Frage an Franz Thönnes von Uwe R. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Thönnes,
nach letzten Informationen wird Ihre Fraktion den Plänen der Regierung hinsichtlich € Rettung zustimmen. Sie machen sich als SPD auch stark für EuroBonds.
Herr Gabriel wiederholt immer die Überwachung und die Verknüpfung mit gesetzlichen Vorschriften.
Diese gab es auch schon in der Vergangenheit - was hat es gebracht?
Stimmen Sie als gewählter Vertreter des Volkes der Vorlage zu?
Wie sollen die Bürger vertrauen dass es zukünftig keine Verstösse geben wird bzw. welche Folgen hätten diese für die Verursacher?
Herzlichen Dank.
Uwe Roesger
Sehr geehrter Herr Roesger,
vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch.de zum Thema Europäischer Stabilitäts-Mechanismus.
Einige Länder der Europäischen Union befinden sich derzeit in einer sehr schwierigen finanziellen Situation. Am 8. April 2011 hat Portugal einen offiziellen Hilfsantrag für Mittel aus dem Rettungsfonds an die Europäische Union gestellt. Nach dem Scheitern eines weiteren Sparpakets im Parlament und dem Rücktritt der Regierung waren offenkundig alle Versuche gescheitert, die staatliche Finanzierungskrise aus eigener Kraft zu schultern. Vor diesem Hintergrund diskutierte der Deutsche Bundestag am 12. Mai 2011 über den Hilfsantrag und beschloss Finanzhilfen von bis zu 78 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diesem Anliegen ebenfalls zugestimmt. Auch Griechenland hat bereits Unterstützung bekommen und wird weitere in Anspruch nehmen müssen. Diese Mittel wurden und werden aus dem vorläufigen europäischen Rettungsschirm (EFSF) bereitgestellt.
Um langfristig für solche Situation vorbereitet zu sein und als Gemeinschaft nach klaren Regeln handeln zu können, haben sich die Länder der Europäischen Union für die Einrichtung eines Europäischen-Stabilitäts-Mechanismus (ESM) entschieden. Hierzu liegt ein Vertragsentwurf vor, der aktuell diskutiert und Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres im Deutschen Bundestag behandelt wird. Vorgesehen ist seine Einrichtung für Juni 2013. Auch wenn die genaue Ausgestaltung noch ausformuliert werden muss, stehen die SPD-Bundestagsfraktion und auch ich persönlich grundsätzlich zu der Einrichtung des ESM.
Grund hierfür ist, dass die erfolgreiche Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ohne Europa und ohne die europäische Integration anders verlaufen wäre. Ausdruck hierfür sind nicht zuletzt die erstmalig über 60-jährige Dauer von Frieden auf deutschem Boden sowie unserer Wohlstand, den wir ohne unsere Exporte in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht erreicht hätten. Für die SPD steht daher fest, dass wir Europa wollen und brauchen, wohlwissend, dass es durchaus noch Defizite und Unzulänglichkeiten gibt, an denen gearbeitet werden muss.
Darüber hinaus liegt die Rettung des Euro im ureigensten deutschen Interesse. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, denn mit der Abwertung der anderen Währungen würde die D-Mark aufgewertet. Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Aber gut über 40 Prozent unserer Exporte gehen in die Eurozone. Ließen wir diese zerbrechen, würden die deutschen Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für unser Land wäre kaum abzuschätzen. Griechenland und Portugal dürfte damit erst recht nicht geholfen sein. Durch die Abwertung und damit Schwächung ihrer Währung wären Griechen und Portugiesen noch viel weniger in der Lage, ihre Auslandsschulden in Fremdwährung zurück zu zahlen – auch nicht die an Deutschland.
Die Rettung der Eurozone gibt es nicht zum Nulltarif. Aber ihr Zusammenbruch würde uns weit mehr kosten, nämlich die immense Schwächung unserer Wirtschaft und der deutschen Banken bis hin zur Betroffenheit ihrer Anleger quer durch alle Bevölkerungsschichten. Mit der Rettung der Eurozone fördern wir Wachstum in allen Ländern, sichern Beschäftigung und Wohlstand.
Grundsätzlich gilt aber, dass es für die SPD nicht akzeptabel ist, den Steuerzahler als Generalbürgen für die Folgelasten der Krise haften zu lassen, ohne die Finanzakteure substanziell zu beteiligen.
Deshalb fordern wir weiterhin die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die nichts anderes als eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte ist. Sie kann mit dazu beitragen, dass nicht allein Staatsgarantien bei der Rettung von unterkapitalisierten Banken in Anspruch genommen werden. Außerdem brauchen wir eine ausgewogene Gläubigerbeteiligung, damit Länder wie Griechenland oder Portugal wirtschaftlich nicht durch die Zinsschraube stranguliert werden. Ebenso notwendig ist auf europäischer Ebene eine Banken- und Finanzmarktregulierung.
Des Weiteren setzt die SPD auf einen sozialen Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa als Antwort auf das konservativ-liberale reine Wettbewerbsmodell. Unser Ziel ist eine demokratische und soziale Wohlstandsunion. Dazu gehören u.a. auch europaweite Mindestlöhne sowie eine Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage mit einem Mindestsatz zur Vermeidung von Steuerdumping. Letzten Endes kann es nur eine nachhaltige Lösung der Krise geben, wenn nicht nur Deutschland, sondern auch wachstumsschwächere Euro-Länder neue Impulse wirtschaftlicher Entwicklung setzen können. Das ist eine Aufgabe, die diese Länder selbst angehen müssen, aber Europa darf sie dabei nicht allein lassen.
Bei allen auf europäischer Ebene zu treffenden Entscheidungen besteht aber natürlich ein Zielkonflikt zwischen schneller Wirksamkeit der Maßnahmen und notwendiger demokratischer Legitimierung. Für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass eine engere Abstimmung in der Eurogruppe ökonomisch sinnvoll und wünschenswert ist. Sie darf aber nicht nur auf Ebene der Staats- und Regierungschefs stattfinden.
Aus diesem Grund brauchen wir ein schlüssiges Gesamtkonzept, mit dem die parlamentarische Begleitung durch den Deutschen Bundestag mittel- und langfristig auf ein neues Fundament gestellt wird. Diese kann sich nicht allein darauf erstrecken, Mittel freizugeben, sondern sollte den Prozess der Koordinierung kontinuierlich politisch begleiten. In dieser Position wurden wir durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 7. September 2011 bestärkt.
Wie am Beginn meiner Antwort bereits dargestellt, kann ich mir grundsätzlich vorstellen für die Einrichtung des ESM zu stimmen. Dabei sind die ebenfalls ausgeführten Voraussetzungen sehr wichtig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich hierzu deutlich positioniert und am 10. Juni 2011 einen Gesetzesentwurf mit dem Titel „Stabilität der Eurozone sichern – Reformkurs in Griechenland vorantreiben“ eingebracht. Leider wurde dieser von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Er zeigt aber die grundsätzlichen Vorstellungen von meiner Fraktion und mir. Insbesondere die von uns eingeforderten Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte des Parlaments müssen nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgesetzes umgesetzt werden. Den Antrag füge ich Ihnen zur Information bei.
Mit freundlichen Grüßen