Frage an Frank-Walter Steinmeier von Maximilian B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
Es ist ein beruhigendes Gefühl, angesichts der konfliktreichen Lage in Europa und Nahost, einen Menschen wie Sie im Amt zu wissen. Gleichwohl werfen mir einige Punkte Fragen auf. Befinden wir uns tatsächlich in einer Drucksituation die es unmöglich macht, ergebnisoffen über den Einfluss der USA auf das Geschehen in der Ukraine nachzudenken? Es ist ein allgemeines Misstrauen insbesondere in Bezug auf die offiziellen Meldungen zur Ukraine-Krise entstanden, was auch das Vertrauen in die Medien insgesamt beeinträchtigt. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/ZAPP-Studie-Vertrauen-in-Medien-gesunken,medienkritik100.html
Misstrauen entsteht aus meiner Sicht schon daraus, dass die Argumentationskette, mit der Russland als Hauptschuldiger am Ukraine-Konflikt dargestellt wird, oftmals nicht einleuchtet. Man ahnt, dass da irgendetwas nicht klar, eventuell sogar gezielt einseitig dargestellt wird. Es führt zu weiterem Misstrauen, wenn man feststellt, über die US-amerikanischen Interessen in diesem Konflikt kaum bis gar keine Informationen aus den Medien zu erhalten. Dabei ist deren Relevanz offensichtlich: Der US-Stratege Zbigniew Brzeziński führt vielfach aus, welche Schlüsselrolle der Ukraine bei der angestrebten Einhegung Russlands in das globale Gefüge zukommt. Eine seiner vielen Publikationen ist „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“.
Auch die Wolfowitz-Doktrin enthalten in Bezug auf Russland deutliche Worte: http://en.wikipedia.org/wiki/Wolfowitz_Doctrine#Russian_threat
Boris Jelzin handelte im Einklang zur obigen Strategie. In seiner Amtsszeit nahm die Korruption stark zu und die Lebenswerwartung des Russen verringerte sich von 69 auf 64 Jahre (http://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.IN?page=4)). Steht Putin also wirklich für die "schlechtere" Politik? Und muss er dafür bestraft werden, sich nicht weiter in den "Westen" einhegen lassen zu wollen?
Sehr geehrter Herr Blum,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 17. Dezember 2014 an Herrn Steinmeier, auf die ich Ihnen gern antworten möchte.
Die Bundesregierung hat sich bilateral, aber auch im Rahmen der OSZE, des NATO-Russlandrats und der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland stets für den Ansatz kooperativer Sicherheit und einen vertrauensvollen Dialog mit Russland auch über Sicherheitsfragen eingesetzt. Nach Jahren der Annäherung und wachsender Partnerschaft zwischen Russland und Europäischen Union nach dem Ende des Kalten Krieges hat zuletzt die politische Entfremdung wieder zugenommen.
Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ostukrainegrundlegende Prinzipien der europäischen Sicherheitsordnung in Frage gestellt: die Unverletzlichkeit von Grenzen und die Nicht-Anwendung von Gewalt, wie sie in der Helsinki-Schlussakte auch von Russland zugesichert ist.
Deutschland und die Europäische Union haben gemeinsam mit anderen Partnern auf diese Herausforderung mit großer Einmütigkeit reagiert: Ein zweigleisiger Ansatz aus politischem Druck und Dialogbereitschaft soll den Weg zu für alle Seiten hinnehmbaren politischen Lösungen ebnen helfen. Dazu gehören auch gezielte Sanktionen.
Eine Lösung des Konflikts in der Ukraine kann allerdings nur auf politischem Wege erreicht werden. Auf einem solchen politischen Weg sind die Sanktionen auch wieder umkehrbar. Die Bundesregierung hat mit einer Vielzahl von Initiativen dazu beigetragen, immer wieder den Boden für politische Gespräche zu bereiten, zuletzt fand am 12.01.15 in Berlin auf Einladung von Minister Steinmeier ein Treffen mit den Außenministern Russlands, der Ukraine und Frankreichs statt.
Niemand kann 25 Jahre nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Kriegs ein Interesse an der Entstehung neuer Trennlinien auf dem europäischen Kontinent haben. Denn dauerhafte Sicherheit in und für Europa wird es nur mit und nicht gegen Russland geben. Und es gilt auch: Dauerhafte Sicherheit, Stabilität und Prosperität in Russland wird es nur mit und nicht gegen Europa geben. Auf diesen Grundgedanken gestützt wird die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Partnern weiterhin nach Möglichkeiten suchen, nicht nur für Lösungen im Ukraine-Konflikt, sondern um langfristig die Instrumente der kooperativen Sicherheit in Europa wieder zu stärken.
Der OSZE kommt bei einem solchen Gesprächsprozess eine Schlüsselrolle zu. Die Bundesrepublik wird im Jahr 2016 den Vorsitz der OSZE übernehmen und will in dieser Zeit alles tun, um das Vertrauen der Mitglieder untereinander wieder zu stärken und den ernsthaften Dialog wieder in Gang zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier