Frage an Frank-Walter Steinmeier von Horst Schmidt-Böcking, Prof. D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier,
lieber Frank Walter,
als SPD Genosse (seit 1970) wähle ich die Du-Form in meinem kurzen Brief an Dich. Auußerdem haben wir uns bei der Röntgenpreisverleihung (Jahr 2009) in Giessen einmal persoenlich kennengelernt, als mein Doktorand diesen Preis erhielt und Du die Festrede hieltst. Dabei haben wir auch ueber die Büdenbenders aus Deuz gesprochen, da ich aus meiner Schulzeit im Siegerland einige Büdenbender aus Deuz kannte.
Nun mein Anliegen oder Vorschlag: die meisten Flüchtlinge kommen zur Zeit über Griechenland nach Europa und müssen eine menschenunwürdige Strapaze in Kauf nehmen, um meist zu Fuß durch Kälte, Regen, Schlamm etc. nach Mitteleuropa zu kommen. Selbst dann in Deutschland hat man große Probleme, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.
Mein Anfrage: Warum "mietet" Deutschland nicht die im Winter leer stehenden Hotels in Griechenland, um den Flüchtlingen ein ordentliches Dach über dem Kopf zu geben? Die Hoteliers dort würden sich wegen des guten Geschäftes freuen. Die Kosten der Vollpension dort würden pro Tag nur bei ca. 20 bis 25 Euro/Person liegen. Deutschland könnte dann dort zusammen mit Griechenland die Menschen ordentlich registrieren und entscheiden, wer Asylrecht erhalten kann.
Ausserdem wäre dies eine sehr effiziente Unterstützung der griechischen Wirtschaft. Zwei gute Taten in einer Aktion. Die dann anerkannten Asylbewerber sollten dann in Zügen ordentlich nach Deutschland etc. kommen können. Die jetzige Abwicklung und Behandlung des Flüchtlingstromes ist eine Schande für uns Europäer.
Herzliche Grüße
Horst
Prof. Dr. Horst Schmidt-Böcking
Institut für Kernphysik
Universität Frankfurt
Sehr geehrter Herr Professor Schmidt-Böcking,
lieber Genosse Schmidt-Böcking,
vielen Dank für Ihre Frage vom 24. Oktober 2015 an Herrn Steinmeier, auf welche ich Ihnen gern antworten möchte.
Herr Steinmeier begrüßt und schätzt es sehr, wenn sich Bürger an die Bundesregierung mit Fragen, Anregungen und Vorschlägen bezüglich der aktuellen Flüchtlingssituation in Europa wenden.
Der politische Handlungsrahmen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik ist längst nicht mehr rein national. Nur gemeinsam und nur auf europäischer Ebene können wir vernünftige Antworten auf die gegenwärtigen Herausforderungen finden. Wir müssen mit Beharrlichkeit und Entschiedenheit an internationalen und besonders europäischen Lösungen arbeiten, damit der Migrationsdruck auf Deutschland wieder abnehmen kann. Und nur mit Realismus können wir unsere humanitären Ziele auch in die Praxis umsetzen. Daher setzt sich die Bundesregierung innerhalb Europas für eine solidarische Beteiligung aller EU-Staaten bei der Aufnahme der Flüchtlinge ein. Die Entscheidung, bis zu 160.000 schutzbedürftige Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten umzusiedeln, war ein wichtiger Schritt. Mittelfristig brauchen wir aber einen dauerhaften Verteilungsmechanismus. Voraussetzung für eine Verteilung ist die bessere Registrierung der in Europa ankommenden Flüchtlinge.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die wahren Ursachen der Flüchtlingskatastrophen vielschichtig und komplex sind. Zentral ist dabei die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und irregulärer Migration. Dies ist eine Langzeitaufgabe für die Außen- und Entwicklungspolitik.
Wir müssen jene Staaten stützen, die derzeit einen Großteil der Flüchtlinge aufnehmen. Das sind neben der Türkei vor allem Jordanien und der Libanon. Wir müssen außerdem zu Vereinbarungen mit den Schlüsselländern in der europäischen Nachbarschaft, vor allem der Türkei, kommen. Hier hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan vorgeschlagen, den wir mit einem bilateralen Migrationsdialog flankieren.
Die wichtigste und nachhaltigste Aufgabe der Außenpolitik bleibt es, die Flüchtlingskrise dort zu bekämpfen, wo sie entsteht. Deshalb setzt sich das Auswärtige Amt mit aller Kraft für politische Lösungen für die großen Krisen und Konfliktherde des Mittleren Ostens und Nordafrikas ein.
Uns ist bewusst, dass die derzeit entwickelten Lösungsansätze zum Umgang mit der Krise sowie zur Aufnahme von Flüchtlingen nur dann mit Erfolg umgesetzt werden können, wenn diese von unserer Bevölkerung in einem Geiste der Hilfsbereitschaft und Solidarität mitgetragen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier