Frage an Frank-Walter Steinmeier von Markus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
Sie stehen in ständigem Kontakt mit unseren ukrainischen Partnern in Kiew. In der Volksfrontpartei des Ministerpräsidenten Yatsenyuk agiert ein Militärrat. Einer der Vorsitzenden ist der ehemalige Führer des Rechten Sektors, Andrij Parubij, der verlangt, den Jahrestag der Gründung der SS-Division Galicia zum Nationalfeiertag zu erklären, der andere heißt Andrij Biletsky. Lt. Telegraph vom 11. August 2014 sagte er folgendes (meine Übersetzung, ich bin vom Fach):
"Die historische Mission unserer Nation besteht in diesem kritischen Moment darin, die Weißen Rassen der Welt in einem letzten Kreuzzug für ihr Überleben anzuführen, einem Kreuzzug gegen die Semiten-geführten Untermenschen."
Dieser Mensch sitzt jetzt als Abgeordneter in der Verkhovna Rada.
Während des Besuchs Yatsenyuks bei der Kanzlerin äußerte dieser:
"Wir können uns alle sehr gut auf den sowjetischen Anmarsch auf die Ukraine und nach Deutschland erinnern. Das muss man vermeiden und keiner hat das Recht, die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges neu zu schreiben."
Das ist eine erstklassige Verdrehung der Geschichte. Meine Fragen lauten:
Sind Ihnen diese Aussagen bekannt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, haben Sie sie in Ihren Gesprächen mit der Regierung in Kiew angesprochen oder werden Sie dies nachholen?
Vielen Dank im voraus für die Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Markus Söderling
Sehr geehrter Herr Söderling,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. Februar.
Die Äußerungen des Kommandeurs des Bataillons Asow, Bilezky, der als unabhängiger Direktkandidat in die Rada gewählt wurde, und weitere einschlägige Vorfälle in Zusammenhang mit diesem Bataillon sind mir bekannt. Der deutsche Botschafter in Kiew hat diese gegenüber den ukrainischen Behörden angesprochen und dabei deutlich gemacht, dass die von Mitgliedern des Bataillons gezeigte Geisteshaltung aus unserer Sicht nicht tolerabel ist.
Natürlich bin ich mir auch bewusst, wie schwierig für viele Ukrainer die Bewertung der Handlungen ihrer Landsleute ist, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die sowjetische Armee gekämpft und dabei teilweise mit Nazi-Deutschland kollaboriert haben. Auch diese Fragen werden bei hochrangigen Gesprächen mit Vertretern der ukrainischen Regierung thematisiert, ohne dass wir unseren ukrainischen Freunden vorschreiben, wie sie ihre eigenen Geschichte zu verstehen hätten. Dass der Gründungstag einer SS-Division kein Feiertag sein kann, ist dabei natürlich unstrittig.
Ich fühle mich nicht berufen, die von Ihnen zitierten Äußerungen des ukrainischen Ministerpräsidenten im deutschen Fernsehen zu interpretieren. Die Haltung der Bundesregierung zu den von ihm angesprochenen historischen Ereignissen ist jedoch klar und allgemein bekannt:
Nazi-Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg einen furchtbaren Angriffskrieg gegen die Sowjetunion geführt. Bis heute unvergessen sind die Verbrechen und Schandtaten, die in diesem Krieg im deutschen Namen begangen wurden und die bei zahllosen Russen, Ukrainern und anderen Menschen in der Sowjetunion unbeschreibliches Leid angerichtet haben.
Dieser Krieg wurde auch auf dem heutigen Staatsgebiet der unabhängigen Ukraine mit besonderer Brutalität geführt. Auch hier sind schreckliche Verbrechen begangen worden, etwa die grausame Ermordung von Zehntausenden Menschen jüdischen Glaubens im Tal von ‚Babij Jar‘ am Rande von Kiew.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier