Frage an Franz Groll von Hans-Josef D. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Groll,
an den Stammtischen hört man immer wieder, dass wir für die Griechen zahlen. Stimmt dies wirklich ? Ist es nicht so, dass bisher die überwiesenen Gelder nicht bei der griechischen Bevölkerung angekommen sind sondern direkt an die ausländischen Banken überwiesen wurden ? Somit haben bisher auch nur die deutschen Banken davon profitiert. Das griechische Volk ist doch der dumme.
Gruß aus Althengstett
Hans-J. Drebber
Sehr geehrter Herr Drebber
Was Sie sagen ist richtig, dennoch ist das, "was am Stammtisch gesprochen" wird, auch nicht ganz falsch. Wie kann das sein? Das möchte ich Ihnen nun erläutern.
Am Ende das Jahres 2011 hatte der griechische Staat Schulden in Höhe von 368 Mrd. €. Das entspricht 171 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das im Jahr 2011 auf 215 Mrd. € geschrumpft war, oder anders ausgedrückt: Die Schulden sind das 1,71-fache dessen, was alle Griechen in einem Jahr erwirtschaften. Aufgrund des Rückgangs der Wirtschaftsleistung Griechenlands seit dem Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 und des seit vielen Jahren andauernden Handelsbilanzdefizits, war klar, dass Griechenland aus eigener Kraft nicht mehr aus dieser Situation herauskommt. Durch einen Schuldenschnitt, also durch den Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen, wurden die Schulden auf 280 Mrd. € reduziert, zusätzlich erhielt Griechenland von der EU und dem IWF Geld, um die fälligen Kredite bedienen und um einen Teil der Schuldpapiere zurückkaufen zu können. Es ist also richtig, was Sie sagen, dass die Unterstützungszahlungen an die Banken gingen, aber die Banken haben auch auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet.
Dennoch sind diese Zahlungen auch eine Unterstützung der griechischen Bevölkerung, denn wenn der Schuldenschnitt nicht stattgefunden hätte und Griechenland keine finanzielle Hilfe erhalten hätte, wäre Griechenland zahlungsunfähig gewesen, was die griechische Bevölkerung sehr wahrscheinlich in eine noch verheerendere Situation gebracht hätte, als sie heute vorfinden.
Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass mit der bis jetzt verfolgten Politik Griechenland nicht aus der Krise herauskommen wird, weil eines der Grundprobleme nicht gelöst wird. Griechenland hat im Zuge der Globalisierung seine wichtigste Industrie - den Schiffsbau - verloren und die Textilbetriebe in Nordgriechenland gingen über die Grenze nach Bulgarien und in die Türkei. Damit Griechenland aus der Krise kommt, muss seine Wirtschaft massiv gefördert werden. Es müssen konkurrenzfähige Betriebe in zukunftsfähigen Branchen (z.B. in der Solarindustrie) initiiert werden, damit neue, produktive Arbeitsplätze entstehen. Ziel muss auch sein, das Handelsbilanzdefizit abzubauen. Erst wenn das erreicht ist, wird Griechenland ohne fremde Hilfe auskommen. Mit der Merkel´schen Politik wird dieses Ziel nicht erreicht.
Ich hoffe, dass Sie nun in der Lage sind, am "Stammtisch" sachdienlich zu
argumentieren.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Groll