Frage an Frank-Walter Steinmeier von Hans-Günter G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Außenminister Dr. Steinmeier,
Trotz der Aussage des damaligen Außenministers der Vereinigten Staaten James Baker, am 9. Februar 1990, der erklärte: "Das Bündnis werde seinen Einflussbereich ‚nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen‘, falls die Sowjets der Nato-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland zustimmten." wurden ab März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien Albanien und Kroatien in die NATO aufgenommen. de.wikipedia.org
Die Friedenspolitik von Willy Brandt und Walter Scheel, die die Öffnung des Eisernen Vorhangs und letztendlich auch die Wiedervereinigung Deutschlands zur Folge hatte, wird durch diese Expansionspolitik der USA und der EU-Staaten, die die berechtigten Sorgen und Ängste der Russen ignorieren, wieder zunichte gemacht.
Nun fordert der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jasenjuk gar den Bau einer Mauer, um die Grenzen zu Russland zu schützen. (Zeit-Online vom 03.09.2014)
Meine Fragen:
Warum hält sich die Regierung der Bundesrepublik nicht an das Versprechen, das sie bei der Wiedervereinigung, gemeinsam mit den USA, gegenüber Russland abgegeben hat, nämlich keine weitere Osterweiterung der NATO?
Muss sich Putin nicht hintergangen fühlen, angesichts der Tatsache, dass führende, westliche Politiker der Ukraine immer noch eine Mitgliedschaft in der NATO in Aussicht stellen?
Hat man Beweise, dass z.B. bei dem russischen Hilfskonvoi, wie befürchtet und spekuliert, Waffen mitgeliefert wurden? Wenn Nein, warum hat man sich wegen des falschen Verdachts bei Putin nicht entschuldigt?
Gilt für Sie das wort Willy brandts: "Wir wollen gute Nachbarn sein, nach innen und nach außen!", auch für Russland?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Günter Glaser
Sehr geehrter Herr Glaser,
vielen Dank für Ihre Fragen an Herrn Steinmeier, deren Beantwortung ich Ihnen nachfolgend gern übermitteln möchte.
Warum hält sich die Regierung der Bundesrepublik nicht an das Versprechen, das sie bei der Wiedervereinigung, gemeinsam mit den USA, gegenüber Russland abgegeben hat, nämlich keine weitere Osterweiterung der NATO?
Die Frage einer NATO-Erweiterung auf weitere Staaten neben der DDR wurde nach dem Ende des Kalten Krieges und im Zuge der deutschen Wiedervereinigung nicht verbindlich geregelt. Zwar wurde ein möglicher Beitritt mittelosteuropäischer Länder zwischenzeitlich sowohl unter den Mitgliedern des Bündnisses als auch innerhalb der damaligen US-Regierung unterschiedlich beurteilt. In den entscheidenden vertraglichen Dokumenten wie z.B. im sog. „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ vom 12. September 1990 wurde die Frage einer NATO-Osterweiterung aber nicht behandelt.
Muss sich Putin nicht hintergangen fühlen, angesichts der Tatsache, dass führende, westliche Politiker der Ukraine immer noch eine Mitgliedschaft in der NATO in Aussicht stellen?
Durch Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte im Jahr 1975, dem Abschlussdokument der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, Vorgängerin der heutigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE), haben sich die Teilnehmerstaaten zu dem Recht aller bekannt, „Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein“. Auch die Sowjetunion hat die KSZE Schlussakte unterzeichnet und ist damit die Selbstverpflichtung eingegangen, das Recht auf freie Bündniswahl anzuerkennen. Das Prinzip der freien Bündniswahl wurde in der NATO-Russland-Grundakte von 1997 erneut bekräftigt. Die NATO unterhält bereits seit 1997 eine besondere Partnerschaft mit der Ukraine unter dem Dach der NATO-Ukraine-Kommission. Die Staats- und Regierungschefs der NATO kamen auf ihrem Gipfeltreffen in Bukarest im April 2008 darin überein, dass die Ukraine NATO Mitglied werden wird. Die Beitrittszusage erfolge jedoch ohne zeitliche Präzisierung. Beim jüngsten Gipfel in Wales herrschte Einvernehmen, dass die Beitrittsfrage derzeit nicht auf der Tagesordnung steht.
Hat man Beweise, dass z.B. bei dem russischen Hilfskonvoi, wie befürchtet und spekuliert, Waffen mitgeliefert wurden? Wenn Nein, warum hat man sich wegen des falschen Verdachts bei Putin nicht entschuldigt?
Die Ladung des russischen Hilfskonvois vom August des Jahres konnte nicht von unabhängiger Seite des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) verifiziert werden, weshalb keine gesicherten Informationen über den Inhalt vorliegen. Der russische Hilfskonvoi hätte der Zustimmung der ukrainischen Regierung bedurft. Die Versorgung der Bevölkerung sollte unter der Ägide internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen oder dem IKRK vollzogen werden und auf der Grundlage der humanitären Prinzipien (unabhängig, neutral, überparteilich und bedarfsgerecht). Das Auswärtige Amt unterstützt in seiner Strategie zur Humanitären Hilfe im Ausland das internationale, unabhängig humanitäre Koordinierungssystem und befürwortet wie alle Geberländer der sogenannten „Good Humanitarian Donorship“, dass internationale, humanitäre Hilfe im Rahmen des von den Vereinten Nationen koordinierten internationalen humanitären Systems und auf Grundlage der humanitären Prinzipien durchgeführt wird.
Gilt für Sie das Wort Willy Brandts: "Wir wollen gute Nachbarn sein, nach innen und nach außen!", auch für Russland?
Russland hat mit der Krim-Annexion Völkerrecht gebrochen und die europäische Sicherheitsordnung in Frage gestellt. Das ist in jeder Hinsicht inakzeptabel und verdient die schärfste Verurteilung. Deutschland ist bereit, gemeinsam mit Russland wieder an einer Verbesserung der Beziehungen zu arbeiten: Die Tür für Gespräche bleibt weiter offen. Russland kann jederzeit wieder ein guter Partner sein.
Herzliche Grüße
Team Steinmeier