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Franz-Josef Jung
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Frage von Christoph B. •

Frage an Franz-Josef Jung von Christoph B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Jung,
laut einer Studie der OECD haben Länder, die an der Wehrpflicht festhalten ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum (ca. 0,25%). Bezogen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2007 wären dies rund sechs Mrd. Euro. Die oft hervorgebrachte Aussage, dass die Wehrpflicht Geld spart und eine Berufsarmee deutlich teurer wäre ist eine betriebswirtschaftliche Sicht. Volkswirtschaftlich betrachtet ist sie ein Milliardengrab (siehe oben). Wieso halten Sie angesichts dieser Tatsachen immer noch so starr am Wehrpflichtmodell fest? Und bitte antworten Sie nicht pauschalisierend mit "...die Wehrpflicht hat sich auch unter den wechselden Sicherheitsbedigungen bewährt, sie ist die intelligentere Wehrform...". Bitte untermauern Sie Ihre Antwort mit konkreten Zahlen und Fakten.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Büttcher

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Sehr geehrter Herr Büttcher,

die von Ihnen genannte Studie stammt vom Helsinki Center of Economic Research (HECER) und wurde im Juni 2008 als sog. Diskussionspapier herausgegeben. Sie befasst sicht mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Bestehens einer Wehrpflichtarmee und betrachtet dazu 21 der OECD-Staaten. Wegen ihrer besonderen politischen und geschichtlichen Situation innerhalb des Untersuchungszeitraumes (Wiedervereinigung) wurde die Bundesrepublik Deutschland in der Studie ausdrücklich ausgenommen.

Die Bundesregierung stimmt weder mit dem Ausgangspunkt noch mit dem Ergebnis dieser Studie überein. Die Bewertung der Lebenszeit junger Menschen wird in der Studie allein an dem potentiellen Gehalt gemessen, das sie am Ende ihres Berufslebens zu erwarten haben. Abgesehen von den zahlreichen Unsicherheitsfaktoren, nicht zuletzt angesichts der zu langen Zeiträume, um die es für heute ca. 20 Jahre alte Männer geht, muss die Bewertung der Lebenszeit junger Menschen grundsätzlich anders ausfallen, als dies unter rein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist. Deutlich wird dies an der Parallele einer freiwilligen Dienstleistung: nach der Logik der Studie ist jede Form der freiwilligen Dienstleistung junger Menschen ein volkswirtschaftlicher Schaden, der sich genau so oder -- angesichts der Dauer von Entwicklungsdiensten oder Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahren -- noch gravierender als die Folge der Ableistung eines Pflichtdienstes auswirkt.

Diese Schlussfolgerung greift erheblich zu kurz: ein Freiwilligendienst ist ein großer Gewinn nicht nur für jeden jungen Menschen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Deshalb unterstützt die Bundesregierung alle jungen Menschen, die eine bestimmte Zeit ihres Lebens nicht auf die Erzielung materieller Güter ausrichten, sondern sich für einen Dienst am Nächsten, an der Natur oder zur Hilfeleistung in unterentwickelten Regionen unserer Erde zur Verfügung stellen. Weder der volkswirtschaftliche noch der individuelle Wert eines solchen Dienstes kann dadurch ermessen werden, dass er mit "Null" angesetzt und der vermeintliche Einkommensausfall in einem hypothetischen letzten Berufsjahr dagegen gerechnet wird.

Genau dies gilt auch für den Effekt der allgemeinen Wehrpflicht, ob sie nun in Form von Grundwehrdienst oder Zivildienst erfüllt wird: Auch hier sind neben der entscheidenden Funktion, die Sicherheit unseres Landes, die positive Prägung der jungen Männer, die Möglichkeit der Persönlichkeitsbildung, der Berufswahl, der Motivation und der Erwerb von Sozialkompetenzen zu berücksichtigen.

Auch unter diesen Gesichtspunkten hat sich die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland unter wechselnden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen bewährt und wesentlich zum hohen Ansehen der Bundeswehr beigetragen. Die Wehrpflicht bildet weiterhin eine wesentliche Klammer zwischen den Streitkräften und der Gesellschaft.

Die Entscheidung für eine bestimmte Wehrform beruht daher in erster Linie bewusst nicht auf ökonomischen Überlegungen. Der Gesetzgeber hat mit seiner Entscheidung für eine Wehrpflichtarmee, eine grundlegende staatspolitische Entscheidung getroffen, bei der neben verteidigungspolitischen Gesichtspunkten auch allgemein-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gründe zu bewerten und gegeneinander abzuwägen waren.

Der Bundesregierung liegen auch keine Untersuchungen vor, die einen Verlust an Kaufkraft, Steuern und Sozialabgaben wegen des Wegfalls von neun Monaten Erwerbsvergütung querschnittlich ermitteln. Unabhängig von bereits erwähnten positiven Auswirkungen, der Ableistung von Pflichtdiensten, auch für den Dienstpflichtigen selbst, müssten Gegenstand einer solchen Untersuchung auch die Ersparnisse für die Volkswirtschaft sein, die sich z.B. aus der Einberufung junger Arbeitsloser oder Abiturienten mit Wartezeit auf einen gewünschten Studienplatz ergäben.

Die Studie berücksichtigt, wie bereits ausgeführt, die Verhältnisse in Deutschland ausdrücklich nicht. Sie kann bereits deshalb, aber auch aus den oben angeführten Gründen nicht zu einer Änderung der Wehrform in unserem Land führen.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung