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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Jürgen B. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Außenminister Dr. Steinmeier,

die Tageszeitung Zaman - eine gemäßigt oppositionelle Stimme in der Türkei - wurde durch ein Sondergericht in der Türkei unter staatliche Aufsicht gestellt. Dies ist nicht der erste Affront des Präsidenten Erdogan gegen die Pressefreiheit: In der Vergangenheit sind sowohl Zeitungen als auch Fernsehsender unter staatliche Kontrolle gestellt oder gar geschlossen worden.

Zwei Journalisten, die in Untersuchungshaft wegen "Unterstützung von Terrorismus" waren, wurden vom Verfassungsgericht der Türkei freigesprochen. Präsident Erdogan kommentierte die Entscheidung des Gerichts laut Frankfurter Rundschau folgendermaßen ( http://www.fr-online.de/brennpunkt-tuerkei/zaman-erdogan-macht-die-naechste-zeitung-mundtot,23356680,33912244,view,asFirstTeaser.html ): „Ich werde weder der Entscheidung Folge leisten, noch habe ich Respekt vor ihr.“
Man kann hier von willentlichem Verfassungsbruch seitens Erdogan wie auch von einer diktatorischen Aushebelung der Meinungsfreiheit sprechen.

Ganz abgesehen von den eklatanten Menschenrechtsverletzungen gegen Kurd_innen innerhalb und außerhalb der Türkei, wobei ganze Stadtviertel in der Türkei mit etlichen zivilen Opfern zerstört werden.

Ich höre weder Sie noch Frau Merkel über die Verletzung von Menschenrechten, der Pressefreiheit, der Verfassungstreue von Präsident Erdogan sprechen.

Möchten Sie mir dies bitte erklären, warum die Bundesregierung dies alles NICHT thematisiert, stattdessen aber Milliarden an Erdogan für die Bewältigung der Flüchtlingskrise zahlen möchte?
Und wie steht es mit Griechenland, das an vorderster Front mit der Aufnahme von Flüchtlingen steht? Griechenland sollen 700 Millionen zukommen. In welchem Verhältnis steht das zur Türkei?

Sie werden verstehen, dass mich Ihre Politik der Ungleichbehandlung und Verachtung der Menschenrechte sehr verstört zurücklassen - und ich den Begriff Bigotterie für die Handlungsweise der Bundesregierung nutze.

Mit freundlichen Grüßen

J.Georg Brandt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandt,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. März 2016 zur Situation in der Türkei.

Die Türkei ist ein Schlüsselland in der Lösung der aktuellen Krisen und Herausforderungen in der gesamten Region, Lösungsansätze erfordern daher eine enge Zusammenarbeit mit dem Land. Die Türkei hat fast drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern aufgenommen. Dieses humanitäre Engagement verdient unsere Anerkennung. Um die Lage der Flüchtlinge in der Türkei weiter zu verbessern und um das Land bei der Kontrolle der Migrationsströme zu unterstützen, hat sich die Kommission der Europäischen Union auf ihrem Gipfel mit der Türkei am 29. November 2015 auf einen Gemeinsamen Aktionsplan geeinigt. Dieser sieht neben verstärkter Kooperation bei Flucht- und Migrationsthemen unter anderem auch eine finanzielle Unterstützung der Türkei vor.

Auch Griechenland, wo die bei weitem überwiegende Anzahl an Flüchtlingen von der Türkei aus eintrifft, unterstützen wir. Schon 2015 hat die Bundesregierung humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland über UNHCR und das Rote Kreuz in Höhe von 2,4 Millionen Euro geleistet. Die Europäische Union hat nun beschlossen, 700 Millionen Euro an humanitärer Hilfe zur Versorgung der Flüchtlinge in Griechenland bereitzustellen. Zusätzlich wird neben der finanziellen Unterstützung auch materielle und personelle Hilfe geleistet.

Eine stärkere Zusammenarbeit mit der Türkei bedeutet keinesfalls, dass unsere Erwartungen an menschenrechtliche und demokratische Standards gegenüber dem Land herabgesenkt würden. Die Bundesregierung beobachtet die innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei auch im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit sehr genau. Gegenüber türkischen Regierungsvertretern bringen wir unsere Haltung in Bezug auf elementare Grundrechte regelmäßig zum Ausdruck. So ist die Pressefreiheit wiederholt Thema von bilateralen Gesprächen gewesen, beispielsweise auf höchster Ebene bei den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen am 22. Januar 2016 in Berlin. Das Vorgehen gegen das Unternehmen, das u.a. die regierungskritische Tageszeitung „Zaman“ herausgibt, betrachten wir dabei mit Sorge. Dies war auch Thema auf dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit der Türkei am 7. März 2016 in Brüssel. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sagte nach dem Gipfel, dass der Türkei nochmals verdeutlicht worden sei, wie wichtig die Pressefreiheit ist. Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier äußerte sich besorgt zum türkischen Vorgehen.

Auch die Eskalation im Konflikt zwischen der Terrororganisation PKK und türkischen Sicherheitskräften sowie die daraus resultierende Lage im Südosten des Landes sind besorgniserregend. In zahlreichen Kontakten mit der türkischen Regierung hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, schnellstmöglich die bis Sommer letzten Jahres relativ hoffnungsvoll verlaufenden Friedenverhandlungen wieder aufzunehmen und verhältnismäßig gegen die Angriffe der PKK vorzugehen. Die Bundesregierung wird die Lage weiter intensiv verfolgen.

Ein Ziel unserer Außenpolitik gegenüber der Türkei ist die Stärkung der Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Deshalb setzen wir uns im EU-Rahmen auch für die Eröffnung der Verhandlungskapitel 23/24 ein, die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundfreiheiten behandeln und einen strukturierten und offenen Dialog mit der Türkei hierzu erlauben würden.

Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier