungen und Vereinfachungen beim Verkauf ihrer Produkte im weltgrößten Absatzmarkt. Qualitativ hochwertige Arbeitsplätze können so gesichert und auf beiden Seiten des Atlantiks geschaffen werden.
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft ist jedoch kein Selbstzweck. Für die SPD steht fest, dass es konsequent an bestehenden Standards ausgerichtet werden muss. Die Verhandlungen dürfen die Errungenschaften der EU im Bereich der Sozial-, Arbeits-, Umwelt-, Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsstandards nicht in Frage stellen. Im Gegenteil: Das hohe Schutzniveau für Verbraucher, Umwelt und Arbeit muss erhalten bleiben. Dasselbe gilt für das europäische Niveau von Verbraucherrechten und Datenschutzstandards. Auch hier gilt die Vereinbarung aus dem derzeitigen Koalitionsvertrag, wonach bei einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA die hohen Standards weiter Geltung behalten.
In dem „acquis communautaire“ der EU sind alle Rechte und Pflichten geregelt, die für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind. Darin enthalten sind ebenso hohe Bestimmungen zur Produktsicherheit wie auch die des Arbeitsschutzes und die Standards der „International Labor Organisation“ (ILO). Gerade auch die Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen bei europäischen Handelsabkommen haben wir im Koalitionsvertrag verankert, denn Freihandel darf nicht zum Einfallstor für Lohn- und Sozialdumping werden. Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen stellt soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte sicher. Die Beibehaltung dieser Standards ist im Verhandlungsmandat ausdrücklich vorgesehen. Uns ist wichtig, dass das auch während der ganzen Verhandlungen – und im Ergebnis – so bleibt.
Darüber hinaus fordern wir die Einbeziehung der Anliegen von Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbänden und Forschungseinrichtungen. Dies ist für einen erfolgreichen Abschluss außerordentlich wichtig. Denn TTIP ist ein Projekt, welches der breiten Bevölkerung und den Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks zugutekommen soll. Sowohl die EU-Kommission als auch die EU-Mitgliedstaaten stehen daher in engem Kontakt mit den unterschiedlichen Interessensvertretern und informieren regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass auch die amerikanische Seite der Veröffentlichung ihrer Dokumente für die EU-Mitgliedsstaaten zustimmt.
TTIP ist längst in der öffentlichen Debatte angekommen. In der jetzigen Phase vor den eigentlichen Verhandlungen erreichen uns vor allem kritische Stimmen, wie auch von Ihnen. Die SPD setzt sich für größtmögliche Transparenz, auch über sensible Verhandlungspunkte wie dem Investitionsschutz ein.
Hierunter fällt auch das von Ihnen angesprochene Thema der „Schiedsgerichte“. Der SPD-Parteivorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat deutlich gemacht, dass er diese beim TTIP nicht für notwendig hält, weil die Rechtssysteme der USA und der EU den Investoren ausreichenden Schutz bieten.
Darüber hinaus hat Martin Schulz, der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Europawahl am 25. Mai 2014, deutlich gesagt, dass es mit der SPD kein Klagerecht für Unternehmen vor Geheimgerichten zu Lasten des Allgemeinwohls geben wird. Und sollte er zum Kommissionspräsidenten gewählt werden, wird er sich für mehr Transparenz einsetzen und unter anderem die Verhandlungsdokumente veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes