Frage an Frank-Walter Steinmeier von Matthias E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Morgen Herr Steinmeier,
wie es im Moment aussieht überschlagen sich die Ereignisse. Erdogan will die Todesstrafe einführen. Vor über einem Jahr wurde er gewarnt von Seiten der EU, er hat es nicht ernst genohmen. Müsste man jetzt nicht davon ausgehen, das Erdogan ein nichternstzunehmender Verhandlungspartner ist? Müsste einem sein Verhalten nicht zu denken geben, es scheint er hatte schon vor dem Militärputsch Listen angefertigt, um ihm unliebsame Leute aus der Justiz und Militär aus dem Weg zu räumen, angeblich um sie zu schützen?
Herr Steinmeier, ich weiss das übersteigt die Kompetenz ihres Amtes, doch leider haben sie sich auch nie bemüht ernsthaft mit Erdogan zu verhandeln, auch in Sachen Kurdenkrise.
Nun stehen wir vor der Frage, wie lange wollen wir noch Leute die als Terroristen in Gefängnissen weltweit gehalten werden, von der öffentlichen Diskussion und Beteiligung fernhalten? Viele dieser Leute haben einen grossen Beitrag zu leisten, wie Abdullah Öcalan, der Bücher über die Wurzeln der Zivilisation geschrieben hat. Woher kommt all dieses Verdeckmannöver?
Mit herzlichem Gruss,
Matthias Somen Eckerle
Sehr geehrter Herr Eckerle,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 18. Juli an Herrn Steinmeier, auf welche ich Ihnen gern antworten möchte.
Die kürzlichen Terroranschläge in Paris, Brüssel, Nizza und im Regionalzug bei Würzburg haben uns erneut vor Augen geführt, dass der globale Terrorismus eine unserer größten Bedrohungen darstellt. Dieser Terror richtet sich gegen alle, die frei und ohne staatliche und religiöse Bedrängnis leben wollen. So fundamental und umfassend dieser Terror wirken will, so umfassend müssen wir ihm begegnen. Dies wird nur gelingen, wenn wir in der Bekämpfung des Terrorismus alle Ebenen in den Blick nehmen: von militärischen Maßnahmen, der Strafverfolgung über Finanzierung und Rekrutierung bis hin zu den Ursachen von Radikalisierung. Der Bundesregierung geht es dabei aber nicht um einen rein militärischen oder ausschließlich auf Strafverfolgung gerichteten Ansatz – etwa durch die Lieferung von Waffen und Ausrüstung oder die Bereitstellung von Militärpersonal oder Polizeikräften, oder auch durch bloße Verschärfungen des Strafrechts - sondern vorrangig um die Bekämpfung der Ursachen, die zu Terrorismus führen. Und es sei hier ganz eindeutig klargestellt: Deutschland liefert keine Waffen an Terroristen oder unterstützt Terroristen in anderer Weise. Eine erfolgreiche und nachhaltige Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus erfordert einen umfassenden Ansatz, der auch Maßnahmen zur Beseitigung politischer, gesellschaftlicher oder sozio-ökonomischer Ursachen berücksichtigt.
International engagiert sich Deutschland unter anderem in der Globalen Anti-IS-Koalition, in der 66 Staaten aus allen Regionen der Welt sowie mehrere internationale Organisationen seit September 2014 zusammenarbeiten. Deutschland hat dabei gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den Vorsitz der Arbeitsgruppe Stabilisierung übernommen, deren Fokus derzeit auf den Gebieten im Irak liegt, die vom IS befreit wurden. Die Arbeitsgruppe unterstützt die irakische Regierung dabei, dass die zerstörte Infrastruktur wiederhergestellt wird, Krankenhäusern wiedereröffnet und Brücken aufgebaut werden, dass Sprengfallen, die der IS an vielen Orten hinterlassen hat, entschärft werden, und dass Polizisten ausgebildet werden, die die Sicherheit für die Menschen gewährleisten. Deutschland trägt dabei einen großen Teil der finanziellen Unterstützung (ca. 500 Mio. Euro für 2016 und 2017).
Wir werden auch verstärkt durch vorbeugende Maßnahmen gegen gewalttätigen Extremismus der Radikalisierung von Personen, insbesondere von Jugendlichen, entgegentreten. Wir haben dies bereits im Rahmen unseres G7-Vorsitzes im Jahr 2015 und unseres aktuellen OSZE-Vorsitzes – wie Anfang Juni bei der in Berlin ausgerichteten OSZE Konferenz „Vorbeugung gegen gewaltsamen Extremismus und Radikalisierung, die zu Terrorismus führen“ - deutlich gemacht, außerdem hat die Bundesregierung Mitte Juli ihre „Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“ verabschiedet. Die Stärkung rechtstaatlicher Strukturen und Beachtung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung sind uns dabei besonders wichtig. Wo es zu einer Strafverfolgung kommt, geht es nicht darum, jemanden dafür zu bestrafen, dass er sich verleiten ließ, sondern weil er Täter oder Helfer einer terroristischen Straftat ist, wie sie im Strafgesetz ausbuchstabiert wird und wie sie von deutschen Gerichten nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geahndet wird.
Zu deutschen Waffenlieferungen: Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Entscheidungen für die Ausfuhrgenehmigung von Rüstungsgütern werden jeweils im Einzelfall getroffen. Dabei werden alle Aspekte des jeweiligen Falls berücksichtigt, gewichtet und abgewogen. Grundlage sind die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000, der Gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008 und der Vertrag über den Waffenhandel. Lieferungen an Länder, die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht, scheiden entsprechend den „Politischen Grundsätzen“ grundsätzlich aus, sofern nicht ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt. Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier