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Franz-Josef Jung
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Frage von Maximilian B. •

Frage an Franz-Josef Jung von Maximilian B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Jung,

Sie reden von
"Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind."

Beziehen sie sich damit auf §129a StGB?:
"[...] wenn eine der [...] Taten bestimmt ist, [...] oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates [...] zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat [...] erheblich schädigen kann."

Welches Ausmaß müsste so ein Terroranschlag haben? Wäre ein Anschlag wie der auf das WTC in New York am 11. September 2001 darunter gefallen?

Könnten Sie diese abstrake Formulierung an einem Beispiel verdeutlichen?

Und wo genau wird der übergesetzliche Notstand definiert? Im Grundgesetz? Oder woanders?

Mit freundlichen Grüßen
Maximilian Baumgart

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Baumgart,

die Frage, ob es zur Zeit eine rechtliche Grundlage für den Abschuss unbemannter oder nur mit Terroristen besetzter Flugzeuge durch die Bundeswehr gibt, lässt sich leider nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Die Rechtslage ist insoweit auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 kompliziert und umstritten.

Das Bundesverfassungsgericht hat § 14 Abs. 3 LuftSiG, welcher eine Ermächtigungsgrundlage für den Abschuss von Luftfahrzeugen enthielt, die gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden sollten, für nichtig erklärt. Das Gericht stützt die Nichtigkeit auf zwei Säulen: Dem Bund fehle bereits die Gesetzgebungskompetenz für die Vorschrift. Überdies verstoße die Vorschrift gegen das Recht auf Leben in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), soweit sie die Tötung *unschuldiger Passagiere und Besatzungsmitglieder *erlaubt. Der Abschuss eines unbemannten oder nur mit Terroristen besetzten Flugzeugs verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen Grundrechte. Soweit er den Abschuss unbemannter oder nur mit Terroristen besetzter Flugzeuge erlaubt, ist § 14 Abs. 3 LuftSiG folglich allein aus kompetenzrechtlichen Gründen für nichtig erklärt worden (formelle Verfassungswidrigkeit).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz vom 15. Februar 2006 zwar festgestellt, dass der Abschuss eines mit unbeteiligten Personen besetzten und entführten Flugzeuges *auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG* unzulässig ist. Dies hat das Gericht einerseits mit kompetenzrechtlichen Erwägungen zu Art. 35 Abs. 2 und 3 GG (kein Einsatz spezifisch militärischer Waffen) und andererseits mit grundrechtlichen Erwägungen begründet (keine Tötung Unbeteiligter, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG).

Daneben hat das Gericht jedoch auch Raum für eine Gewissensentscheidung des Einzelnen gelassen. Dies ergibt sich aus einem deutlichen Hinweis im Text auf die strafrechtliche Würdigung eines solchen Abschusses. Wörtlich heißt es: „Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie ein gleichwohl vorgenommener Abschuss und eine auf ihn bezogene Anordnung strafrechtlich zu beurteilen wären./“ (Es folgen zahlreiche Literaturangaben zu Lagen des Notstandes, vergl. BVerfGE 115, 118/157.) Mit bemerkenswerter Eindeutigkeit bestätigt hat diesen Handlungsspielraum des Einzelnen der Berichterstatter des Urteils, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dr. Hömig, der in der FAZ vom 5. Januar 2007 so zitiert wird: „/Er (Hömig) habe darauf gehofft, dass es im letzten ein verantwortlicher Amtsträger auf sich nehmen würde, das Notwendige zu vollziehen und als Person die Last eines Rechtsverstoßes auf sich zu nehmen.“

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht es auch ausdrücklich offen gelassen, was bei Angriffen auf das rechtlich verfasste Gemeinwesen gilt, die auf den Zusammenbruch und die Zerstörung des „Staatsganzen“ abzielen. Das gilt auch für die Frage, ob es in solchen Fällen eine solidarische Einstandspflicht des Einzelnen geben kann. Wörtlich heißt es: „Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen dem Grundgesetz über die mit der Notstandsverfassung geschaffenen Schutzmechanismen hinaus eine solche solidarische Einstandspflicht entnommen werden kann. Denn im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 LuftSiG geht es nicht um die Abwehr von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind.“ (BVerfGE 115, 118/159).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Franz Josef Jung