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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Birgit M. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Birgit M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

Russland ist sicherlich ein Brecher des Völkerrechts. Dies muss scharf verurteilt werden. Obendrein ein Land ohne freie Presse und überhaupt.

Wir - der Westen und die EU - leben aber doch auf der guten Seite. Hier herrschen Recht und Gesetz und alle EU-Länder und die , die es werden wollen, müssen doch demokratisch und rechtsstaatlich sein. So wird es uns jeden Tag gepredigt.

Aber nun lese ich in der Zeitung, dass unsere neuen Freunde in der Ukraine mit Anwartschaft auf einen EU-Beitritt und kurzerhand der Bevölkerung im Kriegsgebiet der Ostukraine ihre Renten und Sozialleistungen ersatzlos streicht und nicht mehr auszahlen.

Vermutlich will man die Bevölkerung dort "aushungern", weil sie die "Russen" unterstützt.?

Heute ist in der Welt zu lesen, dass es zu Hungersnöten insbesondere unter den Alten kommt. An anderer Stelle steht, dass Russland - nicht aber Europa - Brot und Lebensmittel in die Ostukraine liefert und Geld an internationale Hilfsorganisationen zur Versorgung der dortigen Bevölkerung gegeben hat. Ich bin sprachlos! Die verarmten Russen - selbst kurz vor dem Staatsbankrott stehend - leisten humanitäre Hilfe .

Ich gehe mal davon aus, dass es auch in der Ukraine so etwas wie einen gesetzlichen Anspruch der Menschen auf ihre Renten und Sozialleistungen gibt. Spätestens seit dem EU Asozierungsabkommen.

Meine Fragen:
1) Ist aus Ihrer Sicht das Streichen von Renten und Sozialleistungen durch die Regierung der Ukraine rechtmäßig und rechtsstaatlich?
2) Werden Kredite/Unterstützungszahlungen der EU - also von der guten Seite der Welt - an die Ukraine an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundsätzen geknüpft? Welche Sanktionen gibt es für dieses Verhalten der Ukrainischen Regierung?
3) Gibt es seitens von Deutschland/der EU Hilfsleistungen bzw. Hilfsmaßnahmen für die Zivil-Bevölkerung in der Ostukraine?

Mit freundlichen Grüßen
B. Mohr

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Mohr,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 18. Dezember 2014 an Herrn Steinmeier, auf die ich Ihnen gern antworten möchte.

Lassen Sie mich vorab festhalten, das die Bundesregierung mit Nachdruck die territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt und ihre unabhängige, demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung unterstützt, die die Rechte aller Bürger unabhängig von Herkunft, Religion oder Sprache achtet und ihnen eine freie Entscheidung über die Zukunft ihres Landes ermöglicht. All dies sind Werte, auf denen das Europa von heute aufgebaut ist. Für diese Werte einzustehen, liegt in unserem grundsätzlichen Interesse. Dabei sind selbstverständlich auch die Interessen der Bewohner des Ostens des Landes zu berücksichtigen, die derzeit unter der Herrschaft bewaffneter Gruppen stehen, die keinerlei demokratischen Prinzipien entspricht.

Ich bin überzeugt, dass der Regierung der Ukraine die Entscheidung über die Einstellung der Auszahlung von Sozialleistungen und Renten nicht leicht gefallen ist. Hintergrund des Vorgehens der Regierung der Ukraine bildete unter anderem der weitgehende Zusammenbruch des Bankensystems in den von Separatisten kontrollierten Gebieten und dass Überweisungen dadurch nicht mehr möglich waren. Berichtet wurde auch von Überfällen der Separatisten auf Geldautomaten und Beraubungen von Rentnern, die Geld erhalten hatten. Die ukrainische Regierung hat nach unserer Kenntnis öffentlich mitgeteilt, dass die Ansprüche auf Rentenzahlungen dadurch, dass sie derzeit nicht ausgezahlt werden können, keinesfalls verfielen.

Kredite und Unterstützungszahlungen der verschiedenen internationalen Geber sind an unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Für uns ist wichtig, dass es einen Zusammenhang zwischen unsere Unterstützung und der Umsetzung umfassender Reformen durch die ukrainische Regierung gibt. Im Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU ist ein Reformprogramm vereinbart, dass auch der Stärkung von Rechtstaatlichkeit und Demokratie dienen wird. Insofern gibt es eine klare Verbindung zwischen unserer Unterstützung und weiteren Verbesserungen in diesen Bereichen. Dabei darf nicht übersehen werden, das seit dem Februar letzten Jahres bei Rechtsstaatlichkeit und Demokratie schon Fortschritte erreicht wurde, wie beispielsweise der Verlauf der Wahlen im Mai und im Oktober gezeigt hat.

Das Auswärtige Amt hat 2014 Mittel für humanitäre Hilfe in Höhe von 7,88 Mio. Euro für die Ukraine zur Verfügung gestellt, ferner wurden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 10 Mio. Euro für einen Hilfstransport und 25 Mio. Euro für winterfeste Unterkünfte für Binnenflüchtlinge bereitgestellt. Diese Hilfe kam größtenteils Bewohnern der Ostukraine und aus der Ostukraine geflüchteten Personen zugute. Menschen, die in den von Separatisten kontrollierten Teilen der Ostukraine leben, werden allerdings aufgrund der dortigen Sicherheitslage bislang von unserer Hilfe kaum erreicht. Deshalb sind die Bedingungen für den Zugang und die Sicherheit von internationaler und ukrainischer humanitärer Hilfe für diese Gebiete eines der Themen, die derzeit in der OSZE-Kontaktgruppe intensiv behandelt werden. Dabei ist zu betonen, dass die Separatisten jedoch bislang den Zugang dafür verweigern. Dieses Thema hat Herr Steinmeier auch beim Treffen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich am 12. Januar in Berlin erörtert.

Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier