Frage an Franz-Josef Jung von Tom V. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Jung,
Im Zusammenhang mit dem tragischen Unfall in Afghanistan sprechen Sie von "Gefallenen", betonen aber gleichzeitig, dass es sich bei dem Bundeswehreinsatz nicht um einen Kriegseinsatz handelt.
Wie bekommen Sie diese Aussagen überein? Die gängigen Wörterbüchern definieren "fallen" bzw. "gefallen" als "sterben durch Gewalteinwirkung im Krieg" (neben den üblichen Bedeutungen von hinfallen etc.)
Wenn Sie unseren Soldaten die Soldatenehre zugestehen wollen, müssen Sie dann nicht auch anerkennen, dass diese sich in einem Kriegseinsatz befinden? Als zivile Helfer würden Ihnen nur zivile Ehrungen zustehen.
Finden Sie nicht, dass angesichts der Ehre der Gefallenen es an der Zeit wäre, den Kriegseinsatz in Afghanistan endlich als das anzuerkennen, was er ist, und die täglich dort ihr Leben riskierenden Soldaten nicht weiter als "zivile Aufbauhelfer" zu verhöhnen?
Sehr geehrter Herr Vogt,
In Afghanistan ist es unser Ziel, gemeinsam mit unseren Bündnispartnern dazu beizutragen, ein stabiles, funktionsfähiges, sich selbst tragendes Staatswesen zu etablieren. Es ist unmittelbares deutsches Interesse, dass der internationale Terrorismus Afghanistan nicht wieder als Ruhe-, Rückzugs-, und Regenerationszentrum nutzen kann. Der militärische Beitrag ist dabei ein Element des umfassenden Engagements der internationalen Gemeinschaft, um die afghanische Regierung zu unterstützen und der afghanischen Bevölkerung zu helfen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen.
Die Zielsetzung der ISAF-Mission in Afghanistan, der Charakter des Konflikts und die Vielschichtigkeit der Unterstützungs-, Aufbau,- und Entwicklungsaktivitäten lassen es unangemessen erscheinen, in Afghanistan von einem Krieg zu sprechen. Ich stelle allerdings nicht in Abrede, dass die terroristischen Gewaltanwendungen in Afghanistan örtlich und zeitlich begrenzt zu intensiven militärischen Kampfhandlungen führen.
Im Norden gibt es auch, wenngleich in geringer Intensität als im Süden oder Osten des Landes, solche Schwerpunkte der Gewalt der regierungsfeindlichen Kräfte. So erklärt sich der scheinbar widersprüchliche Eindruck, dass wir einerseits von einer Stabilisierungsoperation, andererseits aber auch davon sprechen, dass unsere Soldaten „gefallen“ sind. Dies trägt vor allem dem berechtigten Bedürfnis der Soldaten, ihrer Angehörigen und Freunde Rechnung, deutlich zu machen, dass Kameraden ihr Leben nicht bei alltäglicher Diensterfüllung – beispielsweise durch einen Unfall in der Heimat – verloren haben, sondern im Rahmen eines gefährlichen Einsatzes, zu dem sie ihr Land entsandt hat.
Unsere Soldaten zeigen angesichts vielfältiger Bedrohungen Mut und Entschlossenheit; dafür verdienen sie unser aller Respekt und Anerkennung, etwa durch Auszeichnungen wie das neue Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit. Die erstmalige Verleihung des Ehrenkreuzes am 6. Juli 2009 zeugt vom Bekenntnis der Bundesregierung zu dem Einsatz und zeigt Respekt gegenüber den Leistungen der ausgezeichneten Soldaten. Ein „Verhöhnen“ kann ich darin nicht erkennen und verwahre mich im Namen der Bundesregierung auch dagegen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Franz Josef Jung