Frage an Frank-Walter Steinmeier von Laurids L.
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
wieso dürfen Flüchtlinge Asyl in Deutschland beantragen, obwohl sie aus einem sicheren Drittstaat kommen? Im Grundgesetz steht: "(1)Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." "(2)Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist." Das ist ein Gesetzesverstoß!!! Das Dubliner Abkommen besagt, dass Asylbewerber in dem Land registriert werden, in dem sie die EU betreten. In den Nachrichten höre ich aber, dass die Asylbewerber ohne Registrierung weiter geschickt werden. Dies ist wieder ein Verstoß! Das bedeutet, dass sich die Verfassungsorgane nicht an geltendes Recht halten. Welche Konsequenz hat es, wenn Sie und andere Verfassungsorgane sich nicht an geltendes Recht halten? Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie mir meine Fragen beantworten könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Laurids Lohr
Sehr geehrter Herr Lohr,
vielen Dank für Ihre Frage vom 3. November, ob oder wieso Menschen in Deutschland Asyl beantragen dürfen, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat kommen:
Im Flüchtlingsrecht ist grundsätzlich zwischen zwei Rechtsgrundlagen zu unterscheiden: dem Asylrecht, das in Art. 16a des Grundgesetzes verankert ist, und dem ´, das ursprünglich auf völkerrechtliche Verträge zurück geht , später durch das EU-Recht näher ausgestaltet wurde und als solches vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht übernommen wurde.
Das bedeutet also, dass nicht immer wenn aktuell in den Medien von „Flüchtlingen“ und „Asyl“ gesprochen wird, auch Art. 16a des Grundgesetzes anwendbar ist. Da die Einreise der absoluten Mehrheit der Ankömmlinge in Deutschland über den Landweg – und damit aus anderen Drittstaaten im Sinne von Art. 16a Abs. 2 GG - erfolgt ist dieser Artikel in der Tat in der Mehrheit der Fälle nicht anwendbar. Unabhängig davon ist allerdings die Möglichkeit, sich auf internationalen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu berufen.
Infolge der Regelungen der Dublin-III-Verordnung ist Deutschland nur ausnahmsweise für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig. Deshalb ist die freiwillige Durchführung eines Asylverfahrens allerdings nicht unzulässig. Aus humanitären Gründen kann es sogar geboten sein, dass Deutschland das Asylverfahren durchführt und die betroffenen Personen nicht in das zuständige EU-Land rücküberstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier