Frage an Franz-Josef Jung von Alexander B. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Jung,
im Jahre 1986 hat die russische Luftwaffe eine koreanische Verkehrsmaschine abgeschossen, die sich (aus wohl bis heute nicht vollständig geklärten Gründen) in russischem Luftraum befand. Die Begründung damals lautete, die Maschine hätte eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dargestellt. In der damaligen UdSSR gab es eine (wie auch von Ihnen geforderte) Rechtsgrundlage FÜR diesen Abschuß. Der Vorfall führte in der westlichen Welt (auch bei uns) zu einem Aufschrei des Entsetzens und dem klassischen Fingerzeig auf den "bösen" russischen Bären der eine derartig abscheuliche Menschenrechtsverletzung ausführte. Nun müssen wir dieser Tage beobachten das sich ein Verteidigungsminister eben eines jener Staaten die damals so lauthals protestierten anschickt sich auf die selbe Stufe zu stellen. Auf die Stufe, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen für die vorsätzliche Tötung unschuldiger Menschen durch den Staat resultierend lediglich aus der Einschätzung das einige Personen unter diesen Menschen eine Bedrohung der inneren Sicherheit darstellen.
Selbst höchstrichterliche Rechtssprechung, daß solch ein Vorgehen NICHT mit unserer Verfassung vereinbar ist scheint sie nicht zu beeindrucken.
Ungeachtet der historischen "Vorbilder" frage ich mich wie sie es verantworten wollen über der dicht besiedelten Bundesrepublik eine Verkehrsmaschine abzuschießen und dabei wohl nicht weniger Opfer zu provozieren, als die Terroristen es bei erfolgreicher Ausführung Ihres Anschlags täten. Die Bilder des total verwüsteten Lockerbee sollten auch Ihnen noch in Erinnerung sein.
Mich würde einfach nur interessieren welche Motivationen einen antreiben müssen, sich derartig über jedwede menschenrechtlichen Grundsätze und sogar das BVerfG. mit einer Lapidarität hinwegzusetzen als ginge es um eine Änderung der StVO zur Bestrafung von Rotlichtsündern.
Die Ankündigung, im äußersten Fall ein entführtes Flugzeug abzuschießen, um Leben zu retten, wo Leben noch zu retten ist, steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz vom 15. Februar 2006.
Die grundlegenden Aussagen des Gerichts zur Menschenwürde und zum Verbot der Abwägung Leben gegen Leben stellen nur die eine Seite dieses in sich nicht leicht verständlichen Urteils dar. Entgegen einem weit verbreiteten Eindruck in der Öffentlichkeit kann den Worten des Bundesverfassungsgerichts aber nicht entnommen werden, dass es der Bundesregierung untersagt ist, terroristische Angriffe abzuwehren, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind (BVerfGE 115, 118/159).
Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht daneben auch Raum für eine Gewissensentscheidung des Einzelnen gelassen. Damit hat das Gericht die Rechtsfigur des übergesetzlichen Notstandes angesprochen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung