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Frage von Henning W. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Henning W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

nun hat Ankara der NATO und der EU gedroht sich andere Freunde zu suchen.
Das ist wieder ein neuer Erpressungsversuch Erdogans: Wenn ihr nicht das tut was ich will, ohne das ich meinen Weg ändern muss, werde ich euch verlassen.

Meine Frage:
Wie weit ist die Bundesregierung nun bereit sich erpressen zu lassen - oder drücken wir es diplomatisch aus - Ankara entgegen zu kommen?
Wird es nun die Visafreiheit geben? Werden die Beitrittsverhandlungen nun wieder "intensiviert" werden? (alles natürlich diplomatisch verpackt, damit es uns unwissenden Normalbürgern nicht auffällt, dass wir uns wieder haben erpressen lassen? Also wie weit ist die Bundesregierung bereit unsere Werte zu relativieren und/oder aufzugeben, welche wir nach dem Nazihorror ja nicht ohne Grund kreiert haben.

Aber bitte als Antwort diesmal kein allgemeines und offizielles Statement ihres Teams, wie bei den letzten beiden Fragen, (Antworten, die man auch gerne als allgemeines "Blabla" bezeichnen könnte), sondern eine richtige Antwort bitte. Ich warte auch gerne etwas länger.

Mit freundlichen Grüßen
Henning Weiler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weiler,

vielen Dank für Ihre E-Mail an Bundesminister Dr. Steinmeier vom 11. August zu den Beziehungen von NATO und EU zur Türkei.

Auch wenn wir Ihre Auffassung teilen, dass die Beziehungen zur Türkei derzeit von Schwierigkeiten geprägt sind, können wir keine "Erpressung" durch die Türkei erkennen. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber der Türkei weiter nachdrücklich für eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Werte ein.

Die Bundesregierung hat den Putschversuch in der Türkei am 15. Juli aufs Schärfste verurteilt. Die Türkei stand in dieser Nacht vor einer innenpolitischen Katastrophe. Eine demokratisch gewählte Regierung darf nicht durch Gewaltanwendung gestürzt werden. Es ist daher das Recht der türkischen Regierung, den Putschversuch politisch und rechtlich aufzuarbeiten.

Der Umfang des Vorgehens der türkischen Regierung bereitet uns jedoch große Sorge. Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier sowie andere Mitglieder der Bundesregierung haben die Türkei daher mehrfach auch öffentlich dazu aufgerufen, beim Vorgehen die Prinzipien der Rechtstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit einzuhalten. Wir erwarten, dass die genauen Verantwortlichkeiten im Rahmen von rechtsstaatlichen Verfahren im Einzelfall geklärt werden. Diese Auffassung hat auch der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Markus Ederer, bei einem Besuch in der Türkei am 8. August übermittelt.

Die Europäische Union führt bereits seit 2005 ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Beitrittsverhandlungen sind ein langfristig angelegter Prozess. Zentrale Voraussetzung für einen Beitritt ist, dass die Türkei sich zu den Grundwerten der Europäischen Union bekennt. Dies sind insbesondere Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Hier wird es für Beitrittskandidaten keine Rabatte geben. Ein EU-Beitritt der Türkei steht derzeit nicht zur Debatte. Auch weitere Kapitelöffnungen wird es in absehbarer Zeit nicht geben, nachdem im Dezember und Juni je ein weiteres Verhandlungskapitel geöffnet worden waren. Die Bundesregierung spricht sich im Moment gegen eine Suspendierung der Beitrittsverhandlungen aus, da sie einen wichtigen Gesprächskanal und Hebel bilden, um auf die Entwicklungen Einfluss zu nehmen. Im Fall eines klaren Bruchs der europäischen Grundwerte, wie etwa die Einführung der Todesstrafe, wäre jedoch eine Suspendierung der Verhandlungen die Folge.

In der EU-Türkei-Erklärung vom 18. März haben sich die Europäische Union und die Türkei auf die Beschleunigung des 2013 begonnenen Visaliberalisierungsprozesses geeinigt. Auch wenn die Türkei bereits große Fortschritte bei der Erfüllung der Anforderungen zu verzeichnen hat, hat sie noch nicht alle Bedingungen vollständig erfüllt. Die EU hält an der strikten Konditionalität fest. Eine Visaliberalisierung kommt daher nur in Betracht, wenn die Türkei u.a. ihre Antiterrorgesetzgebung den EU-Standards anpasst.

Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier