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Frage von Sylvia S. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Sylvia S. bezüglich Innere Sicherheit

Im April 2014 schrieben Sie: "Bezüglich der Militäroffensive gegen die Republik Irak ist darauf hinzuweisen, dass die damalige Bundesregierung diese deutlich kritisiert und die völkerrechtliche Begründung für die Offensive nicht anerkannt hat."

und etwas darunter:
"Die Bundesregierung setzt sich in ihrer internationalen Politik für die Einhaltung und Durchsetzung des Völkerrechts ein. In diesem Zusammenhang erkennt sie die völkerrechtswidrige Intervention Russlands und die anschließende Annexion der Krim nicht an. Die Krim-Intervention stellt einen Verstoß gegen das Gewaltverbot nach Art. II (4) VN-Charta dar. Auch eine Androhung von Gewalt reicht hierfür aus. Außerdem hat die russische Intervention gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Souveränität und der territorialen Integrität (und damit des Verbots gewaltsamer Grenzneuziehung) verstoßen."

Jetzt meine Frage:
Völkerrechtsverstöße der NATO mit der Erzeugung von mittlerweile mehreren "failed states" werden mit einem Schulterzucken abgetan, während zwar kritikwürdige aber weniger fatale Aktionen Russlands als Ursache für massive Aufrüstung dargestellt werden? Sind da noch die Feindbilder des Kalten Krieges in den Köpfen oder wie kann man das erklären?

Auf Wunsch Ihres Moderatorenteams hier einige Belege meiner Aussagen:

http://gerhard-schroeder.de/2014/03/09/matinee-der-wochenzeitung-zeit/

http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/thema_nt/article129044598/Failed-States-gescheiterte-Staaten.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/uranmunition-im-irak-das-strahlende-vermaechtnis-der-alliierten-a-278417.html

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AfghanistanSicherheit_node.html#doc343208bodyText1

https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Milit%C3%A4reinsatz_in_Libyen_2011

http://auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/LibyenSicherheit_node.html

Magdeburger Gespräche zur Friedens- und Sicherheitspolitik, Friedrich Ebert Stiftung S. 38

Portrait von Frank-Walter Steinmeier
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schröder,

vielen Dank für Ihre Frage an Herrn Steinmeier, gern möchten wir darauf antworten.

Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im März 2014 wurden erstmals seit dem Ende des 2. Weltkriegs Staatsgrenzen in Europa mit militärischer Gewalt verschoben. Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion und der Destabilisierung der Ostukraine internationales Recht verletzt und offen die gemeinsamen Prinzipien der europäischen Friedensordnung in Frage gestellt.

Mit der Lage im Kosovo 1999-2008 ist die Lage auf der Krim 2014 weder rechtlich noch politisch vergleichbar. Dort gab es nach dem Eingreifen der NATO im Frühjahr 1999, das zur Abwendung einer drohenden humanitären Katastrophe erfolgte, eine durch den Sicherheitsrat der VN eingerichtete VN-Verwaltung (UNMIK) und intensive und langandauernde Bemühungen auch im multilateralen Rahmen um eine definitive konsensuale Status-Lösung. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo folgte dann auf das Scheitern dieser fast 10-jährigen Bemühungen, aber nicht als Folge und unter den Bedingungen einer gewaltsamen Intervention von außen.

Ganz anders im Fall der Krim: Die Sezessionserklärung vom März 2014 wurde überhaupt erst möglich durch die gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstoßende Intervention russischer Truppen auf der Krim. Dieser Verstoß gegen das Gewaltverbot macht auch sein Ergebnis – die Sezession der Krim und ihre anschließende Aufnahme in den russischen Staatsverband – rechtswidrig. Da es sich beim Gewaltverbot um eine Norm zwingenden Völkerrechts handelt, darf kein anderer Staat das Ergebnis anerkennen.

Die Bundesregierung hat immer betont, dass langfristige Sicherheit in Europa nur gemeinsam mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist. Daher hat sie sich stets für partnerschaftliche Ansätze und einen vertrauensvollen Dialog mit Russland eingesetzt und den Gesprächsfaden nie abreißen lassen. Auch die NATO hält weiterhin am Ziel eines konstruktiven, kooperativen Verhältnisses mit Russland fest. Erst kürzlich tagte wieder der NATO-Russland-Rat auf Botschafterebene. Dies ist das Zeichen, das der politische Dialog weiter möglich ist. Auch die Etablierung eines militärischen Krisenkontaktmechanismus mit Russland, der auf die Initiative des Bundesaußenministers zurückgeht, soll einen Beitrag zu Vertrauensbildenden- und Transparenzmaßnahmen leisten.

Gleichzeitig musste die NATO die nachvollziehbaren Sorgen der besonders exponierten Bündnispartner ernst nehmen. Daher hat die Allianz infolge des russischen Vorgehens in der Ukraine defensive Rückversicherungsmaßnahmen beschlossen. Diese sehen u.a. die Erhöhung der NATO-Präsenz vor. Dies geschieht durch eine vorübergehende Verlegung von Verbänden auf Rotationsbasis, beispielsweise zu Übungszwecken. Eine dauerhafte Stationierung substantieller Kräfte im östlichen Bündnisgebiet wird auch künftig nicht angestrebt. Die Maßnahmen der NATO sind insgesamt defensiv, verhältnismäßig und im Einklang mit internationalen Verpflichtungen, unter anderem der NATO-Russland-Grundakte, und dem Völkerrecht.

Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier