Frage an Frank-Walter Steinmeier von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
Flüchtlinge ertrinken zu Tausenden im Mittelmeer. Kinder Frauen, Männer. Das Thema ist Gegenstand der Politik, es wird geredet, wenig gehandelt und das Sterben geht munter weiter:
"Ein Flüchtlingsboot ist auf dem Weg von Libyen nach Italien gekentert. An Bord waren offenbar rund 700 Menschen. 28 Menschen konnten von einem Handelsschiff gerettet werden, Hunderte werden aber vermisst.(...)"Im Moment müssen wir befürchten, dass dies eine Tragödie von gewaltigem Ausmaß ist", sagte Carlotta Sami, Sprecherin des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (...).
Nach bisheriger Schätzung waren in diesem Jahr 900 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Allein am vergangenen Sonntag sind möglicherweise rund 400 Menschen ums Leben gekommen, als ein Boot auf dem Weg von Libyen nach Italien kenterte. Sollte sich die Opferzahl von rund 700 Toten bewahrheiten, wäre das Unglück von Samstagnacht die bisher größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.
2014 zählten die Behörden 3500 Tote (...) Allein in der vergangenen Woche hatten Italiens Küstenwache und die Marine etwa 11.000 Migranten im Mittelmeer gerettet.
ARD- Kommentator Markus Preiss erkennt das massive Versagen (gerade auch der deutschen) Politik:
"Eine Schande für Europa. Für alle, die es heute schlimm finden, was da vor Sizilien passiert, aber morgen bloß keinen Flüchtling in der städtischen Turnhalle sehen wollen. Eine Schande für unsere Politiker, allen voran die EU-Innenminister der letzten 20 Jahre. Und eine Schande für ganz viele von uns, die klammheimlich froh waren, dass da jemand unsere Haustür so fest zudrückte wie nur irgend möglich.""
Wie lange sollen wir noch dem elendigen Sterben im Mittelmeer zusehen?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
vielen Dank für Ihre E-Mail an Bundesminister Dr. Steinmeier vom 20. April zur Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer. Gern möchte ich Ihnen darauf antworten.
Das Ausmaß der Unglücksfälle im Mittelmeer hat vor Augen geführt, dass Europa dringend gemeinsame Strategien zum Schutz von Flüchtlingen und zum Umgang mit den vielen Menschen braucht, die Schutz und Zuflucht bei uns suchen.
So hat der Europäische Rat in seiner Sondersitzung am 23. April 2015 beschlossen, die Anstrengungen zur Seenotrettung zu verstärken. Die Bundesregierung hat daraufhin zwei Schiffe der Marine entsandt, deren Besatzungen bereits mehr als 5.600 Menschenleben gerettet haben.
Rettungs- und Schutzmaßnahmen sind ein erster Schritt. Die Ursachen der Flüchtlingskatastrophe sind vielschichtig und komplex, sodass langfristig wirksame Flüchtlingsstrategien an unterschiedlichen Anknüpfungspunkten ansetzen müssen. So wird die Europäische Union beispielsweise auch die Zusammenarbeit mit Nachbarregionen Europas in Afrika und dem Nahen Osten, die Ausgangs- und Transitorte der Flüchtlingsbewegungen sind, ausbauen. Dort geht es darum, staatliche Strukturen zu stärken und den Menschen in ihren Heimatländern bessere Lebens- und Arbeitsperspektiven zu eröffnen.
Die Europäische Union ist auch entschlossen, gegen die Netzwerke von Schleusern und Menschenschmugglern vorzugehen, die mit ihrem Geschäft verzweifelte Menschen in Lebensgefahr bringen. Dazu haben die Außenminister der Europäischen Union am Montag die EU-Mission EUNAVFOR MED beschlossen, um in einem ersten Schritt die Routen und Vorgehensweisen der Schleuser aufzuklären. All das ist Teil des Gesamtansatzes, den die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 23. April beschlossen haben.
Ungeachtet dessen wird Europa aller Voraussicht nach auf absehbare Zeit mit anhaltend hohen Flüchtlingszahlen zu rechnen haben und daher auch Mechanismen entwickeln müssen, die eine Aufnahme, Unterbringung und Integration der bei uns Schutz suchenden Menschen gewährleisten. Die Fortentwicklung des europäischen Migrations- und Asylrechts ist daher ebenso Gegenstand laufender Arbeiten auf europäischer Ebene.
Wichtig für den Erfolg der laufenden Bemühungen wird jedoch sein, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas sie in einem Geiste der Hilfsbereitschaft und Solidarität mittragen. Wir danken Ihnen daher für Ihr Engagement.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier
Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bundesminister des Auswärtigen