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Frage von Christian S. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Christian S. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

ich hätte eine Frage zur Politik der SPD im Bezug auf Linksextremismus und Islamismus. Frau Schwesig sagte darüber das Problem sei "Nur aufgebauscht" und strich die Gelder für den Kampf dagegen. Nun gab es die Anschläge in Paris durch den "nur aufgebauschten" Islamismus und Angriffe (etwas weniger beachteten Angriffe, die Gott sei Dank keine Toten forderten, was aber dank der Krähenfüße durchaus hätte passieren können!) auf das Rathaus des von der SPD regierten Bezirkes Neukölln: http://www.morgenpost.de/bezirke/neukoelln/article136270617/Festgenommene-nach-Angriff-auf-Rathaus-Neukoelln-wieder-frei.html
Deshalb meine Frage:
Sollten die Programme gegen Islamismus und Linksextremismus die Frau Schwesig gestrichen hat, nicht wiederbelebt werden angesichts all dessen was passiert ist?
Ich will ehrlich sein; ich fühle mich als Bürger veralbert wenn ständig Leute von Islamisten ermordet werden, Linksradikale Tausende Autos anzünden, Polizeiwachen überfallen ( http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_72440324/berlin-neukoelln-dutzende-vermummte-attackieren-rathaus-und-geschaefte.html ) und auf Demos mit Steinen & Feuerwerk & Molotowcocktails Leute bewerfen und dann eine Politikerin sagt das Problem sei "nur aufgebauscht" ( http://www.welt.de/politik/deutschland/article129635099/Linksextremismus-ist-ein-aufgebauschtes-Problem.html ).
Sie streicht die Programme, weil sie angeblich wirkungslos sind.
Meine Frage wäre:
Würde man auch alle Programme gegen Rechtsextremismus streichen, wenn sie wirkungslos bleiben? Wohl nicht, warum auch? Also wüsste ich schon gerne was Sie, Frau Schwesig und die SPD nun nach diesen Anschlägen tun wollen? Ich hätte diese Frage gerne auch Frau Schwesig gestellt, aber sie ist auf abgeordnetenwatch nicht zu finden.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schubert,

vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Steinmeier, auf die ich Ihnen gern antworten möchte. Ich habe dazu auch Kontakt mit dem zuständigen Ministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jungend aufgenommen. Sollten Sie weiterhin an der Meinung von Manuela Schwesig zu diesem Thema interessiert sein, können Sie auch folgende Emailadresse für Ihre Anfrage verwenden: poststelle@bmfsfj.bund.de oder den Bürgerservice kontaktieren: 030 201 791 30.

Nun zu Ihrer Anfrage: Zum 1. Januar diesen Jahres ist das neue Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ gestartet. Das Bundesprogramm unterstützt Vereine, Projekte und Initiativen, die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen und insbesondere gegen Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit arbeiten. Mit der Aufstockung der Mittel für das Förderprogramm durch den Deutschen Bundestag um 10 Mio. Euro auf nun insgesamt 40,5 Mio. Euro, ist die Radikalisierungsprävention gegen gewaltorientierten Islamismus, Salafismus und Antisemitismus ein weiterer zentraler Schwerpunkt des neuen Bundesprogramms geworden.

Nachfolgend möchte ich Sie darüber informieren, welche Maßnahmen im Rahmen des Bundesprogramms in Angriff genommen werden sollen, um einerseits Islam- und Muslimfeindlichkeit und andererseits gewaltorientiertem Islamismus und Salafismus präventiv zu begegnen.

„Partnerschaften für Demokratie“
Die Präventionsarbeit kann immer nur vor Ort stattfinden. Sie ist im ganzen Land unverzichtbar. Deshalb wird es mehr Partnerschaften für Demokratie geben. 10 zusätzliche Landkreise und Kommunen werden bei der Gründung ihrer regionalen „Partnerschaft für Demokratie“ unterstützt. Damit werden zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesprogramme jetzt auch explizit regionale Netzwerke zur Radikalisierungsprävention gegen gewaltorientierten Islamismus ermöglicht. Insgesamt strebt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an, in den nächsten 5 Jahren bundesweit 230 regionale „Partnerschaften für Demokratie“ zu fördern. Für die regionalen Partnerschaftsnetzwerke werden zusätzlich 1 Mio. € als Sondermittel zur Verfügung gestellt, um präventive Maßnahmen gegen gewaltorientierten Islamismus vor Ort durchzuführen.

Mehr Opfer-, Ausstiegs- und mobile Beratung in den Demokratiezentren
Über die enge Zusammenarbeit mit allen 16 Bundesländern finanziert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits seit Jahren wichtige Beratungsstrukturen zum Umgang mit gewaltbereiten Rechtsextremisten und anderen gefährlichen Ideologen. Im Rahmen der finanziellen Aufstockung des Bundesprogramms sind die Ausweitung der Arbeit der Demokratiezentren der Bundesländer und deren Beratungsangebote mit dem Schwerpunkt gegen gewaltbereiten Islamismus vorgesehen.

Neue Modellprojekte im Bereich Islam- und Muslimfeindlichkeit Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrung tragen zum Radikalisierungsprozess bei.
Im Rahmen des Bundesprogramms sind daher auch Maßnahmen gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit bzw. zum Abbau der Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen als Teil der Präventionsarbeit umfasst. Hier werden 14 Projekte mit fast 1,5 Mio. € pro Jahr gefördert. Beispiel: Das Forum der Kulturen Stuttgart e.V. wird als Dachverband der Migrantenvereine diese für das Thema Muslimfeindlichkeit und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sensibilisieren, Thema wird hier auch der Alltagsrassismus sein. Anhand von Fortbildungen sollen einerseits eigene Diskriminierungserfahrungen („Opfer“) thematisiert, als auch eigene Vorurteile und Rassismen („Täter“) problematisiert werden. Geplant ist zudem ein Theaterstück zum Thema, ein Fachbeirat für Antidiskriminierungsaktivitäten sowie die Verabschiedung einer „Charta gegen Islamfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.

Neue Modellprojekte im Bereich Radikalisierungsprävention Islamismus
Es werden neue Modellprojekte im Bereich der Radikalisierungsprävention Islamismus gefördert – mit insgesamt über 2,2 Mio. € pro Jahr. Beispiel: IFAK e.V. wird mit dem Projekt „#selam – Gemeinsam stark im Pott“ ein Netzwerk initiieren, in dem 20 Mitarbeitende aus Jugendverbänden, Moscheegemeinden, Migrantenorganisationen und Hochschulen zu Coaches ausgebildet werden. Diese werden 200 Jugendliche unter anderem zu den Themen Demokratiebewusstsein, religiöser Radikalismus und Gewalt sowie der Rolle von Internet und Social Media bei Radikalisierungsprozessen weiterschulen.

Erstmalige Förderung bundeszentraler Träger für Demokratie
Seit Anfang dieses Jahres werden erstmalig überhaupt bundeszentrale Träger auf 5 Jahre mit bis zu 200.000 € pro Jahr gefördert, die neben ihrer Arbeit gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und andere menschenverachtende Ideologien insbesondere auch Präventionsprojekte im Bereich Islamismus sowie Islam- und Muslimfeindlichkeit durchführen. Beispiel: Dialog macht Schule bildet Studierende überwiegend mit Migrationshintergrund zu Mentor/innen politischer Bildung, den sogenannten Dialogmoderator/innen aus. Diese begleiten Jugendliche an Schulen in sozialen Brennpunkten ab der 7. Klasse über zwei Jahre in einem Zusatzangebot zum Regelunterricht. Die Dialogmoderator/innen schaffen durch Authentizität neue Zugänge gerade zu den Jugendlichen, die vermeintlich wenig mit Politik am Hut haben und sich oft nicht als Teil dieser Gesellschaft verstehen. Themen wie der Islam, aber auch Religion an sich, Grund- und Menschenrechte, Identität, Heimat, Mobbing und Rassismus können besprochen, vertieft und neu verstanden werden. Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern Chancen und Wege zur Teilhabe in einer Demokratie aufzuzeigen und sie gemeinsam mit ihnen zu erproben. Fachgespräche und Konferenzen zur Problematik des gewaltorientierten Islamismus und zur Islam- und Muslimfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird im Laufe des Jahres Fachgespräche und Konferenzen zum Erfahrungsaustausch im Bereich der Extremismusprävention mit internationalen Partnern durchführen. Auch werden gezielt Präventionsprojekte in Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen vorangetrieben.

Arbeit gegen Hasspropaganda/ Hate Speech im Internet
Ein weiterer Schwerpunkt wird das Thema „radikaler Islamismus im Internet“ sein. Die Hasspropaganda/ Hate Speech im Internet tragen in höchst problematischer Weise zu Radikalisierungsprozessen bei. Deswegen ist in diesem Bereich ein Schwerpunktprojekt u.a. zum Monitoring von Szenen, islamistischen Netzwerken und Propagandastrategien, zur Arbeit mit Providern/ Plattformbetreibern und zur Aufklärungsarbeit von Jugendlichen, Eltern und pädagogischen Fachkräften mit 300.000 € vorgesehen. Dazu erfolgen noch im Januar erste Abstimmungsgespräche mit jugendschutz.net und der Bundeszentrale für politische Bildung.

Praxisorientierte Forschung im Bereich Radikalisierungsprävention gegen gewaltbereiten Islamismus
Nach wie vor gibt es zu wenig Wissen darüber, wie Radikalisierungsprozesse konkret ablaufen und vor allem, welche Anknüpfungspunkte es gibt, diese Prozesse zu stoppen oder am besten gar nicht erst entstehen zu lassen. Deswegen wird es im Rahmen des Bundesprogramms hierzu konkret praxisorientierte Forschung und einen intensiven Fachaustausch geben.

Engste Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Akteuren: IMA Demokratieförderung und Extremismusprävention
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zusammen mit dem Bundesministerium des Inneren im letzten Jahr die interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) „Demokratieförderung und Extremismusprävention“ ins Leben gerufen. Die Ziele der IMA sind die Erfassung, Optimierung und Bündelung von Maßnahmen der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, die Entwicklung einer diesbezüglichen ressortübergreifenden Strategie sowie die Aktualisierung des „Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogener Intoleranz“ (NAP). Darüber hinaus finden engste Abstimmungen mit den Bundesländern und den kommunal verankerten Partnerschaften für Demokratie statt.

Zudem gibt es beim Bundesministerium des Innern auch in 2015 einen "Topf", aus welchem Projekte für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus mit 6 Millionen Euro jährlich gefördert werden. Der dortige Extremismusbegriff beinhaltet auch den Linksextremismus. Für nähere Informationen können Sie auch hier nachfolgende Emailadresse verwenden: poststelle@bmi.bund.de oder sich direkt mit dem Bürgerservice in Verbindung setzen, welchen Sie unter 030-18 681-0 von Montag bis Freitag in der Zeit von 7:00 – 20:00 Uhr erreichen.

Mit freundlichem Gruß

Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros