Frage an Franz-Josef Jung von Torsten H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister,
bislang hielt ich den Einsatz in Afghanistan für notwendig und richtig, doch eine Meldung über ein neues Gesetz (http://www.20min.ch/news/ausland/story/US-Statthalter-erlaubt-Vergewaltigung-in-der-Ehe-10153111) verschlägt mir die Sprache.
Können Sie mir erklären wieso deutsche Soldaten in Afghanistan ein Land, eine Regierung und ein System beschützen sollen, in dem nicht nur Frauen entrechtet und zur Vergewaltigung freigegeben werden, in dem auch der Drogenanbau nicht wirkungsvoll bekämpft wird sondern in dem sogar Islam-Apostaten und -Kritiker zum Tode verurteilt werden.
Wie wollen sie die Opfer deutscher Soldaten rechtfertigen, wenn die damit gestützte Regierung noch nicht einmal die elementarsten Menschenrechte achtet?
Selbst unter Karsai gibt es weder Meinungsfreiheit, noch Religionsfreiheit, noch die Selbstbestimmung (auch sexuelle) der Frau. Die demokratische Legitimierung ist dabei doch völlig unerheblich, sind die Gesetze dieses Regimes ja jeder verbrecherischen Diktatur würdig.
Was beschützen deutsche Soldaten denn dort überhaupt noch? Kann es unter den Taliban überhaupt noch nennenswert schlimmer werden?
Ist die logische und prinzipiell auch zu befürwortende Solidarität gegenüber unseren Verbündeten auch angesichts dieser Schandgesetze überhaupt noch vertretbar? Wie können Sie die Unterstützung solcher Gesetze, denn nichts anderes passiert wenn deutsche Soldaten die Regierung schützen, vertreten?
Hochachtungsvoll,
Torsten Heinrich
Sehr geehrter Herr Heinrich,
für Ihre Anrage zum Afghanistaneinsatz im Rahmen von „Abgeordnetenwatch“ danke ich Ihnen.
Die Zielsetzung des deutschen zivilen und militärischen Engagements in Afghanistan hat die Bundesregierung in ihrem aktualisierten Afghanistan-Konzept im September 2008 eindeutig beschrieben. Die internationale Gemeinschaft unterstützt mit zivilen und militärischen Maßnahmen den Prozess der „Staatenbildung“ und trägt zu einem möglichst sicheren Umfeld bei, damit Afghanistan nicht wieder zu einem Rückzugsgebiet des internationalen Terrorismus wird. Dies ist ein langjähriger Prozess und erfordert Geduld.
Auftretende kontroverse Fragestellungen werden in den internationalen Gremien und im Dialog mit den afghanischen Partnern diskutiert. Dies trifft auch auf den von Ihnen zitierten Gesetzentwurf zu. Am 8. April 2009 erklärte der afghanische Präsident Karzai, dass er einen Prozess zur Korrektur des sogenannten Familiengesetzes in Gang gesetzt hätte. Das afghanische Justizministerium hat auf Weisung des Präsidenten eine Überprüfung des Gesetzes und seiner Vereinbarung mit der afghanischen Verfassung, internationalen Verträgen und der Rechtsordnung der Sharia angeordnet. Diese Entwicklung ist Ausdruck der Einsicht, dass die afghanische Gesetzgebung internationalen Grundlagen genügen muss.
Die afghanische Regierung hat ein Konzept zur Bekämpfung des Drogenanbaus entwickelt und seit 2003 eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um die Ursachen für den Drogenanbau zu bekämpfen. Diesen Ansatz gilt es zu intensivieren. Die wesentlichen Ursachen für Drogenanbau sind unverändert die herrschende Armut und weit verbreitete Korruption. Letztere verhindert eine effektive Umsetzung erlassener Gesetze und beschlossener Konzepte. Die Ursachen können nur durch einen umfassenden Ansatz und mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bekämpft werden. Dies benötigt Zeit, eine kurzfristige Verbesserung ist hier nicht zu erwarten.
Die afghanische Regierung ist durch das afghanische Volk legitimiert. Freie, demokratische Wahlen werden auch in diesem Jahr durchgeführt, um den Präsidenten zu wählen. Die Gesetzgebung findet in einem demokratischen Rahmen statt, der internationalen Standards genügt. Es gibt ein sogenanntes Unter- und Oberhaus, welche die „Nationalversammlung“ (National Assembly) bilden. Die Vertreter dieser Kammern werden direkt gewählt. Unstrittig bleibt, dass die Durchsetzung bzw. Umsetzung beschlossener Gesetze in Afghanistan durch traditionelle Stammesstrukturen, eine radikale Islamauslegung sowie durch den Einfluss von Taliban und von kriminellen Elementen in manchen Regionen erschwert
wird.
Deutschland wird dabei auch weiterhin sein Engagement in einem ganzheitlichen Ansatz fortsetzen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung