Frage an Frank-Walter Steinmeier von Eckhard H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Minister,
das AA hat die Aktion "Review 2014 Außenpolitik weiter denken" gestartet. Angesichts von immer neuen Anfragen zum deutschen Engagement im Ausland bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen des Bundeshaushaltes stellt sich die Frage nach der Zielsetzung Ihrer löblichen Initiative. Sollte nicht das AA federführend eine Überarbeitung der Geschäftsverteilung (GOBReg)für das Bundeskabinett und eine "Aufgabenkritik bei allen Institutionen des Staates", die bei internationalen Themen involviert sind, anstoßen?
Allein die Unübersichtlichkeit bei deutschen Akteuren aus AA, BMZ (zzgl. GIZ, KfW, Consultants etc.)BMVg und BMWi sowie anderer BM mit "Kleinstinitiativen" bedeutet hohe Verwaltungskosten. Darin noch nicht eingerechnet, was Deutschland anteilig für "Ideen und Prozesse" von VN und EU (EuropeAid etc.) aufwänden muss.
M.E. zeigt das "Allzeithoch an Krisen und Flüchtlingen", das ein "Hochrüsten von Institutionen" im Ergebnis eher Organisationsversagen als Hilfe für die Betroffenen vor Ort bedeutet. Jedes Unternehmen muss sich schlagkräftig auf wesentliche Handlungsfelder im Rahmen der Globalisierung einstellen und hierfür die "Apparate" anpassen. Ich glaube, dieser Prozess sollte auch vom öffentlichen Dienst zeitnah inhaltlich und strukturell durchgeführt werden. Dafür könnte Ihr "Review ein erster Milestone" sein. In jedem Fall sollten Strukturen von der GroKo hinterfragt werden. Dafür braucht man Ausdauer und Motivation. Letztere sollte sich aus dem Umstand speisen, Steuermittel für wesentliche internationale Interventionen zu verwenden, die aktuell und künftig Menschen in ihren Herkunftsländern (Stichwort Flüchtlinge) helfen.
Insofern wünsche ich Ihnen viel Erfolg-in der Hoffnung, dass man bald mehr in der Presse über eine kohärente, effiziente Außenpolitik Deutschlands lesen kann.
Sehr geehrter Herr Heine,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Prozess „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken“. Ich habe den Review-Prozess direkt bei meinem Amtsantritt im Dezember des vergangenen Jahres initiiert, denn wir brauchen heute einen erwachsenen, aufgeklärten Diskurs über den institutionellen Rahmen, in dem sich unser außenpolitisches Handeln bewegen soll, über das Maß an Verantwortung, das wir in den nächsten 10, 20 Jahren schultern können, aber auch darüber, wo die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit sind. Die Antworten darauf ergeben sich nicht im Alltag unserer Arbeit so ganz nebenbei.
Wie Sie richtig schreiben, die Erwartungen an Deutschlands Engagement im Ausland steigen. Gleichzeitig sehen wir uns einer spürbaren Zurückhaltung in der deutschen Bevölkerung gegenüber. Aber ein Land wie Deutschland, dass so sehr wie kaum ein anderes weltweit vernetzt ist, von der Globalisierung lebt und zugleich davon abhängig ist – so ein Land muss auch bereit sein, mehr Verantwortung zu wagen. Eine aktive deutsche Außenpolitik ist nicht ‚nice-to-have‘, sondern existenzielle Notwendigkeit! Gerade die Krisen der vergangenen Monate haben den meisten Menschen bewusst gemacht: Uns kann nicht gleichgültig sein, was da draußen passiert. Wir leben eben nicht auf einer Insel der Seligen.
Über das Warum, Wie und Wofür deutscher Außenpolitik gibt es seit Anfang des Jahres einen regen Dialog zwischen nationalen und internationalen Experten, Vertretern des Auswärtigen Amts, organisierter Zivilgesellschaft und interessierter Öffentlichkeit – online auf der eigenen Webseite www.review2014.de und offline auf Diskussionsveranstaltungen im ganzen Land: Welche Schwerpunkte und Prioritäten sollte Deutschland in seiner Außen- und Sicherheitspolitik setzen? Was sind die außenpolitischen Themen der Zukunft? Für welche Werte stehen wir in der deutschen Außenpolitik? Wer sind die wichtigsten Partner und die Verbündeten Deutschlands?
Auf der diesjährigen Botschafterkonferenz Ende August, die ebenfalls unter Motto des Review-Prozess stattfand, haben wir begonnen, diese Ergebnisse aus Expertenbeiträgen und öffentlichem Dialog auch innerhalb des Auswärtigen Amt zu diskutieren. Wir müssen uns fragen: Was ist wichtig, was ist weniger wichtig in unserer Arbeit? Was können wir mit unserem Instrumentarium leisten und was nicht? Wie können wir schneller auf Krisen reagieren? Und wie können wir effektive Mittel ergreifen, um Krisen dort vorzubeugen, wo Staatlichkeit zu scheitern droht? Wie verzahnen wir neue Gebiete der Außenpolitik – das Stichwort Digitalisierung zum Beispiel – mit den Mitteln der Außenpolitik – wie etwa Kultur und Bildung? Was bedeutet die Übernahme von mehr Verantwortung für unsere Prozesse, unser diplomatisches Handwerkzeug, unsere Hauskultur?
Sie werfen in Ihrem Schreiben zwei zentrale Fragen auf, auf die wir ebenfalls Antworten finden müssen: Was bedeutet eine aktive Außenpolitik für die koordinierende Rolle des Auswärtigen Amt innerhalb der Bundesregierung? Und wie gehen wir mit nicht-staatlichen Akteuren (NGOs, Unternehmen, etc.) um, die mehr und mehr die internationalen Beziehungen mit prägen? Ihr Vorschlag einer kompletten Strukturänderung geht da schon ziemlich weit. Aus meiner Sicht muss es vornehmlich darum gehen, Prozesse und Mentalitäten, an die sich ändernden Umstände anzupassen.
Denn Sie kritisieren zu Recht, dass die Summe internationalisierter Fachpolitiken noch keine strategisch ausgerichtete, einheitliche deutsche Außenpolitik ergibt. Dem Auswärtigen Amt kommt daher eine Plattformfunktion für die Bündelung und Integration ganz unterschiedlicher Fachpolitiken zu einer schlüssigen Außenpolitik zu. Nur wenn wir in Netzwerken denken und arbeiten, in die wir alle staatlichen und nicht-staatlichen Akteure der Außenpolitik integrieren – nur dann wird es uns gelingen, eine aktive, kohärente und effiziente Außenpolitik „aus einem Guss“ zu betreiben.
Anfang 2015 werde ich die Ergebnisse der verschiedenen Phasen des Review-Prozesses sowie meine Schlussfolgerungen daraus präsentieren. Bis dahin liegen noch viele Möglichkeiten der Diskussion und des Austauschs vor uns: auf Diskussionsveranstaltungen, auf unserer Webseite, wo kontinuierlich Beiträge aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, aber auch von interessierten Bürgerinnen und Bürgern veröffentlicht werden, die wiederum diskutiert und kommentiert werden können. Die Debatte geht weiter, und wir freuen uns über jede Anregung.
Ich hoffe, dass Sie den Review-Prozess und die deutsche Außenpolitik weiterhin kritisch verfolgen und möchte mich nochmals für Ihre konstruktiven Anmerkungen bedanken.
Mit freundlichen Grüßen
Frank-Walter Steinmeier