Frage an Franz-Josef Jung von Mark V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Jung,
ich habe einige Fragen an Sie, die sich aus Ihrer Antwort(28.08.2007) auf die Frage von Herrn Gerd Lange(22.05.2007) ergeben haben:
Die Vereinigung Al - Kaida gründete sich während des afghanischen Widerstandes gegen den völkerrechtswidrigen Überfall der damaligen Sowjetunion. Wie kommen Sie auf die Idee, dass deren Anführer Osama Bin Laden einen islamischen Gottesstaat errichten will?
Wie kommen Sie auf die Idee, dass das westliche System und die westliche Werteordnung zwangsweise auch automatisch für alle anderen Länder der Welt gelten müssen?
Wie kommen Sie darauf, dass die Anschläge in London und Madrid, die beide ausschließlich gegen damals völkerrechtswidrig gegen den Irak kriegführende Nationen verübt wurden, einen Generalangriff auf den Westen waren?
Falls Sie das Völkerrecht kennen, weshalb ignorieren Sie dann den amerikanischen Imperialismus, der sich in EUCOM, AFRICOM und anderen Kommandostrukturen präsentiert, und unterstützen es sogar noch, dass dieses Volk von deutschem Boden aus die halbe Welt überfällt, und terrorisiert?
Wieso wundern Sie sich dann noch über einen gewissen Osama Bin Laden, und seinen imaginären Gottesstaat?
Mit freundlichen Grüssen
Mark Vautz
Sehr geehrter Herr Vautz,
für Ihre Anfrage und die darin enthaltenen Anmerkungen zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr danke ich Ihnen.
Da sie in Ihrer Anfrage bereits auf mein Antwortschreiben an Herrn Lange aus dem August 2007 Bezug nehmen, gehe ich davon aus, dass Sie bereits Kenntnis meiner Erläuterungen zu den rechtlichen Grundlagen des Einsatzes besitzen, so dass ich im Weiteren darauf nicht einzugehen brauche.
Al-Quaida ist eine internationale Terrororganisation, die nicht allein durch den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 für den Tod vieler unschuldiger Menschen in der ganzen Welt, unabhängig von Herkunft und Religion, verantwortlich ist. Bereits 1999 haben die Vereinten Nationen die damalige afghanische Regierung aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen dem terroristischen treiben Al-Quaidas Einhalt zu gebieten. Da dies nicht geschah, und der weltweite Terrorismus mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika einen Höhepunkt ohne Gleichen erfuhr, entschied die Weltgemeinschaft, die Terrorgruppen und deren Rückzugsgebiete in Afghanistan zu zerschlagen und Afghanistan nach Jahren des Krieges die Möglichkeit zum Neubeginn zu geben.
Dabei geht es darum, einer durch das Volk legitimierten afghanischen Regierung die Möglichkeit zu geben, aus eigener Kraft seinen Bürgern ein Leben in Frieden und Freiheit zu gewährleisten. Die internationale Gemeinschaft unterstützt mit einer Vielzahl von Maßnahmen. Dazu zählt auch die Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. Mittelfristig sollen diese durch Unterstützung mit Ausbildung und Ausrüstung dazu befähigt werden, die Sicherheit in Afghanistan selbständig zu gewährleisten. Eingebettet sind diese Maßnahmen in ein vernetztes Konzept, in dem alle Akteure unter der Führung der Vereinten Nationen ihren Beitrag leisten.
Auch die USA haben sich diesem von der Bundesregierung mitentwickelten vernetzten Ansatz verschrieben. Ihre Stationierungsorte in Deutschland sowie ihr Anteil in den in Deutschland ansässigen NATO-Hauptquartieren sind dabei Ausdruck des gemeinsamen Wunsches, durch geeignete Maßnahmen Krisenprävention dort zu betreiben, wo sie notwendig erscheint. Afghanistan ist dabei nur eine Facette einer wesentlich komplexeren weltpolitischen Lage, wie nicht zuletzt auch die Krisen in Georgien, Libanon, Kongo oder Darfur gezeigt haben. Darin sind wir uns mit unseren Partnern in der EU, der NATO und der OSZE einig.
Afghanistan hat in den letzten acht Jahren deutliche Entwicklungsschritte im Sinne der Petersberger Konferenz von 2001 und der Londoner Konferenz aus dem Jahre 2006 mit dem damals beschlossenen Afghan Compact vollzogen. Insbesondere in diesem Jahr zeigt der Verlauf der Vorbereitung der Präsidentschafts- und Provinzratswahlen deutliche und ermutigende Anzeichen dieser Fortschritte.
Unstrittig bleiben weitere Herausforderungen im Prozess der Staatenbildung, zu deren Lösung Afghanistan weiter der internationalen Unterstützung bedarf, die eine militärische Komponente einschließt. Diese derzeit notwendige Hilfe werden wir im Rahmen geschlossener Vereinbarungen zur Umsetzung gemeinsamer Konzepte der internationalen Staatengemeinschaft und der afghanischen Regierung leisten.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung