Frage an Franz-Josef Jung von Alexander G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Jung,
es würde mich sehr interessieren, was Sie zum Einsatz von Tornados und insbesondere Spähpanzern der Bundeswehr beim G8-Gipfel denken. Meiner Ansicht nach ist das ein eklatanter Bruch der Verfassung, der Folgen für die Verantwortlichen haben muss. Ich beobachte schon seit vielen Jahren mit Besorgnis die weiter ansteigende Missachtung der Verfassung seitens der Politik (Legislative), der Exekutive sowie Judikative und die schrittweisen Versuche, diese zu unterlaufen. Wenn dieser Verfassungsbruch keine Folgen hat, ist mein Vertrauen in die Demokratie vollends erschüttert!!
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Gorzella
Sehr geehrter Herr Gorzella,
Ihre Frage vom 7. August 2007 möchte ich wie folgt beantworten.
1. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Verfassungsrechtliche Grundlage für die Hilfsleistungen der Streitkräfte ist alleine Art. 35 Abs. 1 GG. Danach leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Amtshilfe. Auch die Streitkräfte fallen in den Anwendungsbereich dieser Regelung. Sie sind zur Hilfeleistung berechtigt, aber auch verpflichtet, wenn sie angefordert werden und wenn sie dazu in der Lage sind.
Ob die Hilfe tatsächlich erforderlich ist, obliegt – abgesehen von Fällen offensichtlichen Missbrauchs - nicht der Beurteilung der Streitkräfte, sondern der Beurteilung desjenigen, der die Hilfe anfordert, hier also dem Land Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen seiner polizeilichen Gefahrenprognose.
Liegt eine entsprechende Anforderung des Landes vor, wird das Spektrum von zulässigen Hilfsmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 1 GG allerdings für die Streitkräfte durch Art 87a Abs.2 GG begrenzt. Danach dürfen die Streitkräfte mit ihren Fähigkeiten außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, „soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt“. Eine solche ausdrückliche Verfassungsbestimmung kommt für die während des G 8 Gipfels durch die Streitkräfte erbrachten Hilfeleistungen nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere für Art. 35 Abs. 2 GG. Danach ist der Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte nur auf Anforderung eines Landes bei einem besonders schweren Unglücksfall zwar zulässig. Ein solcher Unglücksfall hat jedoch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und stand auch nicht unmittelbar bevor. Andererseits stellt Art. 35 Abs. 1 GG keine Bestimmung des Grundgesetzes dar, die den Einsatz der Streitkräfte „ausdrücklich zulässt“. Dies hat zur Folge, dass die Amtshilfe der Streitkräfte auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1 GG die Schwelle zum Einsatz im Sinne von Art. 87a Abs. 2 GG nicht überschreiten darf. Andernfalls würde die Grundentscheidung der Verfassung aus Art. 87a Abs. 2 GG umgangen, wonach ein Streitkräfteeinsatz zu anderen Zwecken als dem der Verteidigung eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung voraussetzt.
Für den verfassungsrechtlichen Maßstab bei der Bewertung der Hilfsmaßnahmen beim G 8-Gipfel bedeutet dies:
Die Streitkräfte durften lediglich auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1 GG agieren und nur technisch-logistische Hilfeleistungen unterhalb der Schwelle zu einem Einsatz im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG erbringen. Diese Schwelle wird jedenfalls da überschritten, wo die Streitkräfte hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Zwangs- und Eingriffsbefugnissen wahrnehmen. Diese Schwelle wird dagegen nicht überschritten, wenn Streitkräfte im Rahmen der Amtshilfehandlungen nicht in Grundrechte von Bürgern eingreifen. Der Einsatz von Waffen jeglicher Art und die Anwendung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch die Streitkräfte sind auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1 GG mithin ausgeschlossen. Die Verwendung von anderem militärischen Gerät im Rahmen der technischen Amtshilfe ist dagegen möglich, solange damit kein Eingriff in Grundrechte verbunden ist.
2. Im Einzelnen:
a) Tornados
Für sämtliche Flüge lag eine Anforderung durch das Land vor. Diese Anforderungen zielten auf eine technische Amtshilfe seitens der Streitkräfte und waren verfassungsgemäß.
Insbesondere umfasste es die Anforderung nicht, Luftaufnahmen zu fertigen, die so genau sind, dass sie eine Identifizierung konkreter Personen zulassen. Dem vorliegenden Bildmaterial ist auch nicht zu entnehmen, dass personenbezogene Daten im Rahmen der Aufklärungsflüge erhoben wurden. Das Material lässt weder eine Identifizierung von konkreten Personen noch von Kraftfahrzeug-Kennzeichen zu. Damit liegt ein unzulässiger Eingriff in das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vor. Die Unterstützung ist somit als technische Amtshilfe zu werten.
b) Fennek
Die durch BAO KAVALA auf Grund ihrer polizeilichen Gefahrenprognose angeforderte Unterstützungsleistung durch die Aufklärungssysteme Fennek beschränkte sich auf Feststellungen über Fahrzeug- und Personenbewegungen zur Verdichtung des polizeilichen Lagebildes. Dies ist vergleichbar mit der Verdichtung des Luftlagebildes über Bewegungen im Luftraum durch Awacs – Aufklärungssysteme.
Die Fennek waren unbewaffnet. Bei der Durchführung der Hilfsleistung wurden keine Zwangs- oder Eingriffsbefugnisse eingesetzt. Weder wurden konkrete Personen ermittelt noch Aufnahmen gemacht. Insbesondere erfolgten keinerlei Aufzeichnungen zum Zweck der Strafverfolgung.
Die Schwelle zum Einsatz im Sinne von Art. 87a Abs. 2 GG wurde in keinem Fall überschritten. Damit war diese Unterstützung als technische Amthilfe zulässig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Franz Josef Jung