Frage an Franz-Josef Jung von Bernhard K. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Jung,
heute erscheint die Aussage von Ihnen, dass unsere Truppen in Afghanistan durch eine Diskussion über deren Abzug gefährdet würden. Die bloße Anwesenheit unserer Truppen in Afghanistan gefährdet unsere Truppen allerdings auch - wie am Beispiel des 29-jährigen Kriegstoten von letzter Woche.
Wie wollen Sie diesen logischen Widerspruch lösen?
Gibt es in der Bundesregierung eine klar definierter Ziel-Zustand, auf den sämtliche Aktionen der deutschen Truppen ausgelegt sind, und der dann einen kompletten Abzug unserer Truppen rechtfertigt?
Gibt es andererseits auch ein Worst-Case-Szenario, das einen sofortigen Abzug aller deutschen Truppen nach sich ziehen würde?
Hat die Bundesregierung überhaupt klar definierte Ausstiegs-Szenarien für Afghanistan oder herrscht mehr die auch bei der Bundeskanzlerin angewandte Technik des Aussitzens?
Wie viele im Krieg im Afghanistan gefallene deutsche Soldaten stellen die "Schmerzgrenze" für Afghanistan dar ?! 10? 50? 100? Tausende? Wäre der Tod so vieler deutscher Soldaten das Ziel dann überhaupt noch wert?
mit freundlichen Grüßen,
Bernhard Köglmeier
Sehr geehrter Herr Köglmeier,
für Ihre Email vom 3. September 2008 danke ich Ihnen.
Die Stabilisierung von und der Wiederaufbau in Afghanistan stellen ohne Frage eine gewaltige Herausforderung für die internationale Gemeinschaft dar.
Nach fast 30 Jahren Krieg war Afghanistan politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr handlungsfähig und wurde zum Rückzugs- und Ausbildungsgebiet für Kräfte des internationalen Terrorismus. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich deshalb im Jahre 2001 dazu verpflichtet, Afghanistan eine Perspektive für eine friedliche Zukunft zu eröffnen. Durch den Einsatz der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF soll dazu beigetragen werden, ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem die afghanische Regierung sowie internationale Hilfsorganisationen den Wiederaufbau des Landes gestalten können.
Dass dieser Auftrag gefährlich ist, gilt unbestritten. Wir wissen, dass eine innenpolitische Diskussion über unser Engagement in Afghanistan notwendig und auch gewünscht ist, dies aber seitens militanter Kräfte in Afghanistan als mangelnder Wille zum weiteren Engagement gedeutet werden könnte. Eine unsachliche Diskussion mit einer einseitig erhobenen Forderung nach dem Abzug unseres ISAF Kontingents bürge sogar die Gefahr in sich, dass militante Kräfte versucht sein könnten, durch Anschläge auf unsere Soldatinnen und Soldaten unsere Entschlossenheit zu beeinträchtigen und damit den Abzug unseres Kontingents zu provozieren.
Die Bundesregierung ist entschlossen, vor dem Hintergrund positiver Entwicklungen aber auch erlittener Rückschläge, Afghanistan im Rahmen eines langfristigen und nachhaltigen Engagements weiter zu unterstützen. Dieses hat die Bundesregierung deutlich in dem, im September 2008 fortgeschriebenen, Afghanistan-Konzept festgelegt. Ziel bleibt es, die bisherigen Erfolge beim Wiederaufbau zu konsolidieren und auszubauen, damit das Engagement der Afghaninnen und Afghanen sowie der internationalen Gemeinschaft in einen dauerhaften Frieden, wirtschaftliche Stabilität und ein verantwortungsbewusstes Staatswesen münden.
Das Ziel in diesem langdauernden Prozess ist zwar noch nicht erreicht, allerdings lassen sich doch viele erfolgversprechende Entwicklungen erkennen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft in ihrem Engagement -- auch dem militärischen -- nicht nachlässt. Eine Beendigung des militärischen Engagements in Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt würde den Stabilisierungs- und Aufbauprozess gefährden, Instabilitäten erzeugen und letztlich auch die Sicherheit Deutschlands beeinträchtigen.
Schritt für Schritt soll die Verantwortung für die Sicherheit in die Hände der afghanischen Sicherheitskräfte übergeben werden. Erst wenn diese in der Lage sind, alleine für die Sicherheit in Afghanistan sorgen zu können, kann das internationale militärische Engagement in Afghanistan beendet werden. Somit bildet die Stärkung der afghanischen Sicherheitskräfte eine bedeutsames Element und eine wesentliche Vorrausetzung für eine Reduzierung des internationalen militärischen Engagements.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Franz Josef Jung