Frage an Frank-Walter Steinmeier von Leif H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Steinmeier!
Halten Sie es für sinnvoll, daß wir Bürger durch eine eigene Initiative selbstständig durch einen Volksentscheid unser Grundgesetz ändern können?
Sollen an der nächsten Förderalismusreform (Finanzenausgleich, Finanzierung der Kommunen) Bürger, Landes- und Kommunalpolitiker beteiligt werden? Brauchen wir dazu nicht endlich mal einen Verfassungskonvent?
Herzliche Grüße,
Leif Hansen
Sehr geehrter Herr Hansen,
vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Steinmeier, auf welche ich Ihnen gern antworten möchte.
Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, um einen Volksentscheid auf Bundesebene zu ermöglichen (Bundestagsdrucksache 12/6323). Die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat kam aber schon im Bundestag nicht zustande, weil die CDU/CSU-Fraktion das ablehnte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Bundestagsdrucksache 14/8503) eingebracht, der wiederum erfolglos blieb. Das Regierungsprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2009 enthielt die Aussage: "Direkte Demokratie. Wir wollen Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene ermöglichen und dabei die Erfahrungen in den Ländern berücksichtigen." Der SPD-Bundesparteitag 2011 hat in einem umfangreichen Beschluss „Mehr Demokratie leben“ die Forderung bestätigt, die parlamentarische Demokratie durch Elemente direkter Demokratie zu ergänzen. Auf dieser Grundlage hat die SPD-Bundestagsfraktion Entwürfe für eine Grundgesetzänderung und erstmals auch für ein Bundesabstimmungsgesetz erarbeitet und im Frühjahr 2013 in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksachen 17/13873 und 17/13874).
Nachdem bei der Bundestagswahl 2013 CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der gültigen Stimmen erreicht hatten gegenüber 25,7 Prozent für die SPD war es bei den Koalitionsverhandlungen nicht möglich, Elemente direkter Demokratie gegenüber der CDU durchzusetzen. Die Koalition daran scheitern zu lassen, wäre nicht verantwortbar gewesen, weil wir insgesamt viel erreicht haben. Außerdem hätte eine, dann wahrscheinliche schwarz-grüne Koalition mit einem viel stärkeren Übergewicht von CDU und CSU in diesem Punkt auch keinen Fortschritt erbracht.
Was Ihre Frage zum Verfassungskonvent angeht, kann ich Ihnen mitteilen, dass dieser nach dem DDR-Beitritt im Hinblick auf Art. 146 GG gefordert wurde, was aber bei der CDU/CSU keine Unterstützung fand.
Herzliche Grüße
Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros