Frage an Franz-Josef Jung von Gerd S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Jung
ich möchte mich der Frage von Herrn Valentin H. anschließen und auch in dem Atemzug den Krieg der deutschen Bundeswehr in Afghanistan in Frage stellen. Was haben wir da zu suchen? Sind unsere Handlungen da nicht sogar als Angriffskrieg zu bezeichnen? Wäre das nicht gegen das Grundgesetz? Laut der website des "Spiegel" ist die Mehrheit der deutschen gegen eine Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg. Ich danke ihnen für ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Schramm
Sehr geehrter Herr Schramm,
vielen Dank für Ihre freundliche Anfrage.
Im Rahmen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr ist der Begriff „Krieg“ nicht angebracht und sollte vermieden werden. Es handelt sich um einen Stabilisierungseinsatz.
Die Aufgaben unserer Soldaten in Afghanistan bestehen in militärischen Sicherungsaufgaben, Ausbildungsunterstützungsleistungen sowie humanitären Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen.
Völkerrechtlich bezieht sich der Begriff „Krieg“ auf internationale bewaffnete Konflikte, die zwischen Staaten bestehen. Das ist beim ISAF-Einsatz eindeutig nicht der Fall. Wir sind nicht mit dem Land Afghanistan im „Krieg“. Der Einsatz ist vom VN-Sicherheitsrat mandatiert sowie durch den Deutschen Bundestag legitimiert und erfolgt in Übereinstimmung mit der demokratisch gewählten Regierung von Afghanistan. Viele Menschen in Afghanistan sind froh darüber, dass die Bundeswehr ihrem Land zu mehr Stabilität verhilft.
Im Übrigen wäre ein Kriegszustand immer mit einer bestimmten rechtlichen Anerkennung des jeweiligen Gegners verbunden. Die Taliban und Al-Qaida-Terroristen sind keine Kriegsgegner mit Kombattanten-Status.
Es ist menschlich verständlich, dass einige unserer Soldaten - insbesondere in Kunduz - die Situation als kriegsähnliche Auseinandersetzung empfinden. Doch zum einen handelt es sich um örtlich und zeitlich begrenzte Kampfhandlungen und zum anderen ändert dies nichts am völlig anders gearteten politischen und rechtlichen Kontext. Es ist weder der Bundeswehr noch der Öffentlichkeit damit geholfen, die Sicherheitslage in Afghanistan mit martialischer Sprache zu umschreiben. Die Tatsache, dass uns die Al-Qaida-Terroristen den „heiligen Krieg“ erklärt haben, sollte uns nicht dazu verleiten, in eine ähnliche Diktion zu verfallen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung