Frage an Franz-Josef Jung von Andreas P. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Franz Josef Jung,
ich musste heute leider unter Spiegel Online ( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,556191,00.html ) lesen, dass Sie für einen Spielraum bis 2015 zur Abschaffung von Streuwaffen seien, da Sie vorher keine Alternativen hätten. Doch warum benötigt man Ersatz für solch eine menschenverachtende Waffe? Sie hätten auch Verpflichtungen Deutschlands in der NATO angesprochen. Sind Sie tatsächlich der Meinung, Deutschland oder ein anderer Staat dürfe so eine schreckliche Waffe noch gegen Menschen einzusetzen? Oder wie soll ich das verstehen?
Ich hoffe, dass die Streuwaffenbestände der Bundeswehr unverzüglich unschädlich gemacht werden, es weitere Abrüstungen geben wird und dass Deutschland den Druck auf die Regierungen erhöht, die weiterhin gegen eine Abschaffung sind (also unter anderem USA, Russland, China und Israel).
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Preiß
Sehr geehrter Herr Preiß,
das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Streumunition und über deren Vernichtung, das in Dublin am 30. Mai 2008 angenommen worden ist, stellt einen wichtigen Meilenstein zur Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts dar. Die Bundesregierung sieht sich damit in ihrem nachhaltigen Engagement zum umfassenden Verbot dieser Waffenkategorie, die in der Vergangenheit auch unsagbares Leid unter der Zivilbevölkerung verursacht hat, bestätigt.
Deutschland hat in den Bemühungen um ein wirksames Streumunitionsverbot seit 2001 eine Vorreiterrolle gespielt und seit 2004 die diplomatischen Bemühungen für ein Streumunitionsverbot wesentlich mitgeprägt. Die Entscheidung der Bundesregierung vom 29. Mai 2008, mit sofortiger Wirkung einseitig auf den Einsatz von allen Streumunitionstypen zu verzichten und die noch vorhandenen Bestände schnellstmöglich zu vernichten, setzt Maßstäbe auch bei EU- und NATO-Mitgliedsstaaten.
Das Ergebnis aus Dublin wird auch vor dem Hintergrund begrüßt, dass 111 Staaten gemeinsam mit den Vertreten von Nichtregierungsorganisationen Klarheit geschaffen haben, was Streumunition ist. Wir haben jetzt eine eindeutige Verbotsdefinition von Streumunition, die humanitäre Aspekte in den Vordergrund stellt und alle bisher zum Einsatz gekommenen Streumunitionstypen verbietet. Begrüßt wird auch, dass es hiervon keine Ausnahmen gibt, sondern im Abkommen darüber hinaus sogar anspruchsvolle Vorgaben für Alternativmunition vorgesehen sind. Diese Vorgaben stellen sicher, dass hier kein Freibrief für neue, humanitär bedenkliche Munitionsentwicklungen ausgestellt wird. Zahlreiche Staaten hatten sich mehrfach für geringere technische Ansprüche ausgesprochen, denen wir erfolgreich widersprechen konnten.
Die bereits seit 2001 verfügbare und die noch in der Beschaffung befindliche Alternativmunition der Bundeswehr erfüllt alle Kriterien des Übereinkommens, ergänzt um höchste Standards zur Funktionszuverlässigkeit und Treffgenauigkeit. Die Bundesregierung bedauert, dass das Übereinkommen Faktoren der Funktionszuverlässigkeit und Treffgenauigkeit unberücksichtigt lässt. Deutschland hatte gemeinsam mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz stets empfohlen, den Schutz der Zivilbevölkerung, u.a. durch eine minimale Blindgängerrate zu untermauern.
Eine Übergangsperiode ist im Vertrag nicht vorgesehen. Diese hätte möglicherweise den bislang abseits stehenden Staaten mit großen Streumunitionsbeständen den Beitritt zum neuen Übereinkommen erleichtert. Dennoch glaubt die Bundesregierung, dass mit dem Übereinkommen eine Norm geschaffen wurde, die über den Kreis der Vertragsstaaten hinaus Wirkung entfalten wird.
Die Bundeswehr hat bereits in 2001 begonnen, Streumunition auszuphasen und durch die Industrie vernichten zu lassen. Über 50% der Streumunitionsmodelle (Bezugsjahr 2001) waren bereits vor Beginn der Dublin-Konferenz am 19. Mai 2008 aus den Einsatzbeständen entfernt und in die Phase der Vernichtung überführt worden. Entsprechend der Erklärung vom 29. Mai 2008 erfolgt nun die Vernichtung der restlichen Streumunitionsbestände vorzugsweise in dem dafür vorgesehenen anspruchsvollen Zeitrahmen von acht Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens.
Das Dubliner Ergebnis dürfte positiv auf die dreiwöchigen Verhandlungen im Juli 2008 im Rahmen des VN-Prozesses (Waffenübereinkommen) wirken. In diesem Forum sind die großen Streumunitionsbesitzerstaaten (u.a. China, Russland, USA, Indien, Pakistan, Israel, Brasilien) vertreten, die der Dublin-Konferenz ferngeblieben sind. Die Bundesregierung ist in beiden Prozessen gleichermaßen aktiv engagiert und betrachtet beide Prozesse als sich gegenseitig ergänzende und stärkende Foren. Es würde begrüßt, wenn bis Ende 2008 ein Protokoll zu Streumunition verabschiedet werden könnte, das zumindest ein sofortiges Exportverbot von Streumunition vorsieht.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung