Frage an Frank-Walter Steinmeier von Richard K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
nach Bericht der Niederlande wird vermutet, dass es sich beim Absturz von Flug MH17 der Malaysian Airlines um einen Abschuss handelt. Ob nun Luft-Boden oder Luft-Luft Raketenbeschuss oder MG wurde offen gelassen. Mir ist bewusst, dass die auswertende Stelle auch ohne diesem brisanten Hintergrund nicht Stellung in Bezug auf einen Schuldigen nehmen darf. Auch die Tatsache, dass ein abschließender Bericht erst in ca. einem Jahr erfolgen soll kann noch akzeptiert werden. Nicht akzeptieren kann ich in dieser Angelegenheit die Einstufung des Funkverkehrs als Geheim, so wie es der Partei Die Linke aufgrund ihrer kleinen Nachfrage mitgeteilt wurde.
Die OSZE legte jüngst einen Bericht vor in dem kein Eindringen russischer Truppenverbände in das derzeitige Territorium der Ukraine bestätigt werden kann. Beweise wurden auch durch die nicht neutralen Stellen bis dato keine vorgelegt, die als stichhaltig angesehen werden können.
Aufgrund der ungeklärten Schuldfrage, sowie dem vorgelegten Bericht der OSZE, kann ich keinen Grund mehr erkennen warum Sanktionen gegen Russland aufrecht erhalten werden sollen. Denn diese wurden, so zumindest der Presse zu entnehmen, deswegen erhoben, oder? Die nun beschlossene, aber noch nicht umgesetzte Verschärfung der Sanktionen beruht, wiederum aus der Presse ersichtlich, auf dem zweiten Punkt.
Ich bitte Sie daher den Wortlaut der Beschlüsse offen zu legen, welcher sowohl zu den Sanktionen als auch zum Beschluss diese zu verschärfen führten. Alternativ eine Bekanntgabe der Fakten, die wirklich zu den Sanktionen führten.
Vielen Dank für ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen,
Richard Kühne
Sehr geehrter Herr Kühne,
Sie fragen nach der Begründung der gegenüber Russland ergriffenen Sanktionen. Diese sind allesamt öffentlich verfügbar. Gerne erteilen wir Auskunft.
Die Bundesregierung ist zunächst der Überzeugung, dass nachhaltige Sicherheit in Europa langfristig nur gemeinsam mit und nicht gegen Russland erreicht werden kann. Daher hat sie sich im Rahmen der OSZE, des NATO-Russlandrats und der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland stets für den Ansatz kooperativer Sicherheit und einen vertrauensvollen Dialog mit Russland über Sicherheitsfragen eingesetzt.
Die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ostukraine gefährden die europäische Friedens- und Nachkriegsordnung und internationales Recht eklatant. Russland untergräbt damit in nicht hinnehmbarer Weise das für den genannten Austausch erforderliche Vertrauen. Deutschland und die Europäische Union haben aus diesem Grund, ebenso wie beispielsweise die G7-Partner, in großer Einmütigkeit klare Antworten gegeben. Die bisher verabschiedeten Maßnahmenpakete der Europäischen Union gegen die für die illegale Annexion und die fortgesetzte Destabilisierung der Ostukraine Verantwortlichen und ihre Unterstützer sehen unter anderem Einreiseverbote und Kontensperren vor. Ende Juli wurden mit Blick auf die Aktivitäten russischer Einheiten auf ukrainischem Boden zudem gezielte sektorale Wirtschaftssanktionen beschlossen, ebenso wie ein Waffenembargo gegen Russland, das verbindlich für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten künftige Rüstungsgeschäfte mit Russland untersagt.
Die Europäische Union und ihre Partner senden mit diesem Maßnahmen sehr eindrückliche Signale, die die russische Regierung zu einer Kursumkehr und zu einer konstruktiveren Haltung bewegen sollen. Gleichzeitig appellieren wir weiterhin auch an die ukrainische Führung, ihre Verpflichtungen und Zusagen ebenfalls zu erfüllen.
Sanktionen sind aber kein Selbstzweck, sie dienen der Schaffung von Gesprächsbereitschaft. Sie sollen den Weg zu politischen Lösungen ebnen und werden insofern gezielt auf eine konkrete Konfliktsituation abgestimmt. Die Bundesregierung hat in einer Vielzahl von Initiativen dazu beigetragen, den Boden für solche politischen Gespräche zu bereiten.
In Anbetracht der unkalkulierbaren Risiken stillschweigender Akzeptanz des russischen Verhaltens ist die Bundesregierung allerdings der Überzeugung, dass die internationalen Maßnahmen und die Inkaufnahme der damit verbundenen Kosten notwendig und ohne Alternative sind. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang des hohe Maß an Unterstützung, das beispielsweise die deutsche Wirtschaft zum Ausdruck gebracht hat.
Der dreistufige Charakter des aktuellen Sanktionsregimes wurde im konkreten Fall bei einer Sondersitzung der EU-Staats- und Regierungschefs am 6. März beschlossen und schrittweise umgesetzt, in Reaktion auf die fortlaufenden Verletzungen der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität durch Russland. Hier finden Sie die Erklärung der Staats- und Regierungschefs: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/141381.pdf (insb. Randnummern 4 und 5). Die aktuelle Beschlusslage ist ebenfalls immer öffentlich und findet sich jeweils auf der Internetseite des Europäischen Rates: http://www.consilium.europa.eu/homepage/highlights/further-economic-sanctions-on-russia?lang=de
Die fortgesetzte Destabilisierung der Ostukraine ist im Übrigen auch wesentlich dafür verantwortlich, dass tragische Ereignisse wie das des Flugs MH17 entstehen können.
Wir verweisen auf den öffentlichen "BESCHLUSS 2014/512/GASP DES RATES vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren" hinweisen, der unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014D0512&from=DE abrufbar ist. Unter den insgesamt 13 Erwägungsgründen für die restriktiven Maßnahmen wird auch der Absturz von MH 17 erwähnt:
"(5) Am 22. Juli appellierte der Rat an die Russische Föderation, aktiv von ihrem Einfluss auf die illegal bewaffneten Gruppen Gebrauch zu machen, um einen umfassenden, sofortigen, sicheren und geschützten Zugang zu dem Gelände des Absturzes von Malaysian-Airlines-Flug MH17 in Donezk, eine uneingeschränkte Zusammenarbeit bei der Bergung der sterblichen Überreste und der persönlichen Habe und eine uneingeschränkte Zusammenarbeit bei der unabhängigen Untersuchung zu ermöglichen, einschließlich eines ungehinderten Zugangs zu dem Gelände, solange dies für die Untersuchung und möglichen Folgeuntersuchungen erforderlich ist."
Eine wesentliche Begründung für die Vertiefung der Maßnahmen mit Wirkung vom 12.9.2014 war der wachsende Zustrom von Waffen und Kämpfern aus dem russischem Hoheitsgebiet. Die Formulierung findet sich im ebenfalls öffentlichen "BESCHLUSS 2014/659/GASP DES RATES vom 8. September 2014 (aufrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:JOL_2014_271_R_0009&qid=1410896566485&from=DE) unter Erwägungsgrund (2):
"(2) Der Europäische Rat hat am 30. August 2014 den wachsenden Zustrom von Kämpfern und Waffen aus dem Hoheitsgebiet der Russischen Föderation in die Ostukraine und die Aggression russischer Streitkräfte auf ukrainischem Boden verurteilt."
Die EU und auch die G7 haben immer wieder betont, dass die Sanktionen umkehrbar sind. Bisher fehlen dafür allerdings die Voraussetzungen. Aktuell bieten die Minsker Beschlüsse zu einem Waffenstillstand vom 5.9. einen messbaren Rahmen für erforderliche politische Fortschritte. Die Umsetzung dieser Beschlüsse wird bei der Überprüfung der EU-Sanktionen eine wichtige Rolle spielen. In ihren direkten Kontakten mit der russischen Seite und in enger Abstimmung mit ihren europäischen und internationalen Partnern setzt sich die Bundesregierung unverändert für das Ziel einer politischen Lösung ein.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier